Jahresbericht 2016

TNr. 39: Zusammenarbeit von Steuerfahndung und Betriebsprüfung verbessern

Übergabe eines Ordners; Bild: Kzenon - Fotolia.com
Anzeigen und Meldungen bei den Steuerfahndungsstellen werden nicht ausreichend geprüft. Die Bearbeitungsqualität muss verbessert werden.

Meldungen durch Betriebsprüfer an die Steuerfahndung führen zu hohen durchschnittlichen Mehrsteuern. Die Anzahl dieser Meldungen ist zu niedrig. Die Zusammenarbeit und der Informationsaustausch zwischen Steuerfahndung und Betriebsprüfung sind zu verbessern.

Der ORH hat 2014/2015 in einer Querschnittsuntersuchung die bei neun FÄ in Bayern eingerichteten Steuerfahndungsstellen und ihre Tätigkeit in den Jahren 2006 bis 2014 geprüft.

39.1 Ausgangslage

Die Steuerfahndung hat den Auftrag, Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten zu erforschen und die Besteuerungsgrundlagen in diesen Fällen zu ermitteln. Außerdem soll sie unbekannte Steuerfälle aufdecken (§ 208 AO).

Die örtliche Zuständigkeit der Steuerfahndung richtet sich nach unterschiedlichen Anknüpfungspunkten. Diese sind u. a. der Tatort, die Tatentdeckung, der Wohnsitz oder der Sachzusammenhang. Es kann demnach eine mehrfache Zuständigkeit gegeben sein. Grundsätzlich besteht eine vorrangige Zuständigkeit für den Ort der ersten Einleitung eines Strafverfahrens. Gemäß § 390 Abs. 2 AO hat eine andere zuständige Finanzbehörde die Strafsache zu übernehmen, wenn dies für die Ermittlungen sachdienlich erscheint.

39.2 Feststellungen

39.2.1 Arbeitsanfall

Bei den Steuerfahndungsstellen gingen von 2006 bis Mitte 2015 rd. 119.000 Meldungen der Verwaltung und Anzeigen durch Steuerbürger ein. Sie waren auf das Vorliegen eines steuerstrafrechtlichen Anfangsverdachts hin zu prüfen. Hierin waren Massenverfahren enthalten, die insbesondere durch Informationen über ausländische Kapitalerträge ausgelöst worden sind (sog. CD-Fälle).

90% der Vorgänge wurden an die örtlich zuständigen FÄ zur weiteren Bearbeitung weitergeleitet. In rd. 13.200 Fällen wurden Fahndungsprüfungen durchgeführt. Diese führten seit 2006 bis zum Zeitpunkt der örtlichen Erhebungen 2014/2015 in Bayern zu vorläufigen steuerlichen Mehrergebnissen von 3,4 Mrd. €. Im Großraum München waren dies pro Prüfungsfall durchschnittlich 452.000 €, bei den übrigen bayerischen Fahndungsstellen 161.000 €. Ähnlich verhielt es sich mit dem durchschnittlichen jährlichen Mehrergebnis pro Prüfer von 2,2 Mio. € in München und 830.000 € im übrigen Bayern.

Zum Zeitpunkt der jeweiligen örtlichen Erhebungen waren rd. 7.700 Meldungen und Anzeigen unerledigt und rd. 1.200 Fahndungsprüfungen nicht abgeschlossen. Gegenüber der Vorprüfung[1] stellt dies einen Rückgang um 4.000 Vorgänge dar. Zum Zeitpunkt der Prüfung waren 24% der unerledigten Meldungen und Anzeigen in München und 18% bei den übrigen Steuerfahndungsstellen älter als zwei Jahre. Bei Meldungen aus der eigenen Verwaltung und der Betriebsprüfung wurde in Einzelfällen eine Bearbeitungsdauer von bis zu sechs Jahren festgestellt.

39.2.2 Personalausstattung

Die Personalausstattung der bayerischen Steuerfahndungsstellen verbesserte sich seit der letzten Prüfung des ORH im Jahr 2007 von 340 auf 371 Fahndungsprüfer. 41 Arbeitskräfte befanden sich zur Vorbereitung ihrer künftigen Tätigkeit als Fahndungsprüfer zur Ausbildung in der Betriebsprüfung.

39.2.3 Einleitung von Fahndungen

Ist nach Auffassung der Steuerfahndungsstelle bei einem gemeldeten Fall ein Steuerstrafverfahren nicht einzuleiten, wird er an die zuständige Stelle weitergegeben. Der ORH sichtete 2.800 dieser weitergegebenen Anzeigen und Meldungen aus den Kalenderjahren 2010 und 2011. Um das Ergebnis zu verifizieren, sah er davon 276 Vorgänge detailliert an und untersuchte unter Vorlage der Steuerakten, ob diese Vorgänge berechtigt zurückgegeben wurden oder von der Steuerfahndung weiter zu bearbeiten gewesen wären.

In 41% dieser Fälle wären weitere Maßnahmen der Steuerfahndung veranlasst gewesen, z. B. Zeugenbefragungen bei Dritten, Auskunftsersuchen an Behörden oder Ortsbesichtigungen. Die nicht ausreichende Bearbeitung wurde von den Fahndungsstellen mit mangelnden Prüferkapazitäten begründet.

39.2.4 Meldungen von Betriebsprüfern

Nur 2% der Meldungen erfolgten durch Betriebsprüfer. Fahndungen, die aufgrund dieser Meldungen erfolgten, führten zu steuerlichen Mehrergebnissen von 452 Mio. €. Das Mehrergebnis pro Prüfungsfall ist um durchschnittlich 90.000 € höher als bei den übrigen Meldungen.

Die Meldequote der Betriebsprüfung aufgrund eines strafrechtlichen Anfangs-verdachts war gering. Betriebsprüfer meldeten der Steuerfahndungsstelle in den Jahren 2006 bis 2014 im Durchschnitt 1,5 Prüfungsfälle. Im wirtschaftsstarken Großraum München wurde weniger als ein Fall pro Betriebsprüfer gemeldet. Die Bandbreite der Meldungen lag - je Steuerfahndungsstelle - bei 0,7 bis 4,0 Meldungen pro Prüfer.

39.2.5 Fälle außerhalb Bayerns

Seit 2004 ermittelten bayerische Fahndungsprüfer in 888 Fällen gegen Steuerpflichtige außerhalb Bayerns. Die Prüfungsberichte ergingen an FÄ in anderen Bundesländern. Die vorläufigen Mehrsteuern aus diesen Prüfungen betrugen 259 Mio. €. Bei 45% der vom ORH geprüften 121 Fälle wäre auch eine Bearbeitung durch die örtlich zuständigen außerbayerischen Steuerfahndungsstellen möglich gewesen.

So bearbeiteten bayerische Steuerfahndungsstellen u. a. Fallkomplexe mit Steuerpflichtigen in mehreren Bundesländern, ohne vor Einleitung des Strafverfahrens die Zusammenarbeit mit den örtlich zuständigen Steuerfahndungsstellen zu suchen bzw. auf Übernahme der entsprechenden Ermittlungen in ihrem Zuständigkeitsbereich hinzuwirken. Beispielsweise wurden in einem Fallkomplex 20 Fahndungsberichte erstellt, die ausschließlich an FÄ außerhalb Bayerns gingen.

39.3 Würdigung

Eine effektive Steuerfahndung ist nach Auffassung des ORH unverzichtbar. Allerdings stellte er Mängel bei der Bearbeitung von Anzeigen und Meldungen fest. Der Bearbeitungsqualität ist deutlich mehr Aufmerksamkeit zu widmen.

Bei Meldungen aus der eigenen Verwaltung und der Betriebsprüfung ist eine vorrangige und zeitnahe Bearbeitung erforderlich. Eine zügige Rückmeldung an den Ersteller der Meldung ist für die Bearbeitung der Steuererklärung in den Folgejahren wichtig. Zudem wird dadurch die Motivation des Erstellers gestärkt, auch in anderen geeigneten Fällen eine Meldung an die Steuerfahndung zu fertigen.

Die Anzahl der Meldungen durch die Betriebsprüfungsstellen bewegt sich auf niedrigem Niveau. Solche Meldungen führen zu Fahndungsprüfungen mit deutlich höheren durchschnittlichen Mehrsteuern als andere Fahndungsprüfungen. Sowohl seitens der Fahndung als auch der Betriebsprüfung sind verstärkte Anstrengungen erforderlich, um eine verbesserte Zusammenarbeit zu erreichen. Dies gilt unabhängig davon, dass die nicht der Steuerfahndung gemeldeten Fälle von der Betriebsprüfung meist mit Mehrergebnissen geprüft werden.

Die Erhebungen zu Meldungen und Anzeigen zeigen, dass bearbeitungswürdige Fälle in Bayern zur Verfügung stehen, die aus Kapazitätsgründen nicht oder nicht ausreichend bearbeitet werden. Gleichzeitig bearbeiten die Steuerfahndungsstellen Steuerfälle aus anderen Bundesländern. Es wird Personal gebunden, das für die Bearbeitung der eigenen Meldungen und Anzeigen nicht mehr zur Verfügung steht.

39.4 Stellungnahme der Verwaltung

Die Verwaltung habe in einem Projekt "Strategische Neuausrichtung der Bußgeld- und Strafsachenstelle und der Steuerfahndungsstelle in Bayern" ein abgestuftes Kontrollsystem erarbeitet, um eine effizientere Überwachung der Fallbearbeitungsdauer zu erreichen. Hiernach seien zeitlich und nach Ansprechpartner gestufte Nachfragen vorgesehen.

Das Finanzministerium weist darauf hin, dass die Steuerfahndungsstellen bei der Auswahl von Prüfungsfällen dem strafrechtlichen Inhalt und der Art der Fahndungsmaßnahmen hohe Bedeutung beizumessen hätten. Fälle ohne strafrechtlichen Inhalt seien durch andere Prüfungsdienste oder die Veranlagungsstellen zu bearbeiten.

Die Steuerfahndung sei im Strafverfahren für die "Herrin des Strafverfahrens" tätig, nämlich für die Staatsanwaltschaft oder für die Bußgeld- und Strafsachenstelle. Dabei werde oftmals die vollständige Übernahme eines Fallkomplexes von der Staatsanwaltschaft vorgegeben. Dies sei insbesondere bei Großverfahren mit Beteiligten im ganzen Bundesgebiet der Fall. Auch wenn eine solche Vorgabe im Einzelfall nicht vorliege, diene die Übernahme eines komplexen Falles regelmäßig der Verfahrensbeschleunigung. Geldauflagen, -bußen und -strafen würden in diesen Fällen dem bayerischen Staatshaushalt zufließen. Andernfalls müssten bayerische Steuerbehörden ggf. im Wege der Amtshilfe tätig werden. Auch hierfür fielen Kosten an.

Bei der nächsten Fachtagung würden die Feststellungen des ORH für eine weitere Optimierung der Fallauswahl dargestellt werden.

Das Finanzministerium teilt mit, dass eine Steigerung der Fallmeldungen durch die Betriebsprüfung angestrebt werde. Dazu seien verschiedene Maßnahmen ergriffen worden, um insbesondere die Kommunikation untereinander zu intensivieren.

39.5 Schlussbemerkung

Das Personal der Steuerfahndung sollte - angesichts der noch immer angespannten Personalsituation - vorrangig innerhalb Bayerns zur Verbesserung der Bearbeitungsqualität eingesetzt werden. Die Finanzverwaltung muss die Maßnahmen intensivieren, um die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch zwischen Steuerfahndung und Betriebsprüfern zu verbessern.

[1] ORH-Bericht 2007 TNr. 23: "Steuerfahndungsstellen der FÄ".

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