TNr. 39: Soforthilfe Wirbelsturmschäden

Das Landwirtschaftsministerium hat eine Soforthilferichtlinie aufgelegt, um Wirbelsturmschäden vom Mai 2015 in der Landwirtschaft auszugleichen. Entgegen dem Beschluss des Ministerrats wurden durch Vollzugshinweise selbst versicherbare Schäden nicht ausgeschlossen. Zukünftig sollte die Eigenvorsorge im Vordergrund stehen.
Der ORH hat 2016 die Soforthilfe zur Bewältigung von Schäden geprüft, die der Wirbelsturm in den Landkreisen Augsburg und Aichach-Friedberg 2015 verursacht hat. An der Prüfung waren die Staatlichen Rechnungsprüfungsämter Würzburg und Augsburg beteiligt.
Bereits im Jahr 2013 hatte das Landwirtschaftsministerium eine "Allgemeine Schadensausgleichsrichtlinie" erlassen.[2] Diese deckt auch Schadensereignisse bei Naturkatastrophen ab. In Anlage 1 dieser "Allgemeinen Schadensausgleichsrichtlinie" wurde auf Grundlage des damaligen Angebotes am Versicherungsmarkt eine zeitlich gestaffelte Regelung getroffen, welche Schäden aus staatlicher Sicht ab wann als versicherbar gesehen werden.
Das Landwirtschaftsministerium hat in Abstimmung mit dem Finanzministerium entschieden, die "Allgemeine Schadensausgleichsrichtlinie" aus dem Jahr 2013 für das Schadereignis des Wirbelsturms nicht anzuwenden. Vielmehr erließ es für den Schadensausgleich infolge des Wirbelsturms eine gesonderte Richtlinie über die Soforthilfe zur Bewältigung von Schäden in der Landwirtschaft durch den Wirbelsturm am 13./14.05.2015 in den Landkreisen Augsburg und Aichach-Friedberg (Soforthilferichtlinie) vom 05.06.2015, die bis zum 31.12.2016 befristet war. Diese schloss versicherbare Schäden grundsätzlich vom Schadensausgleich aus: "Schäden, die versicherbar sind, können nur ausgeglichen werden, wenn ein Ausschluss aus solchen Versicherungen im Einzelfall nachgewiesen wird."[3]
39.2 Feststellungen
Somit wären sämtliche sturmbedingte Schäden an Betriebseinrichtungen, Tierbeständen, Vorräten und Ernteerzeugnissen sowie am Aufwuchs grundsätzlich versicherbar gewesen.
Am 19. und 20.05.2015 führten Sachbearbeiter des zuständigen AELF bei allen 14 betroffenen landwirtschaftlichen Betrieben eine Bestandsaufnahme durch. Bei den Betriebsinhabern wurden Schäden abgefragt und geklärt, inwieweit Versicherungen vorliegen.
In Vollzugshinweisen vom 08.06.2015 zur Soforthilferichtlinie legte das Landwirtschaftsministerium im Einvernehmen mit dem Finanzministerium fest, dass Schäden aus Sturm, Starkregen, Starkfrost und Auswinterung erst ab 01.01.2017 als versicherbar gelten. Folglich waren beim Schadensausgleich für den Wirbelsturm versicherbare Schäden nicht ausgeschlossen.
39.3 Würdigung
Der ORH vertritt die Auffassung, dass es in der Verantwortung jedes Unternehmers liegt, Risiken abzuschätzen und sich entsprechend zu versichern. Der Staat sollte daher Schäden nicht ausgleichen, wenn Unternehmer es versäumt haben, versicherbare Risiken über den Versicherungsmarkt abzusichern. Das Landwirtschaftsministerium benachteiligt sonst gerade diejenigen Unternehmer, die eigenverantwortlich Risikovorsorge betreiben und für ihre Versicherung Prämien leisten.
Im Ergebnis führte das Landwirtschaftsministerium Regelungen ein, die die vorgeschriebene Nachrangigkeit von staatlichem Handeln missachteten (Subsidiaritätsprinzip, Art. 23 BayHO).
Die Staatsregierung hat mehrfach Gespräche mit der Versicherungswirtschaft geführt, um die Angebotsbreite für Elementarschadenversicherungen zu erweitern; sie hat auf solche Angebote immer wieder offensiv hingewiesen. Sonderregelungen, die dem bestehenden Versicherungsangebot die Marktdurchdringung erschweren, konterkarieren den langjährig verfolgten Ansatz der Staatsregierung zur präventiven Eigenvorsorge. In diesem Zusammenhang verweist der ORH auf die Öffentlichkeitskampagne "Voraus denken - elementar versichern" der Staatsregierung aus dem Jahr 2009.
Für den Fall, dass bei zukünftigen Schadensereignissen zur Ermittlung der Schadenshöhe wieder Pauschalwerte Verwendung finden sollten, sichert das Landwirtschaftsministerium zu, diese zentral vorzugeben.
Aktuell werde ressortübergreifend mit der Versicherungswirtschaft daran gearbeitet, die Bereitschaft der Bürger und Unternehmen zu erhöhen, sich gegen Elementarschäden zu versichern.
39.1 Ausgangslage
Ein Wirbelsturm richtete in der Nacht vom 13./14.05.2015 in vier Ortschaften örtlich begrenzt und vereinzelt erhebliche Schäden auch bei landwirtschaftlichen Betrieben an. Laut Gutachten des Deutschen Wetterdienstes handelte es sich um eine Naturkatastrophe.[1] Der Ministerrat beschloss am 19.05.2015 finanzielle Hilfen für die Geschädigten. Demnach sollten u.a. land- und forstwirtschaftliche Betriebe bei wirtschaftlicher Notlage für Aufwuchs-, Ernte- sowie sonstige nicht versicherbare Schäden Zuschüsse erhalten können.Bereits im Jahr 2013 hatte das Landwirtschaftsministerium eine "Allgemeine Schadensausgleichsrichtlinie" erlassen.[2] Diese deckt auch Schadensereignisse bei Naturkatastrophen ab. In Anlage 1 dieser "Allgemeinen Schadensausgleichsrichtlinie" wurde auf Grundlage des damaligen Angebotes am Versicherungsmarkt eine zeitlich gestaffelte Regelung getroffen, welche Schäden aus staatlicher Sicht ab wann als versicherbar gesehen werden.
Das Landwirtschaftsministerium hat in Abstimmung mit dem Finanzministerium entschieden, die "Allgemeine Schadensausgleichsrichtlinie" aus dem Jahr 2013 für das Schadereignis des Wirbelsturms nicht anzuwenden. Vielmehr erließ es für den Schadensausgleich infolge des Wirbelsturms eine gesonderte Richtlinie über die Soforthilfe zur Bewältigung von Schäden in der Landwirtschaft durch den Wirbelsturm am 13./14.05.2015 in den Landkreisen Augsburg und Aichach-Friedberg (Soforthilferichtlinie) vom 05.06.2015, die bis zum 31.12.2016 befristet war. Diese schloss versicherbare Schäden grundsätzlich vom Schadensausgleich aus: "Schäden, die versicherbar sind, können nur ausgeglichen werden, wenn ein Ausschluss aus solchen Versicherungen im Einzelfall nachgewiesen wird."[3]
39.2 Feststellungen
39.2.1 Behandlung von versicherbaren Schäden
Versicherungsunternehmen bieten über sog. Landwirtschaftliche Inhaltsversicherungen oder Ernteausfallversicherungen Produkte an, die Sturmschäden in der Landwirtschaft abdecken. Die Versicherungswirtschaft bestätigte dem ORH, dass seit der Markteinführung im Jahr 2008 in Bayern flächendeckend Mehrgefahrenversicherungen angeboten werden. Diese umfassen die Absicherung von landwirtschaftlichen Kulturen gegen Schäden durch Hagel, Starkregen, Sturm sowie Starkfrost. Die zunehmenden Wetterextreme und Marktunsicherheiten haben in den letzten Jahren dazu geführt, dass immer mehr Betriebe diese umfassende Form der Absicherung wählen, zumindest für die besonders anfälligen und wirtschaftlich bedeutenden Kulturen.Somit wären sämtliche sturmbedingte Schäden an Betriebseinrichtungen, Tierbeständen, Vorräten und Ernteerzeugnissen sowie am Aufwuchs grundsätzlich versicherbar gewesen.
Am 19. und 20.05.2015 führten Sachbearbeiter des zuständigen AELF bei allen 14 betroffenen landwirtschaftlichen Betrieben eine Bestandsaufnahme durch. Bei den Betriebsinhabern wurden Schäden abgefragt und geklärt, inwieweit Versicherungen vorliegen.
In Vollzugshinweisen vom 08.06.2015 zur Soforthilferichtlinie legte das Landwirtschaftsministerium im Einvernehmen mit dem Finanzministerium fest, dass Schäden aus Sturm, Starkregen, Starkfrost und Auswinterung erst ab 01.01.2017 als versicherbar gelten. Folglich waren beim Schadensausgleich für den Wirbelsturm versicherbare Schäden nicht ausgeschlossen.
39.2.2 Antragstellung und Verwaltungsvollzug
Von den 14 betroffenen Landwirten stellten 7 Landwirte einen Förderantrag, nur wenige Anträge wurden bewilligt. Bei der Prüfung des Verwaltungsvollzuges wurde Folgendes festgestellt:- Nach der Soforthilferichtlinie wird auch eine Einkommensminderung ausgeglichen. Diese muss nach einer vorgegebenen Berechnungsformel ermittelt werden. Alternativ ist es dem Landwirtschaftsministerium gemäß der Soforthilferichtlinie auch möglich, Pauschalsätze für die Einkommensminderung festzulegen, was jedoch nicht erfolgt ist. Dennoch wendete das örtlich zuständige AELF zur Schadensermittlung nicht die Berechnungsformel an, sondern legte eigene Pauschalsätze zugrunde. Dies geschah laut Landwirtschaftsministerium in Absprache mit ihm aus Effizienzgründen.
- Wegen des Wirbelsturms stürzte bei einem Gebäude ein Giebel ein und beschädigte einen Traktor (Baujahr 1978) stark. Das AELF erkannte insoweit einen Schaden von 5.000 € an, ohne weitere Recherchen anzustellen. Zugleich hielt es fest, dass der Traktor "verschwunden/entsorgt" wäre. Der ORH hat festgestellt, dass der 37 Jahre alte Traktor schon zum Zeitpunkt des Wirbelsturms nicht einsatzbereit war. Er wurde von einem Alteisenhändler abgeholt. Nach der Rechnungsprüfung zog der Antragsteller insoweit seinen Antrag zurück.
39.3 Würdigung
39.3.1 Behandlung von versicherbaren Schäden
Wirbelsturmschäden an Inventar, Vorräten, Tieren und Aufwuchs wären grundsätzlich am Versicherungsmarkt versicherbar gewesen (vgl. TNr. 39.2.1). Für den ORH ist nicht nachvollziehbar, dass das Landwirtschaftsministerium mit den Vollzugshinweisen festlegte, diese Schäden wären erst ab 01.01.2017 versicherbar. Mit dieser Vorgehensweise griff die Verwaltung auf die ursprüngliche Regelung aus dem Jahr 2013 (Anlage 1 der "Allgemeinen Schadensausgleichsrichtlinie") zurück, obwohl entschieden war, dass diese für den Ausgleich der Wirbelsturmschäden nicht anzuwenden ist. Das Landwirtschaftsministerium erließ diese Regelungen auch vor dem Hintergrund des Ministerratsbeschlusses vom 19.05.2015, wonach nur nicht versicherbare Schäden ausgeglichen werden sollten. Aus Sicht des ORH hätte die Vereinbarung der beiden Staatsministerien, die "Allgemeine Schadensausgleichsrichtlinie" nicht anzuwenden, als Chance genutzt werden müssen, wegen der Veränderungen am Versicherungsmarkt keine erneute Sonderregelung aufzustellen.Der ORH vertritt die Auffassung, dass es in der Verantwortung jedes Unternehmers liegt, Risiken abzuschätzen und sich entsprechend zu versichern. Der Staat sollte daher Schäden nicht ausgleichen, wenn Unternehmer es versäumt haben, versicherbare Risiken über den Versicherungsmarkt abzusichern. Das Landwirtschaftsministerium benachteiligt sonst gerade diejenigen Unternehmer, die eigenverantwortlich Risikovorsorge betreiben und für ihre Versicherung Prämien leisten.
Im Ergebnis führte das Landwirtschaftsministerium Regelungen ein, die die vorgeschriebene Nachrangigkeit von staatlichem Handeln missachteten (Subsidiaritätsprinzip, Art. 23 BayHO).
Die Staatsregierung hat mehrfach Gespräche mit der Versicherungswirtschaft geführt, um die Angebotsbreite für Elementarschadenversicherungen zu erweitern; sie hat auf solche Angebote immer wieder offensiv hingewiesen. Sonderregelungen, die dem bestehenden Versicherungsangebot die Marktdurchdringung erschweren, konterkarieren den langjährig verfolgten Ansatz der Staatsregierung zur präventiven Eigenvorsorge. In diesem Zusammenhang verweist der ORH auf die Öffentlichkeitskampagne "Voraus denken - elementar versichern" der Staatsregierung aus dem Jahr 2009.
39.3.2 Antragstellung und Verwaltungsvollzug
Die Sachbearbeitung wies Mängel auf, die im Rahmen der Rechnungsprüfung weitgehend korrigiert wurden:- Es gab keine Grundlage dafür, dass das AELF für die Schadensermittlung - anstelle der vom Landwirtschaftsministerium festzulegenden Pauschalsätze - eigene Pauschalen verwendete. Dies ist auch nach der Richtlinie ausgeschlossen.[4] Eine Schadensermittlung nach Berechnungsformel wäre zielführend gewesen: die Abwicklung über Schadenspauschalen kann zur Überkompensation führen.
- Der Schaden des "verschwundenen Traktors" hätte in keinem Fall von der Verwaltung anerkannt werden dürfen.
39.4 Stellungnahme der Verwaltung
Das Landwirtschaftsministerium erwidert, es habe der Kritik des ORH inzwischen Rechnung getragen und die "Allgemeine Schadensausgleichsrichtlinie" novelliert. Sie sei an die Nationale Rahmenrichtlinie des Bundes vom 25.08.2015 angepasst und am 03.06.2016 in Kraft gesetzt worden.Für den Fall, dass bei zukünftigen Schadensereignissen zur Ermittlung der Schadenshöhe wieder Pauschalwerte Verwendung finden sollten, sichert das Landwirtschaftsministerium zu, diese zentral vorzugeben.
Aktuell werde ressortübergreifend mit der Versicherungswirtschaft daran gearbeitet, die Bereitschaft der Bürger und Unternehmen zu erhöhen, sich gegen Elementarschäden zu versichern.
39.5 Schlussbemerkung
Der ORH empfiehlt, beim Schadensausgleich die Eigenvorsorge in den Vordergrund zu stellen und keine Ausnahmeregelungen für die Entschädigung versicherbarer Schäden zu treffen. Ziel sollte weiterhin sein, die Bereitschaft der Bürger und Unternehmer zu erhöhen, Risiken angemessen abzusichern.
[1] Beihilfen an Unternehmen, die zur Beseitigung von Schäden durch Naturkatastrophen dienen, sind mit dem Binnenmarkt vereinbar, vgl. Art. 107 Abs. 2b Vertrag über die Arbeitsweise der EU (AEUV).
[2] Richtlinie zur Gewährung von Zuwendungen zum teilweisen Ausgleich von Schäden in Landwirtschaft, Binnenfischerei und Aquakultur vom 21.03.2013 Gz. G4-7297-1/162.
[3] Nr. 3.5 Soforthilferichtlinie.
[4] Nr. 5.3 Soforthilferichtlinie.