Jahresbericht 2018

TNr. 54: Anerkennungskriterien und Fördervoraussetzungen für Umweltstationen

Insektenhotel; Bild: Karina Baumgart - stock.adobe.com
Das Umweltministerium hält sich bei der Anerkennung und Förderung der Umweltstationen nicht an seine Förderrichtlinien und prüft deren Einhaltung unzureichend.


Der ORH empfiehlt dringend, das Förderprogramm zu evaluieren und die Förderrichtlinien zu überarbeiten.

Der ORH hat 2016 und 2017 zusammen mit den Staatlichen Rechnungsprüfungsämtern Ansbach und Würzburg die Einhaltung der Anerkennungskriterien und der Fördervoraussetzungen für Umweltstationen (UWS) beim Umweltministerium geprüft. Prüfungsschwerpunkt war zudem, ob die damit verfolgten Ziele unter Beachtung des haushaltsrechtlichen Gebots der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit erreicht wurden. Die Prüfung erfolgte an den 7 Regierungen und bei 25 staatlich anerkannten UWS.


54.1 Ausgangslage

UWS werden seit 1996 als multifunktionale Einrichtungen der Umweltbildung gefördert.[1] Ziel der UWS ist es, vor allem im außerschulischen Bereich Umweltbewusstsein und Handlungskompetenz bei Bürgern aller Altersstufen zu entwickeln. Hierzu soll gemäß der Förderrichtlinien (FöR) ein räumlich ausgewogenes, flächendeckendes Netz von UWS für eine wohnortnahe Umweltbildung errichtet, betrieben und stabilisiert werden. Umweltbildung bieten auch Einrichtungen in Naturparks, Biosphärenreservaten oder Nationalparks an.

Der Freistaat gewährt nach Maßgabe der FöR und der allgemeinen haushaltsrechtlichen Bestimmungen[2] an UWS Zuwendungen für die Erst-, Ergänzungs- und Ersatzausstattungen sowie die Durchführung von Projekten. Voraussetzung der Förderung einer UWS ist, dass das Umweltministerium sie zuvor staatlich anerkennt. Im Haushaltsplan 2015/2016 waren für die Einrichtung und den Betrieb von UWS jährlich 1,8 Mio. € veranschlagt; im Doppelhaushalt 2017/18 sind es 2 bzw. 1,8 Mio. €.

2014 hatte der Ministerrat beschlossen, das Netz der damals 50 staatlich anerkannten UWS zu erweitern.[3] Derzeit sind 54 UWS in Bayern vom Umweltministerium anerkannt. Darüber hinaus vergibt das Ministerium ein Qualitätssiegel für Einrichtungen, Netzwerke und Selbstständige der Umweltbildung in Bayern, die hochwertige Veranstaltungen anbieten. Unter Berücksichtigung der UWS gibt es rd. 130 Träger dieses Qualitätssiegels.[4]

Das Umweltministerium plant künftig in jedem der 71 Landkreise und in jeder der 25 kreisfreien Städte mindestens eine UWS.[5]


54.2 Feststellungen


54.2.1 Zielsetzung und Stand der Umsetzung

2016 verteilten sich die 54 staatlich anerkannten Umweltstationen auf 34 der 71 Landkreise und auf 8 der 25 kreisfreien Städte.

Abb 33
Vor allem in der Rhön, in Westmittelfranken, im südlichen Oberbayern, in Mittelschwaben und in weiten Teilen Niederbayerns sind UWS nur vereinzelt vorhanden. In mehreren Landkreisen und kreisfreien Städten befinden sich dagegen bis zu vier Umweltstationen, teilweise in relativ engem Umkreis. Das Umweltministerium erkennt nach der derzeitigen Verwaltungspraxis auch neue geeignete Bewerber an, wenn sich in der Nähe bereits eine UWS befindet.

Eine Evaluierung des Förderprogramms und der seither eingerichteten UWS fand bisher nicht statt. Ein auf einer Bedarfsanalyse basierendes Konzept, wie, bis wann und mit wie vielen UWS ein ausgewogenes Netz für eine wohnortnahe Umweltbildung erreicht werden soll, hat das Umweltministerium nicht vorgelegt.


54.2.2 Kriterien zur Anerkennung und beabsichtigte Fortschreibung

Eine Umweltbildungseinrichtung muss nach den FöR[6] den im Folgenden behandelten Kriterien entsprechen. Schriftliche Ausführungs- bzw. Auslegungshinweise hat das Umweltministerium zu diesen Kriterien nicht getroffen. Auch die Vollzugshinweise des Umweltministeriums[7] enthalten keine Regelungen dazu:


54.2.2.1 Ganzjährige, uneingeschränkte Zugänglichkeit

Bei vier Einrichtungen war ein Zugang grundsätzlich nur nach Entrichtung eines Eintrittsentgelts möglich. Manche Stationen waren nur tageweise bzw. nicht ganztags geöffnet. Bei einer UWS war der Zugang nur nach Voranmeldung bzw. nicht ganzjährig möglich.


54.2.2.2 Eigenständige Organisation und Personalmindestausstattung

Laut FöR müssen UWS eine eigenständige Organisationseinheit (Personal/Etat) sein. Einige UWS hatten keinen eigenen Etat.

Die UWS müssen über mindestens einen hauptberuflich dauerhaft und in Vollzeit Beschäftigten oder zwei entsprechende Teilzeitkräfte verfügen.[8] Mehrere Einrichtungen konnten über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr keine entsprechenden Mitarbeiter vorweisen oder beschäftigten Honorarkräfte. Verschiedentlich wurde die geforderte Vollzeitstelle nur durch die anteilige Beschäftigung von mehr als zwei Vollzeit- bzw. Teilzeitkräften nachgewiesen.


54.2.2.3 Geeignetes Außengelände in angemessener Entfernung

Laut FöR muss die UWS handlungsorientiertes Lernen ermöglichen und hierfür auch ein geeignetes Außengelände einsetzen, das in angemessener Entfernung zur Verfügung steht.[9] Einige UWS nutzten allgemein zugängliches Gelände, wie z. B. Grünanlagen, Wälder oder Ufergelände in der Umgebung. Die Auslegung der FöR zu diesem Kriterium reichten seitens der UWS wie auch der Regierungen vom "selbst gestalteten Gelände am Haus“ über ein "allgemein zugängliches Gelände, das mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht werden kann“, bis zu einem "Außengelände, das relativ weit von den Büroräumen entfernt ist“.


54.2.2.4 Zielgruppen

Die FöR[10] legen fest, dass "die Umweltbildungseinrichtung sich der Umweltbildung und Bildung zur nachhaltigen Entwicklung sowohl bei Kindern und Jugendlichen (im schulischen und außerschulischen Bereich) als auch bei Erwachsenen widmet. Die Bildung von Schwerpunkten bei bestimmten Zielgruppen und Milieus ist möglich“.

Das Umweltministerium führte für die Träger des Qualitätssiegels, zu denen auch fast alle UWS zählen, eine Teilnehmerstatistik. Bis auf zwei meldeten die UWS ihre Gesamtteilnehmerzahlen jährlich an das Umweltministerium. Für die einzelnen Förderprojekte lagen keine konkreten Zahlen bezüglich Teilnehmern und Zielgruppen vor.

Die Auswertung der Teilnehmerstatistik[11] der Qualitätssiegelträger 2014 und 2015 ergibt: Neun UWS schulten in den Jahren 2014 und 2015 aus bestimmten Zielgruppen (Kinder, Jugendliche, Erwachsene) keine bzw. nur eine geringe Zahl an Teilnehmern (0 bis 28 Teilnehmer). Sieben UWS sahen in den Jahren 2014 und 2015 kein Bildungsangebot für Teilnehmer aus einzelnen, von der FöR geforderten Zielgruppen vor.


54.2.3 Überprüfung anerkannter UWS

Eine staatlich anerkannte UWS verliert gemäß den FöR ihren Status, wenn sie länger als zwölf Monate ein Kriterium nicht erfüllt. Die Anerkennungskriterien wurden seit 2007 im zweijährigen Turnus von den jeweils zuständigen Regierungen mittels einer Selbstauskunft per Formular geprüft. Auf diesem Weg hatten im untersuchten Zeitraum alle UWS durch "Ankreuzen“ in den Formularen angegeben, dass sie die Anforderungen erfüllt hätten. Eine Kontrolle vor Ort fand nicht statt.

Im Jahr 2014 wurde einer UWS nach Überprüfung durch das Umweltministerium der Status aberkannt. Der ORH stellte fest, dass über ein Drittel der 25 geprüften UWS ein bestimmtes Kriterium nicht erfüllten.


54.3 Würdigung

Das Ziel einer räumlich ausgewogenen, flächendeckenden UWS-Versorgung ist bislang nicht erreicht. Vor diesem Hintergrund sieht es der ORH kritisch, dass weitere UWS im zum Teil sogar sehr engen Umgriff von wenigen Kilometern bereits bestehender UWS anerkannt und gefördert wurden.

Die gegenwärtige Praxis entspricht schon bei der Anerkennung von UWS nicht den Zielvorgaben und dem Zweck der Richtlinien. Eine stringente Anwendung und Kontrolle der Anerkennungskriterien fehlt. Der ORH sieht kritisch, dass das Umweltministerium keine förderrechtlichen Konsequenzen gezogen hat, selbst wenn bei bestehenden UWS die Anerkennungskriterien eindeutig nicht erfüllt waren.

Der ORH empfiehlt, die Förderung der UWS hinsichtlich der grundsätzlichen Zielrichtung und des Bedarfs an neuen Umweltbildungseinrichtungen zu evaluieren. Die FöR sind auf Basis dieser Evaluierung anzupassen. Nötig sind Indikatoren, die geeignet sind, die in den Richtlinien gesteckten Ziele zuverlässig zu überprüfen.


54.4 Stellungnahme der Verwaltung

Nach Auffassung des Umweltministeriums legt der ORH die Förderrichtlinien zu restriktiv aus. Das Umweltministerium kündigt allerdings eine Überarbeitung der Förderrichtlinien an. Es stimmt mit dem ORH überein, dass die derzeit geltenden Förderrichtlinien einige unklare Bestimmungen enthalten, die zur Vermeidung von Missverständnissen konkretisiert werden müssen bzw. auch entfallen können. Die turnusmäßigen Prüfungen der Anerkennungskriterien sollen künftig detaillierter erfolgen.

Der von der Staatsregierung beschlossene flächendeckende Ausbau an staatlich anerkannten Umweltstationen ist nach Auffassung des Umweltministeriums eine langfristige Aufgabe in Abhängigkeit von den zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln und dem Vorhandensein geeigneter Träger derartiger Umweltstationen.

Das Umweltministerium hält an seiner Auffassung fest, dass es sinnvoll sein kann, mehrere UWS je Landkreis anzuerkennen. Allerdings sollten dabei unterschiedliche Schwerpunkte in der Bildungsarbeit und keine Konkurrenzsituationen entstehen. Zugleich würden auch besondere Aspekte wie z. B. Bevölkerungszahl in Ballungsräumen, Bildungsangebote für überregionale Zielgruppen sowie das Vorhandensein von Biosphärenreservaten oder Nationalparks mitberücksichtigt.

In den beiden Biosphärenreservaten Berchtesgadener Land und Rhön sowie in den beiden Nationalparks Bayerischer Wald und Berchtesgaden führen die dafür zuständigen Stellen umfangreiche Umweltbildungsmaßnahmen durch. Im Bereich dieser vier Umweltbildungseinrichtungen erscheine der Bedarf an einer eigenständigen UWS derzeit nachrangig.

Der Bedarf für eine UWS würde bei Eignung unter Einbeziehung bereits vorhandener Umweltbildungseinrichtungen im Einzelfall ermittelt.


54.5 Schlussbemerkung

Die Verwaltung ist gefordert, bei Verstoß gegen die Fördervoraussetzungen förderrechtliche Konsequenzen zu prüfen und ggf. den Status als UWS abzuerkennen. Angesichts offensichtlicher Richtlinienverstöße weist der ORH zurück, die Förderrichtlinien würden durch die Rechnungsprüfung zu restriktiv ausgelegt. Mit Blick auf das Gebot eines wirtschaftlichen und sparsamen Mitteleinsatzes sieht der ORH kritisch, dass die Verwaltung bislang keine förderrechtlichen Konsequenzen ziehen will bzw. teilweise auch nicht ziehen kann, da die Anerkennungskriterien unklar formuliert sind und auch nicht stringent kontrolliert wurden. Der ORH empfiehlt, die Förderung der UWS ergebnisoffen zu evaluieren und die Förderrichtlinien neu zu fassen.

 


[1] Richtlinien für die Förderung von Umweltstationen vom 19.12.2014 (AllMBl. 2015, S. 38).
[2] Insbesondere Art. 23 und 44 BayHO.
[3] Bayerische Staatsregierung: NaturVielfalt Bayern Biodiversitätsprogramm Bayern 2030, Oktober 2014.
[4] www.umweltbildung.bayern.de/qualitätssiegel (abgerufen am 16.02.2018).
[5] Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz: "Scharf: Umweltbildung in Bayern wird ausgebaut“, Pressemitteilung Nr. 2/17 vom 17.01.2017.
[6] Nr. I. 4 FöR.
[7] UMS vom 19.12.2014 Gz. 66b-U8040-2014/117-2.
[8] Nr. I. 4 FöR.
[9] Nr. I. 4 Abs. 2 Spiegelstrich 6 FöR.
[10] Nr. I 4 Abs. 2 Spiegelstrich 4 FöR.
[11] Jahresstatistik der Qualitätssiegelträger 2014 und 2015.