TNr. 34: Ausbaupläne für Staatsstraßen

Im Sinne des transparenten Einsatzes staatlicher Straßenbaumittel sollten für eine wirksame Ergebniskontrolle auch die baulichen Ergebnisse mittels ergänzender Parameter einbezogen werden.
Der ORH hat mit dem Staatlichen Rechnungsprüfungsamt Würzburg die Kostenentwicklung und Umsetzung von Maßnahmen des 6. (2001 bis 2010) und 7. (2011 bis 2020) Ausbauplans für Staatsstraßen geprüft.[1] Hierbei wurden die von der OBB übermittelten Datensätze ausgewertet und örtliche Erhebungen an drei Staatlichen Bauämtern durchgeführt. Dabei ging es auch um die Aussagekraft und Transparenz von Ergebniskontrollen zur Ausbauplanung für Staatsstraßen. Der Ausbauplan ist auch Grundlage für den Haushaltsplan.
34.1 Ausgangslage
Der Freistaat ist Baulastträger von 14.000 km Staatsstraßen. Der Ausbauplan für Staatsstraßen stellt die Ausbauziele der Staatsregierung im Staatsstraßenbau maßnahmenbezogen dar. Es handelt sich dabei um ein Programm der Staatsregierung, das vom Ministerrat beschlossen wird. Dieser Beschluss ist für die Staatsverwaltung bindend und stellt den Arbeitsauftrag an die Straßenbauverwaltung dar. Dabei wird auch festgelegt, für welche Projekte in den kommenden Jahren entsprechend der jeweiligen Dringlichkeitsstufe die planerischen sowie rechtlichen Grundlagen zu schaffen sind, damit bei Bereitstellung der erforderlichen Haushaltsmittel die bauliche Umsetzung erfolgen kann.
Die Ausbaupläne haben 10-jährige Laufzeiten und enthalten nach Dringlichkeit gereihte Einzelprojekte. Über die Umsetzung berichtet die OBB dem Ministerrat.
6. Ausbauplan (2001 bis 2010) und 7. Ausbauplan (2011 bis 2020)
Der 6. Ausbauplan wurde zum 01.01.2001 in Kraft gesetzt. Die insgesamt 911 Projekte umfassten ein Investitionsvolumen von 2,1 Mrd. €. Der 7. Ausbauplan wurde zum 01.01.2011 in Kraft gesetzt. Die insgesamt 666 Projekte umfassen ein Investitionsvolumen von 3,2 Mrd. €.
Die Projekte des 6. und 7. Ausbauplans waren in folgende Dringlichkeitsstufen eingeteilt:[2]
Zuerst sind die Projekte der Dringlichkeitsstufen "1UEB“ und "1“ zu realisieren. Diese umfassen in den Planungszeiträumen 2001 bis 2010 und 2011 bis 2020 jeweils ein Investitionsvolumen von 1 Mrd. €, also rechnerisch 100 Mio. € pro Jahr.
34.2 Feststellungen und Würdigungen
34.2.1 6. Ausbauplan
Die OBB ging aufgrund bisheriger Erfahrungen von einem Umsetzungsgrad von 70% des Finanzvolumens aus. Die Ausgaben für die auf der Grundlage des 6. Ausbauplans realisierten Projekte lagen bei durchschnittlich 74,1 Mio. €/Jahr.[3]
34.2.1.1 Umsetzungsgrad
Der ORH ermittelte den Umsetzungsgrad für jede Dringlichkeitsstufe im 10-Jahreszeitraum vom 01.01.2001 bis 31.12.2010.
Die nachfolgende Abbildung 20 zeigt den Umsetzungsgrad des 6. Ausbauplans anhand der drei Kriterien:[4]
- Anzahl der umgesetzten Projekte im Verhältnis zur Anzahl der geplanten Projekte,
- geplante Kosten der umgesetzten Projekte im Verhältnis zu den geplanten Kosten aller Projekte,
- Streckenkilometer der umgesetzten Projekte im Verhältnis zu den geplanten Streckenkilometern aller Projekte.
- Von 168 Projekten in der Dringlichkeitsstufe "1UEB“ wurden 140 (83,3%) realisiert, wobei aber für diese die Bauarbeiten schon vor 2001 begonnen haben. Der Umsetzungsgrad nach den geplanten Kosten beträgt 84,4%.
- In der Dringlichkeitsstufe "1“ wurden 93 (26,4%) von 352 Projekten verwirklicht. Der Umsetzungsgrad nach den geplanten Kosten war mit 18,7% deutlich niedriger.
- Bei zusammengefasster Betrachtung der zwei vordringlichsten Ausbaustufen ("1UEB + 1“) ergeben sich folgende Unterschiede:
- Von 520 Projekten in diesen beiden Stufen wurden 233 (44,8%) realisiert.
- Nach den geplanten Kosten errechnet sich ein Umsetzungsgrad von 40,1%.
- Nach den Streckenkilometern errechnet sich ein Umsetzungsgrad von 40,9%.
34.2.1.2 Ergebnisbericht der OBB zum 6. Ausbauplan
Im Ergebnisbericht 2010 vergleicht die OBB die tatsächlichen Kosten (Ist-Kosten) der realisierten Projekte mit den im Ausbauplan vorgesehenen Gesamtkosten aller darin enthaltenen Projekte. Sie stellte fest, dass bei zusammengefasster Betrachtung der Projekte mit den Dringlichkeiten "1UEB + 1“ ein Umsetzungsgrad von 62,8% des ursprünglich mit 1 Mrd. € angesetzten Finanzrahmens erreicht werde. Unter Berücksichtigung der zusätzlichen Mittel für die Maßnahmen in kommunaler Sonderbaulast[5] werde mit 66% der ursprünglich angestrebte Umsetzungsgrad von 70% des Finanzvolumens fast erreicht. Mit den genannten Mitteln seien in den Jahren 2001 bis 2009 rund 400 km von insgesamt 1.000 km der Projekte der 1. Dringlichkeit fertiggestellt worden.34.2.1.3 Würdigung
Auch wenn die OBB im Ergebnisbericht Aussagen zur realisierten Streckenlänge macht, hält der ORH die Berechnung und die Aussagen zum Umsetzungsgrad für Projekte der Dringlichkeiten "1UEB + 1“ für unzureichend. Im Vordergrund der Darstellung der OBB steht der finanzielle Umsetzungsgrad, der durch einen Vergleich der tatsächlichen Kosten mit den geplanten Kosten ermittelt wurde. Der so errechnete hohe finanzielle Umsetzungsgrad als Bezugsgröße für die Bewertung sagt zu wenig über das Erreichen der baulichen Ziele aus. So führt z.B. bei der von der OBB gewählten Methode jede Kostensteigerung automatisch zu einem höheren Umsetzungsgrad, ohne dass auch nur ein Kilometer Straße mehr gebaut wird. Deswegen empfiehlt der ORH, die Berechnung des finanziellen Umsetzungsgrads umzustellen.
Aus Sicht des ORH bedarf es zudem für eine umfassendere Ergebniskontrolle der Zielerreichung weiterer Parameter.
Für die Projekte der Dringlichkeiten "1UEB + 1“ errechnete der ORH bezogen auf die im 6. Ausbauplan geplanten Kosten einen Umsetzungsgrad von 40,1%.[6] Dies ergibt sich aus dem Verhältnis der Kostenansätze der umgesetzten Projekte zu den geplanten Gesamtkosten. Obwohl bei Weitem nicht 70% der im Ausbauplan vorgesehenen Projekte realisiert wurden, lagen die Kosten mit 74,1 Mio. €/Jahr sogar etwas über den veranschlagten Mitteln.
Auch die Umsetzungsgrade nach der Anzahl der Projekte und der Streckenkilometer bewegen sich mit 44,8 und 40,9% etwa in der gleichen Größenordnung. Der ORH hält es deshalb für sachgerecht und aussagekräftiger, die Umsetzungsgrade zumindest hinsichtlich der Kosten als auch der Anzahl der Projekte und Streckenkilometer transparent darzustellen.
34.2.2 7. Ausbauplan
Der ORH bewertete auch den Stand des 7. Ausbauplans zum Stichtag 31.12.2016. Das heißt, vom 10-jährigen Planungszeitraum bis zum Stichtag wurden 6 Jahre betrachtet.
Um den aktuellen Bearbeitungsstand zu verdeutlichen, erstellte der ORH eine Gesamtauswertung nach Dringlichkeiten.
34.2.2.1 Auswertung nach Dringlichkeiten
Bei Zusammenfassung der Projekte in den Dringlichkeitsstufen "1UEB + 1“ waren nach 6 Jahren 60 von 253 Projekten (23,7%) fertiggestellt. Nach den geplanten Gesamtkosten beträgt der Umsetzungsgrad 19,3%, nach Streckenkilometern 21,0%.
Die nachfolgende Abbildung 21 zeigt den Umsetzungsgrad des 7. Ausbauplans anhand der bereits genannten drei Kriterien.
34.2.2.2 Bericht der OBB über den Stand der Umsetzung des 7. Ausbauplans
In einem Zwischenbericht 2015 stellte die OBB den Stand der Umsetzung des 7. Ausbauplans dar. Die OBB nimmt an, dass - falls die Haushaltsmittel wie bisher zur Verfügung gestellt werden - bis zum Ende der Laufzeit mit einem finanziellen Umsetzungsgrad der Dringlichkeiten "1UEB + 1“ von 60% zu rechnen sei. Dabei legt sie wie zum 6. Ausbauplan einen Vergleich der tatsächlichen Kosten mit den geplanten Kosten zugrunde.
34.2.2.3 Würdigung
Nach übereinstimmender Auffassung mit der OBB ist beim derzeitigen Fortschritt in Verbindung mit der bisherigen Mittelbereitstellung kein höherer Umsetzungsgrad als beim 6. Ausbauplan zu erwarten. Nachdem die OBB den Umsetzungsgrad in gleicher Weise wie beim 6. Ausbauplan ermittelt, hält der ORH die Berechnung und die Aussagen der OBB zum Umsetzungsgrad für Projekte der Dringlichkeiten "1UEB + 1“ auch im 7. Ausbauplan für unzureichend.
34.2.3 Kostenerhöhungen der Projekte im 7. Ausbauplan
34.2.3.1 Feststellungen
Aufgrund teilweiser gravierender Kostensteigerungen auch bei Maßnahmen des 6. Ausbauplans hat die OBB im Jahr 2010 eine Arbeitsgruppe "Kostenkontrolle“ eingerichtet. Erstmals seit 2011 wurden Regelungen im Interesse höherer Kostensicherheit eingeführt. Außerdem wurde die Zahl der Projekte im 7. Ausbauplan um ein Viertel reduziert.
Der Vergleich der aktuellen Kosten[7] mit den im 7. Ausbauplan geplanten Kosten zeigt je nach Dringlichkeitsstufe unterschiedliche Kostenerhöhungen.
Bei den bis 31.12.2016 fertiggestellten und in Bau befindlichen Projekten der beiden höchsten Dringlichkeitsstufen ("1UEB + 1“) stiegen die Kosten um 34,5%. Bei 3 von 33 in Bau befindlichen Projekten haben sich die aktuellen Kosten mehr als verdoppelt. Bei 17 Projekten haben sie sich um mehr als die Hälfte erhöht.
34.2.3.2 Würdigung
Der ORH erkennt die Bemühungen der OBB um eine realistischere Planung und Kostenannahme an. Dies sind wichtige Voraussetzungen für die zuverlässige Abfinanzierung und weitestmögliche Umsetzung des Ausbauplans für Staatsstraßen. Trotz der von der OBB eingeleiteten Schritte kam es weiterhin zu erheblichen Kostensteigerungen.
Die OBB sollte daher die Bemühungen fortsetzen bzw. intensivieren, bei der Aufstellung zum 8. Ausbauplan zu belastbareren Kostenschätzungen zu kommen.
34.2.4 Ergebniskontrolle der Ausbaupläne für Staatsstraßen
34.2.4.1 Berichte der OBB
Zum Ende der Laufzeit des 6. Ausbauplans für Staatsstraßen (31.12.2010) stellte die OBB lediglich den Abwicklungsstand dar. Nach eigenen Angaben wurde keine Erfolgskontrolle durchgeführt.
Über den Zwischenstand der Umsetzung zum 7. Ausbauplan (Auswertungszeitpunkt: 31.07.2015) berichtete die OBB im Jahr 2015.
34.2.4.2 Würdigung
Ergebniskontrolle ist ein wesentliches haushaltsrechtliches Instrument; sie ist durchzuführen. Dabei gilt der Grundgedanke von Transparenz und Klarheit auch bei der Darstellung des Umsetzungsgrads für den Ausbauplan.
Im Interesse einer besseren Grundlage für künftige Haushaltsplanungen und höherer Überzeugungswirkung künftiger Ausbauplanungen sollten weitere Indikatoren in die Berechnung einbezogen werden, darunter zumindest die Anzahl der umgesetzten Projekte und die gebauten Streckenkilometer. Die von der OBB gewählte vorrangig fiskalische Betrachtung reicht aus Sicht des ORH nicht aus.
34.3 Stellungnahme der Verwaltung
6. und 7. Ausbauplan
Zur Darstellung des Umsetzungsgrads habe sich die OBB wie in der Vergangenheit grundsätzlich auf die Betrachtung der tatsächlichen umgesetzten Investitionen bezogen. Sie erachte dies aus nachstehend genannten Gründen auch weiterhin für sinnvoll.
Würde man den Erfolg des Ausbauplans allein anhand der umgesetzten Maßnahmenanzahl und Streckenlängen festmachen, müsste die Staatsbauverwaltung im Umkehrschluss bei der strategischen Abarbeitung des Ausbauplans auf kostenintensive, aber raumwirksame und verkehrswichtige Großprojekte gänzlich verzichten und die verfügbaren Ressourcen ausschließlich auf kleinere, kostengünstige und einfach zu realisierende Projekte konzentrieren, um eine möglichst hohe Projektzahl und Streckenlänge realisieren zu können. Anzustreben sei jedoch, auch künftig mit den realisierten Investitionen einen möglichst hohen verkehrlichen, raumordnerischen und gesamtwirtschaftlichen Nutzen erzeugen zu können. Dies sei jedoch nur möglich, wenn man sich in gebotenem Umfang auch auf Projekte mit hohem Nutzen, also einer hohen Wirksamkeit konzentriere. Das seien in der Regel aufwendige und teure Neubauprojekte sowie Ortsumgehungen und Verlegungen. Eine pauschale, maßnahmenbezogene Ermittlung nach gebauter Streckenlänge und Projektanzahl sei aus Sicht der OBB nicht zweckmäßig.
Die OBB erachte die tatsächlich im Staatsstraßennetz umgesetzten Investitionen als maßgebendes Kriterium und damit weiterhin als zweckmäßige und aussagefähige Bezugsgröße für die Beurteilung des "Erfolgs“ des Ausbauplanes. Die Formulierung, wonach "jede Kostensteigerung rechnerisch zu einem besseren Umsetzungsgrad“ führe, halte die OBB für unzutreffend.
Kostensteigerungen
Für mehr Kostensicherheit und -verlässlichkeit seien in den letzten Jahren eine Reihe von Maßnahmen initiiert worden. Die Vorschläge des ORH aus dem Prüfbericht seien mittlerweile im Rahmen der Planungsprozesse weitestgehend berücksichtigt. Insofern rechne die OBB mittelfristig damit, dass die teilweise große Diskrepanz zwischen vorab berechneten Kosten in Vorentwürfen und tatsächlich abgerechneten Baukosten nach Fertigstellung abgebaut werden könne und damit eine verlässlichere Finanzplanung gewährleistet werde. In der Abarbeitung des 7. Ausbauplans werde durch eine fortlaufende Betrachtung der Projektkosten sichergestellt, dass das Nutzen-Kostenverhältnis der Projekte möglichst nicht unter die rechnerische Grenze der Bauwürdigkeit falle.
Erfolgskontrollen
Bereits heute würden fortlaufend Erfolgskontrollen im Zuge des Planungsprozesses durchgeführt. Wenn sich die Planung im Vergleich zum Ausbauplan grundlegend ändere oder sich die Kosten deutlich erhöhen, werde die Bauwürdigkeit neu überprüft. Dem Ministerrat werde jeweils zur Halbzeit und zum Ende der Laufzeit über den Stand der Umsetzung des Ausbauplans berichtet. Das umgesetzte Finanzvolumen werde dabei weiterhin als zweckmäßige und aussagefähige Bezugsgröße erachtet.
34.4 Schlussbemerkung
Der ORH sieht seine Feststellungen nicht widerlegt, wonach bei der von der OBB gewählten Berechnungsmethode jede Kostensteigerung automatisch zu einem höheren finanziellen Umsetzungsgrad führt. Dazu führt die OBB kein Argument an. Zwar berücksichtigt die Berechnungsmethode der OBB die tatsächlichen Kosten, sie führt aber zu einer Fehleinschätzung hinsichtlich des Umsetzungsgrads. Der ORH empfiehlt daher, dass bei der Ergebniskontrolle die Berechnung des finanziellen Umsetzungsgrads umgestellt wird. Im Sinne des transparenten Einsatzes staatlicher Straßenbaumittel sollten auch die baulichen Ergebnisse mittels ergänzender Parameter einbezogen werden.
[2] Das Projekt Flughafentangente Ost (FTO) zur Verbesserung der Straßenerschließung des Flughafens München ("Dringlichkeitsstufe GES“) mit 57 Mio. € wurde außerhalb des Verteilungsschlüssels als Vorwegabzug finanziert. Die nachstehenden Betrachtungen werden deshalb - wie in der Ministerratsvorlage vom 29.07.2010 - ohne Berücksichtigung der FTO geführt.
[3] Ausgaben für ÖPP-Projekte sind darin nicht enthalten.
[4] Die Angaben zu den geplanten Kosten und den geplanten Streckenkilometerlängen wurden dem 6. bzw. dem 7. Ausbauplan entnommen.
[5] Programm für Baumaßnahmen an Staatsstraßen; durchgeführt von Kommunen und gefördert nach Art. 13 f FAG (z.B. für Ortsumgehungen oder Änderungen bestehender Kreuzungen).
[6] Vgl. Abb. 20 letzte Spalte.
[7] Daten der OBB zum 7. Ausbauplan (Stand 31.12.2016).