TNr. 36: Aufgaben der Staatlichen Schulämter

Der ORH hat 2016 und 2017 zusammen mit den Staatlichen Rechnungsprüfungsämtern Regensburg und Augsburg die Aufgaben, Geschäftsprozesse und Organisationsstrukturen an 14 ausgewählten Staatlichen Schulämtern geprüft. Prüfungsmaßstäbe waren die Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit des Verwaltungshandelns.
36.1 Ausgangslage
Die Schulverwaltung ist im Bereich der öffentlichen Grund- und Mittelschulen - im Gegensatz zu anderen Schularten - vierstufig aufgebaut. Die Aufsicht über die Grund- und Mittelschulen führen die 96 Staatlichen Schulämter, übergeordnet sind ihnen die sieben Regierungen und das Kultusministerium. Der Amtsbereich der Staatlichen Schulämter deckt sich grundsätzlich mit dem Gebiet der jeweiligen 71 Landkreise und 25 kreisfreien Städte. Ein Schulaufsichtsbeamter als "fachlicher Leiter“ und der Landrat oder Oberbürgermeister als "rechtlicher Leiter“ leiten gemeinsam jeweils ein Staatliches Schulamt.[1] Zu den Aufgaben der Staatlichen Schulaufsicht gehören nach Art. 111 BayEUG
- die Planung und Ordnung des Unterrichtswesens,
- die Sicherung der Qualität von Erziehung und Unterricht,
- die Förderung und Beratung der Schulen,
- die Aufsicht über die inneren und äußeren Schulverhältnisse sowie über die Schulleitung und das pädagogische Personal und
- die Förderung der Zusammenarbeit der Schulen mit den Jugendämtern und anderen Trägern und Einrichtungen.
Der ORH hat bei seinen Prüfungen wiederholt organisatorische Verbesserungsmöglichkeiten der Schulaufsicht aufgezeigt.[2]
36.2 Feststellungen
36.2.1 Kleine Schulämter
In etwa einem Drittel der Staatlichen Schulämter sind einschließlich der Schulamtsleitung maximal zwei Schulräte (1,5 bis max. 2,0 VZK) tätig. Jeder Schulrat bzw. Schulamtsleiter muss dort nahezu alle Themen abdecken können; eine fachliche Schwerpunktbildung bzw. Spezialisierung (z.B. Inklusion, Migration, Fortbildung) konnte der ORH gerade dort kaum feststellen. In solchen kleinen Staatlichen Schulämtern sind Probleme bei Personalausfällen oder dienstlichen Abwesenheiten aufgrund von Schulbesuchen, insbesondere in Zeiten der Lehramtsprüfungen, nur eingeschränkt bis gar nicht zu kompensieren. Teilweise sind Staatliche Schulämter nicht durchgängig besetzt.
36.2.2 Wahrnehmung kleinteiliger Aufgaben
Beim Spektrum der mehr als 60 Aufgaben, die Staatlichen Schulämtern obliegen, reicht die Bandbreite von Organisation der Krisenintervention über Genehmigung von Hausunterricht bis hin zur Erstellung von Vordrucken. Nach Angaben der Schulämter sind zwei Drittel aller Aufgaben quantitativ stark zersplitterte Kleinstaufgaben, deren Aufwand 20% am Gesamtaufwand aller Aufgaben ausmacht.
Es bestehen unterschiedliche Verfahrensabläufe an den Staatlichen Schulämtern. Weitestgehend gleichartige Aufgaben werden so selbst in gleichgelagerten Fällen von den einzelnen Staatlichen Schulämtern unterschiedlich ausgeführt, etwa bei der Bildung der mobilen Reserve für Unterrichtsvertretungen.
Einheitliche Standards, insbesondere bei Verwaltungsaufgaben mit Routinecharakter fehlen. Die Staatlichen Schulämter entwickeln deshalb selbst Standards für ihren jeweiligen Bereich. Dies führt beispielsweise dazu, dass Staatliche Schulämter eigene Vorlagen für Kurzbriefe, Krankmeldungen und Aushändigungsnachweise, aber auch Internetseiten erstellen, weil keine zentralen und barrierefreien einheitlichen Vorlagen zur Verfügung stehen.
36.2.3 Datenabfragen
Eine überschlägige Hochrechnung des ORH auf Grundlage erfasster Dokumente ergab, dass die 96 Staatlichen Schulämter insgesamt pro Jahr 11.000 Abfragen für Statistiken und Auswertungen auf dem Dienstweg an die Grund- und Mittelschulen zur Beantwortung weiterleiten.
Bei mehr als der Hälfte der Abfragen fehlt eine zentrale IT-Unterstützung. Auch Daten zu immer wiederkehrenden Abfragen und Statistiken werden vielfach aus Einzelerhebungen zusammengetragen. In einem früheren Prüfungsschriftwechsel hatte das Kultusministerium 2004 angeführt, dass eines der Ziele des IT-Verfahrens "Amtliche Schuldaten“ die deutliche Reduzierung von Datenmeldungen an übergeordnete Stellen sei.
36.2.4 Aufgabenerfüllung durch Schulräte
Personal- und Verwaltungsaufgaben (z.B. Erstellen von Bewerberlisten, Vorbereitung und finanzielle Abwicklung von schulischen Veranstaltungen, Verwaltung von Haushalts- und Betriebsmitteln, Bearbeitung von Teilzeitanträgen) machen über 60% des gesamten Aufgabenspektrums aus. Diese Aufgaben werden zulasten schulfachlicher Aufgaben (z.B. Initiierung und Begleitung von Schul- und Modellversuchen, Beteiligung an Lehramtsprüfungen, Lehrplaneinführung, Beratung von Eltern und Schulen) nicht nur von Verwaltungskräften, sondern auch von Schulräten wahrgenommen.
Bei Personalverwaltungsaufgaben sind Schulräte der Staatlichen Schulämter im mehrstufigen Verwaltungsablauf eingebunden (z.B. Ruhestandsversetzungen). Nach Auskunft von zwei Regierungen spielt deren Beitrag aber häufig keine maßgebliche Rolle für die Entscheidung.
36.2.5 Kooperation
Bezüglich eines Informationsaustauschs bzw. einer Kooperation zwischen den Schulämtern zeigte sich ein heterogenes Bild. Einzelne Schulämter arbeiten, über regelmäßige Dienstbesprechungen hinaus, eng und institutionalisiert zusammen, tauschen sich regelmäßig aus und bearbeiten gemeinsame Themen. Zum Teil wird der Austausch durch die Regierungen koordiniert, angeregt und begleitet. Einige Schulämter haben mitgeteilt, dass eine Kooperation bzw. ein Austausch mit anderen Schulämtern nicht stattfinde bzw. nicht stattfinden könne.
36.2.6 Schwerpunktsetzung
Angesichts der Fülle der übergeordneten und kleinteiligen Aufgaben ist nach Angaben der Staatlichen Schulämter mangels gezielter Steuerung kaum benennbar, welche Aufgaben Priorität haben. Demzufolge entscheiden sie entsprechend ihren quantitativen und fachlichen Kapazitäten selbst über die Priorität und Intensität der Aufgabenerfüllung.
36.3 Würdigung und Empfehlungen des ORH
Der ORH sieht Handlungsbedarf insbesondere beim Kultusministerium bei den Verwaltungs- und Organisationsstrukturen der Staatlichen Schulämter. Vor allem bei den zahlreichen Staatlichen Schulämtern, die für Leitungs- und Fachaufgaben nur maximal zwei Schulräte haben, bestehen erhebliche organisatorische Probleme.Die Vielzahl an kleinen Aufgaben wirkt sich negativ auf Effizienz und Effektivität der Schulaufsicht aus. Grundsätzlich müssen derzeit alle Schulämter nahezu alle Themen bearbeiten, was zu einem vielfachen Aufwand führt.
Der hohe Anteil von Personal- und Verwaltungsaufgaben, den Schulräte wahrnehmen, geht zulasten von deren schulfachlichen Aufgaben. Dieser sollte soweit wie möglich reduziert werden.
Das Erstellen von Abfragen und Statistiken ohne IT-Unterstützung ist langwierig und für alle beteiligten Ebenen (Kultusministerium, Regierungen, Staatliche Schulämter, Schulen) arbeitsaufwendig.
Der ORH ist der Überzeugung, das Kultusministerium sollte kurzfristig
- mithilfe von bayernweit gültigen Arbeitsanweisungen und Vorlagen die Arbeit aller Staatlichen Schulämter unterstützen;
- die Anzahl und den Turnus der Statistiken und Abfragen überprüfen und soweit wie möglich reduzieren. Zu empfehlen ist, einheitliche Reports mithilfe geeigneter IT zu erstellen und zentral auszuwerten.
- alle Aufgaben der Staatlichen Schulämter auf den Prüfstand stellt;
- für die verbleibenden Aufgaben eine systematische Geschäftsprozessanalyse bei den Staatlichen Schulämtern durchführt. Dabei geht es darum, Verwaltungsabläufe zu vereinfachen, unnötige Arbeitsschritte zu vermeiden und eine zentralere Abwicklung dafür geeigneter Aufgaben zu erreichen;
- prüft, wie sich die Verwaltungs- und Organisationsstruktur verbessern lässt, etwa durch Kooperation, flächendeckende institutionalisierte Zusammenarbeit, gemeinsame Leitung mehrerer Schulämter, Bildung von Schulamtsverbünden oder Zusammenschlüsse zu größeren Einheiten.
36.4 Stellungnahme der Verwaltung
Das Kultusministerium teilt die Einschätzungen des ORH weitgehend. Es führe im Bereich der Staatlichen Schulämter eine Aufgaben- und Organisationsoptimierung mit folgenden Eckpunkten durch:- Erhalt des Staatlichen Schulamts in der Region
- Gestaltung von Schulamtsverbünden im Dialog
- Aufgabenüberprüfung in einer dynamischen Bildungslandschaft
- Sicherung der Qualität der Staatlichen Schulämter
- Gerechtere Belastung in Zeiten des demografischen Wandels
Unter Beibehaltung der Staatlichen Schulämter als eigenständige Organisationseinheiten in der Region sei an eine Bildung von Schulamtsverbünden mit gemeinsamer fachlicher Leitung und Aufteilung der Aufgaben gedacht.
Zu den statistischen Abfragen kündigt das Kultusministerium eine sukzessive Reduzierung der Datenmeldungen durch die Nutzung zentraler Datenauswertungen aus den IT-Schulverwaltungssystemen ASV/ASD[3] an, die ab dem Schuljahr 2017/18 bei den Grund- und Mittelschulen eingeführt worden seien. Darüber hinaus erforderliche Abfragen sollen nur in unausweichlichen Fällen und mit Unterstützung von eindeutig bedienbaren Abfragemasken initiiert werden.
36.5 Schlussbemerkung
Das Kultusministerium sollte seine angekündigten Maßnahmen einschließlich der Entwicklung der IT zügig umsetzen. Es sollte die Aufgaben und Geschäftsprozesse der Staatlichen Schulämter sowie deren Organisationsstrukturen überprüfen und ein schlüssiges Gesamtkonzept zur Reform der Staatlichen Schulämter entwickeln.
[2] Vgl. ORH-Berichte 1990 TNr. 21 und 2004 TNr. 24.
[3] ASV: Amtliche Schulverwaltung, ASD: Amtliche Schuldaten.