TNr. 38: Zuwendungen für Veranstaltungen der künstlerischen Musikpflege

Der Förderbereich sollte zeitnah evaluiert werden.
Der ORH hat 2015 und 2016 zusammen mit dem Staatlichen Rechnungsprüfungsamt Bayreuth die ordnungsgemäße Verwendung der staatlichen Mittel für Zuwendungen für Veranstaltungen der künstlerischen Musikpflege geprüft (Kap. 15 05 TG 75). Die "Internationalen Herrenchiemsee Festspiele“ hat er als Veranstaltung der künstlerischen Musikpflege in seine Prüfung einbezogen (Kap. 15 05 Tit. 686 03-5). Insgesamt wurden vier größere Förderfälle bei den Zuwendungsempfängern vor Ort geprüft.
38.1 Ausgangslage
Der Bayerische Musikplan[1] hat als Entwicklungsprogramm für Musikerziehung, Musikausbildung und Musikpflege die Dezentralisierung und Regionalisierung des Angebots an künstlerischen Veranstaltungen zum Ziel; dabei bezieht er sich auf das Landesentwicklungsprogramm (LEP) der Staatsregierung. Danach soll in Bayern ein vielfältiges kulturelles Angebot in allen Regionen gefördert werden. Der Musikplan enthält allgemeine Voraussetzungen für eine staatliche Förderung (z.B. überregionale Bedeutung der Maßnahme oder der Einrichtung).
Für die Umsetzung des Musikplans stellt der Landtag Haushaltsmittel zur Verfügung. Für die Förderung musikalischer Festivals und Veranstaltungen im Rahmen der künstlerischen Musikpflege - einem Teil des Musikplans - sind Mittel bei Kap. 15 05 TG 75 eingestellt.
Zuwendungen werden nach der BayHO[2] bewilligt. In den von der Staatsregierung erlassenen "Grundsätzen für die Ordnung staatlicher Förderprogramme“ (FöGr)[3] sind dazu bayernweit gültige, allgemeine Leitsätze u. a. für die Schaffung und Fortführung von Zuwendungsbereichen und zum Zuwendungsverfahren enthalten.
Das Wissenschaftsministerium hat für den Vollzug der Förderung von Musikveranstaltungen verwaltungsinterne "Grundsätze für die Vergabe staatlicher Zuschüsse für musikalische Festivals und Veranstaltungen“ ("Grundsätze“) erlassen.
Der ORH hatte bereits 2007 und 2008 (Datenbasis 2005) die Verwendung der Haushaltsmittel für Veranstaltungen der künstlerischen Musikpflege geprüft (Kap. 15 05 TG 75). Er hatte u. a. festgestellt, dass 80% aller Förderbescheide für Bewilligungen bis zu 5.000 € erstellt wurden. Zudem enthielten die zugrundeliegenden "Grundsätze“ kaum Vorgaben zur Förderfähigkeit. Der ORH hatte 2008 außerdem u.a. klare Vergabekriterien empfohlen.
38.2 Feststellungen
38.2.1 Vergleich der Förderungen der künstlerischen Musikpflege 2005 und 2016
Die Gesamtanzahl der Förderungen hat sich bei einer gestiegenen Gesamtfördersumme verringert.
Der prozentuale Anteil der Kleinförderungen bis 5.000 € sank 2016 gegenüber 2005 von 80 auf 74%. Der Anteil an der Gesamtfördersumme verringerte sich dabei von 18 auf 11%. Der Anteil von Kleinstförderungen mit einem Betrag bis 1.500 € lag z.B. 2015 bei 28% (21 Förderfälle).[4]
Der Anteil der großen Förderungen über 100.000 € lag 2005 bei 1% (1 absolut) und 2016 bei 6% (4 absolut) aller Fälle. 2005 wurden 32% und 2016 60% der gesamten Haushaltsmittel für diese Förderungen verausgabt.
38.2.2 Förderkriterien und Bewilligungsverfahren
Bei seiner Bewilligung der Zuwendungen für die künstlerische Musikpflege wendet das Wissenschaftsministerium als zuständige Behörde die verwaltungsinternen "Grundsätze“[5] an. Förderfähig sind danach alle Bereiche der künstlerischen Musik, der klassischen und vorklassischen Musik, der Kirchenmusik und zeitgenössischen Musik einschließlich Jazz. Gefördert werden musikalische Festivals und Veranstaltungsreihen; Einzelkonzerte und einzelne musikalische Veranstaltungen dagegen nur in begründeten Ausnahmefällen. Zudem muss das Festival überregionale Bedeutung haben. Indiz dafür ist die finanzielle Beteiligung der kommunalen Gebietskörperschaften. Weiteres Indiz ist die Größenordnung der Aufwendungen für das Projekt (Gesamtausgaben von mindestens 10.000 €). Weitere Maßgaben gibt es nicht:- Es gibt keine Empfehlungen bezüglich der Anzahl von Musikveranstaltungen, zu deren Auslastung und den Besucherzahlen. So berücksichtigte das Wissenschaftsministerium im Jahr 2014 z. B. bei der Bemessung der Zuwendungen zweier vergleichbarer Festivals weder die jeweilige Anzahl der Veranstaltungen noch die jeweiligen Besucherzahlen. Bei einem dritten Festival wurden seit 2012 sinkende Besucherzahlen mit sinkenden Eigeneinnahmen festgestellt. Obwohl es sich um keine Fehlbedarfsfinanzierung handelt, hat das Wissenschaftsministerium ohne nähere Begründung die institutionelle Zuwendung von 280.000 € (2012) auf 320.000 € (2015) erhöht.
- Eine Empfehlung zur konkreten finanziellen Beteiligung von kommunalen Gebietskörperschaften enthalten die "Grundsätze“ nicht.
- Angebote zur kulturellen Bildungsarbeit werden bei der Höhe der Förderung nicht berücksichtigt.
- Kriterien zur Differenzierung von Veranstaltungen in Ballungsräumen oder in ländlichen Gebieten (z.B. hinsichtlich der Nachfrage) gibt es nicht und damit auch keine Konkretisierung zur Umsetzung der Ziele des LEP.
- Eine Definition, welche Ausgaben zuwendungsfähig sind, fehlt. Daher wurden z.B. in einem Fall kommunale Regieleistungen entgegen den FöGr[6] als zuwendungsfähig anerkannt.
- Es gibt keine Bagatellgrenze, die sich an den zuwendungsfähigen Ausgaben[7] orientiert.
In manchen Fällen wurden zusätzlich Haushaltsmittel aus dem Kulturfonds gewährt. Aufgrund von Abstimmungsproblemen mit den jeweils zuständigen Regierungen wurde nicht erkannt, dass es sich hier um unzulässige Mehrfachförderungen handelte.[8]
38.2.3 Evaluation des Förderprogramms
Bisher hat das Wissenschaftsministerium die Förderung der künstlerischen Musikpflege noch nicht evaluiert.
38.3 Würdigung
38.3.1 Zuständigkeit des Wissenschaftsministeriums
Gemäß den Organisationsrichtlinien[9] sollen auf die Regierungen alle Vollzugsaufgaben der Staatsministerien übertragen werden, soweit sie nicht wegen der besonderen politischen Bedeutung oder Steuerungsfunktion oder um der Einheitlichkeit des Vollzugs auf Landesebene willen bei den Staatsministerien liegen müssen und dieses Ziel nicht durch ministerielle Richtlinien oder
- ausnahmsweise - durch Zustimmungsvorbehalte erreicht werden kann. Gerade angesichts des hohen Verwaltungsaufwands und der Vielzahl der Fälle kann es nicht Aufgabe des Wissenschaftsministeriums sein, Kleinförderungen (z.B. bis 5.000 €) auszureichen und die Verwendungsnachweise zu prüfen.[10] In diesen Fällen sollte eine Delegation geprüft werden.
38.3.2 Förderkriterien und Bewilligungsverfahren
Die "Grundsätze“ sind zu unbestimmt und schaffen keine klaren Maßgaben für den Verwaltungsvollzug. Im Interesse von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sollte das Wissenschaftsministerium eine gleichmäßige Behandlung aller geförderten Festivals besser sicherstellen. Es sollte dazu zumindest die "Grundsätze“ überarbeiten und konkrete Empfehlungen (u. a. zur Anzahl der Veranstaltungen, Gesamtbesucherzahlen sowie zur Auslastung) geben. Bei einer Überarbeitung der "Grundsätze“ sind zudem die Leitsätze zum Zuwendungsrecht nach bayerischem Haushaltsrecht sinngemäß zu beachten.[11] Das könnte zu Förderrichtlinien führen, die die Mittelvergabe noch transparenter machen. In diesem Sinne sollten die "Grundsätze“ oder Förderrichtlinien folgende Aspekte enthalten:- Aufgrund des Kulturauftrags (Art. 140 BV) sollten geförderte Veranstaltungen auch einen Beitrag zur kulturellen Bildungsarbeit leisten. Dazu zählen laut Musikplan auch spezielle Angebote für Kinder und Jugendliche, um diese an die künstlerische Musikpflege heranzuführen. Entsprechende Kriterien sollten bei der Bemessung der Förderhöhe einbezogen werden.
- Ein Grundgedanke des LEP ist die gleichwertige Versorgung aller Regionen in Bayern mit kulturellen Angeboten. Bei begrenzten Haushaltsmitteln sind Kriterien notwendig, ob und inwieweit eine Förderung auch in Ballungsräumen mit einem bereits vorhandenen kulturellen Angebot möglich sein soll.
- Nach den FöGr[12] ist eine Bagatellgrenze auf der Basis der zuwendungsfähigen Ausgaben erforderlich.
- Die allgemeinen Zuwendungsvoraussetzungen sowie das grundsätzliche Verbot einer Mehrfachförderung und die Festlegung von zuwendungsfähigen Ausgaben sind beim Bewilligungsverfahren zu beachten.
38.3.3 Evaluation des Förderprogramms
Ein Förderprogramm darf nicht auf Dauer fortgeführt werden, ohne dessen Wirksamkeit zu überprüfen.[13] Eine Evaluation dieses seit Jahrzehnten laufenden Förderprogramms sollte deshalb im Interesse des effizienten Einsatzes staatlicher Mittel zeitnah erfolgen. Dabei sind auch die Landtagsbeschlüsse vom 18.07.1991[14) und vom 21.06.2017[15] zu beachten. 1991 ersuchte der Landtag bereits die Staatsregierung, "das Instrument der Erfolgskontrolle zur Gewährleistung wirtschaftlichen Handelns des Staats verstärkt zu nutzen und insbesondere bei Maßnahmen von finanziellem Gewicht grundsätzlich Erfolgskontrollen durchzuführen. Hierauf sollte schon bei der Einleitung von Maßnahmen durch klare Zieldefinitionen und Sammlung notwendiger Daten Rücksicht genommen werden“.
38.4 Stellungnahme der Verwaltung
Das Wissenschaftsministerium teilt die Auffassung des ORH, dass eine weitere Konkretisierung der Fördergrundsätze sinnvoll sei. Es würde derzeit die Fördergrundsätze mit dem Ziel überarbeiten, inhaltliche Mindestanforderungen an die Festivals und Veranstaltungen aufzunehmen. Die Evaluierung der erfolgten Zuwendung würde im Rahmen der Verwendungsnachweisprüfung durchgeführt werden. Zudem werde es prüfen, ob bei Kleinförderungen bis 5.000 € eine Verlagerung der Antrags- und Verwendungsnachweisprüfung auf andere geeignete Einrichtungen sinnvoll umsetzbar sei.
38.5 Schlussbemerkung
Der ORH begrüßt die Entscheidung des Wissenschaftsministeriums, die Fördergrundsätze überarbeiten zu wollen. Aus Sicht des ORH ist es allerdings nicht ausreichend, lediglich inhaltliche Mindestanforderungen an die Festivals und Veranstaltungen aufzunehmen. Dabei sollten auch weitere Kriterien - wie vom ORH aufgeführt - festgelegt werden.
Zudem sollte das Förderprogramm umfassend evaluiert werden. Eine Prüfung der Verwendungsnachweise, die der ordnungsgemäßen und zweckentsprechenden Mittelverwendung dient, ersetzt keinesfalls eine Evaluation und damit eine wirksame Erfolgskontrolle.[16]
[2] Art. 44 i. V. m. Art. 23 BayHO.
[3] "Grundsätze für die Ordnung staatlicher Förderprogramme“, Anlage 1 zu den Organisationsrichtlinien, Bek. der Staatsregierung vom 06.11.2001; AllMBl. S. 634.
[4] LT-Drucksache 17/9523 vom 25.01.2016.
[5] Seit der Prüfung 2007/2008 wurden lediglich Änderungen bezüglich der Antragsfrist für die Bewilligungsanträge vorgenommen.
[6] Nr. 4.6.7 i. V. m. Nr. 2.1 Satz 3 FöGr.
[7] Nr. 4.6.4 FöGr.
[8] Nr. 1 Erläuterung zur TG 69 - 70, Kap. 15 05 und Art. 17 Abs. 4 BayHO.
[9] Richtlinien für die Wahrnehmung und Organisation öffentlicher Aufgaben sowie für die Rechtsetzung im Freistaat Bayern (Organisationsrichtlinien), Bek. der Staatsregierung vom 06.11.2001 (AllMBl. S. 634).
[10] Nr. 5.3.1 FöGr.
[11] Nr. 2.1 Satz 3 FöGr.
[12] Nr. 4.6.4 FöGr.
[13] VV Nr. 1 Satz 2 i. V. m. VV Nr. 6 ff. zu Art. 7 BayHO.
[14] LT-Drucksache 12/2638 Nr. 2a.
[15] LT-Drucksache 17/17326 Nr. 2i.
[16] ORH-Bericht 2017 TNr. 37.5.