Jahresbericht 2018

TNr. 48: Förderprogramm zur Energiewende

Geothermie-Anlage; Bild: Andy Ilmberger - stock.adobe.com
Die Energiewende ist eines der großen Zukunftsprojekte. Das erfordert auch unter Haushaltsgesichtspunkten zielorientiertes Handeln, transparente Darstellung und nachvollziehbare Begründungen. Dem wird das Wirtschaftsministerium bislang nicht im erforderlichen Umfang gerecht.

Der ORH hat gemeinsam mit den Staatlichen Rechnungsprüfungsämtern Augsburg und Bayreuth insbesondere Förderschwerpunkte zur Umsetzung der Energiewende für den Zeitraum 2011 bis 2015 geprüft.


48.1 Ausgangslage

Im März 2011 hat die Bundesregierung den schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie bis 2022 und den Umbau der Energieversorgung beschlossen. Die zentralen energiepolitischen Rahmenbedingungen werden vom Bund gesetzt. Das Bundeswirtschaftsministerium hat umfangreiche Fördermittel für Maßnahmen im Energiebereich bereitgestellt, z. B. 2014 knapp 2,9 Mrd. €.[1] Die Schwerpunkte liegen im Bereich der Forschung und Entwicklung von Energieeffizienztechnologien und erneuerbaren Energien.

Auch die Umsetzung der Energiewende in Bayern hat den schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie und den Umbau der Energieversorgung zu einem effizienten und überwiegend auf erneuerbare Energien gestützten Versorgungssystem zum Ziel. Vordringlich ist dabei eine "sichere, bezahlbare und umweltverträgliche Energieversorgung“.[2]

Seit 2013 bündelt die Staatsregierung die Zuständigkeiten für die Energiewende im Wirtschaftsministerium. Dies umfasst auch Teilbereiche, für die bisher das Umwelt- und das Landwirtschaftsministerium zuständig waren.[3] Die Ausgabebefugnis (Ist-Ausgaben und Ausgabereste) bei Kap. 07 05 TG 75 - 78 ("Förderung von Maßnahmen im Energiebereich“) belief sich z. B. 2014 auf 50,9 Mio. € und stieg 2015 auf 60,8 Mio. €.

Der Endenergieverbrauch verteilt sich auf die Bereiche Strom, Wärme und Verkehr. Im Jahr 2014 haben sich für Bayern folgende Anteile ergeben:

Abb 26
Das 2011 vorgelegte "Bayerische Energiekonzept“ ("Energie innovativ“) basierte auf dem Endenergieverbrauch. Nach diesem sollte sich die bayerische Stromversorgung künftig überwiegend auf erneuerbare Energien stützen.

Im November 2014 startete das Wirtschaftsministerium einen breit angelegten Erfahrungsaustausch mit allen gesellschaftlich relevanten Kräften. Dessen Ergebnisse wurden im "Energiedialog Bayern“ zusammengefasst. Sie bildeten die Grundlage für die Fortschreibung des "Bayerischen Energiekonzepts“ als "Bayerisches Energieprogramm“ im Oktober 2015.[4]


48.2 Transparenz und Zielsetzung

Im Sinne einer wirksamen Erfolgskontrolle ist Transparenz geboten, damit bei finanzwirksamen Programmen und Maßnahmen Wirkungszusammenhänge, Wirtschaftlichkeit und Zielerreichung mess- und identifizierbar sind. Eine erschwerte Erfolgskontrolle kann sich auch haushalterisch negativ auswirken.[5]


48.2.1 Bayerisches Energiekonzept und Bayerisches Energieprogramm


48.2.1.1 Feststellungen

Ziel des "Bayerischen Energiekonzepts“ war es, "den volks- und energiewirtschaftlich besten Mix eines umweltverträglichen und von Bürgern akzeptierten Ausbaus erneuerbarer Energien voranzutreiben“.[6] Konkrete und messbare Ziele, die bis zum Jahr 2021 erreicht werden sollten, wurden im Energiekonzept anhand des Stromverbrauchs dargestellt.

Basis des "Bayerischen Energieprogramms“ 2015 ist nicht mehr der Stromverbrauch, sondern die Bruttostromerzeugung. Gleichzeitig verschob das Wirtschaftsministerium die Zielmarke um vier Jahre auf 2025.

Das Energieprogramm ist derzeit überwiegend auf den Strom fokussiert. So haben z. B. zwei von drei Säulen ("Nachhaltige Stromerzeugung“, "Notwendiger Stromtransport“), auf denen die bayerische Energiewende beruht, einen ausschließlichen Bezug zum Strom. Allein die dritte Säule bezieht sich allgemein auf die "effiziente Verwendung von Energie“. Das Thema "Wärme“, das mehr als 50% des Endenergieverbrauchs ausmacht (vgl. Abbildung 26), wird nicht mit konkreten Zielen unterlegt. Im Bereich Verkehr, einschließlich der Elektromobilität, fehlen diese ebenfalls.


48.2.1.2 Würdigung

Mit dem Wechsel der Bezugsgröße von Stromverbrauch zu Bruttostromerzeugung erschwert das Wirtschaftsministerium eine Erfolgskontrolle: Mögliche Fortschritte bei der Energiewende in den Jahren 2011 bis 2015 sind mangels direkter Vergleichbarkeit nicht transparent. Nur mit erheblichem Aufwand wird erkennbar, ob die im ursprünglichen Konzept vorgesehenen Ziele bis 2021 auch tatsächlich realisiert werden können. Ein Abgleich mit den quantitativen Zielen der Energiewende des Bundes, der den Verbrauch als Bewertungsgrundlage heranzieht, ist ebenfalls nur erschwert möglich: Der letzte Monitoring-Bericht des Bundeswirtschaftsministeriums[7] bemisst die quantitativen Ziele der Energiewende am Energieverbrauch, nicht an der Energieerzeugung. Zudem trägt das Verschieben der Zielmarke von 2021 auf 2025 nicht zur Transparenz bei. Das Ministerium sollte deshalb seine Zahlen zur besseren Vergleichbarkeit auch auf Basis des Stromverbrauchs fortschreiben.

Das Wirtschaftsministerium verfolgt seine mit dem "Bayerischen Energieprogramm“ gesetzten Ziele unzureichend. Laut diesem Programm dürfe die Energiewende nicht nur auf eine Stromwende reduziert werden. Sie sei auch eine Wärmewende und müsse ebenfalls den Verkehrssektor als großen CO2-Emittenten mit einbeziehen.[8] Das spiegelt sich in der näheren Ausgestaltung des Energieprogramms nicht ausreichend wider.


48.2.2 Ziele beim Ausbau erneuerbarer Energien


48.2.2.1 Feststellungen

Im "Bayerischen Energieprogramm“ stellt das Wirtschaftsministerium den Stand der Bruttostromerzeugung für den Zeitraum 2010 bis 2014 sowie die für das Jahr 2025 anvisierten Ziele bei den erneuerbaren Energien dar.

Tabelle 55
Laut dem "Bayerischen Energieprogramm“[9] werde sich bis 2025 eine signifikante Erhöhung des relativen Anteils aller erneuerbaren Energien an der Bruttostromerzeugung ergeben:[10] Nach obiger Darstellung verdoppeln sich die Anteile von Wasserkraft und Photovoltaik, die der Windenergie verdreifachen sich fast. Bei der Bioenergie belaufe sich die Steigerung auf über 50%.

Die Anteile der erneuerbaren Energien an der Stromversorgung erhöhen sich allerdings allein rechnerisch. Dies ist jedoch nicht mit einer tatsächlichen Steigerung der Erzeugung gleichzusetzen. Hintergrund für diesen rechnerischen Effekt ist, dass mit der Abschaltung der letzten Atomkraftwerke 2022 rd. 42% der Bruttostromerzeugung in Bayern wegfallen werden.[11]

Im "Energiedialog Bayern“ wurde auf die begrenzten Potenziale zur Steigerung der erneuerbaren Energien hingewiesen: Der Wasserkraftnutzung wurde aufgrund ökologischer Anforderungen bis 2021 eine Steigerung von weniger als 10% zugerechnet.[12] Ähnliches galt für die Stromerzeugung durch Photovoltaik.[13] Das Steigerungspotenzial der Bioenergie wurde auf knapp 10% eingeschätzt. Außerdem lässt der seit 2015 zu verzeichnende Rückgang der Anträge und erteilten Genehmigungen für Windenergieanlagen kein Steigerungspotenzial bei der Windenergie erwarten.


48.2.2.2 Würdigung

Die sich aus dem "Bayerischen Energieprogramm“ ergebenden Steigerungsraten bei der Bruttostromerzeugung stehen im Widerspruch zu den im "Energiedialog Bayern“ dargestellten Potenzialen und beruhen allein auf dem (rechnerischen) Basiseffekt.

Wie die Ziele des Bayerischen Energieprogramms in diesem Bereich erreicht werden sollen, bleibt intransparent.


48.3 Förderschwerpunkte


48.3.1 Feststellungen


48.3.1.1 Abstimmung mit dem Bund

Der Bund fördert mit zahlreichen Aktivitäten die Umsetzung der Energiewende. Ein institutionalisiertes Verfahren zum gegenseitigen Erfahrungsaustausch sowie zur Abstimmung gibt es nicht.


48.3.1.2 Freistaat Bayern

Zur Unterstützung der Energiewende wurden die Ausgabemittel bei Kap. 07 05 TG 75 - 78 deutlich erhöht. Von 2011 (7,4 Mio. €) bis 2015 (40,5 Mio. €) stiegen sie um mehr als das 5-Fache.

Bezogen auf die Ausgabebefugnis (Ist-Ausgaben und Ausgabereste) erhöhten sich die Mittel im selben Zeitraum insgesamt von 6,5 Mio. € in 2011 auf 60,8 Mio. € in 2015; davon waren 41,5 Mio. € Ausgabereste. Die Ausgabebefugnis hatte sich um mehr als das 9-Fache erhöht; die Ausgabereste waren um das 13-Fache angestiegen.

Abb 27
Auch in anderen Bereichen war diese Entwicklung feststellbar. So flossen beispielsweise beim Bayerischen Forschungsprogramm "Elektromobilität“ (Bay-EMO)[14] 2009 bis 2013[15] weniger als ein Drittel der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel ab. Hier wurden von 12,1 knapp 3,5 Mio. € ausgegeben.

2012 bis 2015 wurden beim Programm "Infrakredit Energie“[16] im Bereich Energieeinsparung Darlehenszusagen über 4,1 Mio. € erteilt. 2015 wurden insgesamt 6 Anträge mit einem Darlehensvolumen von 1,2 Mio. € gestellt, hierzu erfolgten 4 Zusagen mit einem Darlehensvolumen von 1,1 Mio. €. 2016 war es ein Antrag über 82.000 €. Trotz dieser geringen Nachfrage wurde für 2015 ein Darlehensvolumen von 23 Mio. € und für 2016 von 42 Mio. € eingeplant.[17]

Die Tiefengeothermie bietet laut "Energiedialog Bayern“ langfristig im Wärmebereich ein großes Potenzial mit hoher regionaler Bedeutung. Zur Stromversorgung könne sie aber nur einen kleinen Beitrag leisten. Künftig müssten hier verstärkt Reservoire ausgenutzt werden.[18] Tatsächlich wurde der jährliche Haushaltsansatz für die Tiefengeothermie-Wärmenetze[19] von ursprünglich 3 auf 1 Mio. € reduziert.


48.4 Würdigung

Im Sinne eines effektiven Fördermitteleinsatzes sollte eine intensivere Abstimmung mit den Aktivitäten des Bundes erfolgen.[20] Dies könnte zur Optimierung des Mitteleinsatzes führen.

Der überproportionale Anstieg von Ausgaberesten zeigt, dass die zur Verfügung gestellten Fördermittel wenig in Anspruch genommen werden.[21] Dies wertet der ORH als Indiz dafür, dass die Förderprogramme zu wenig auf förderwürdige Ziele ausgerichtet sind. Nicht verständlich ist, warum bei einem Programm ("Infrakredit Energie“) mit einer sinkenden Nachfrage erheblich aufgestockt worden ist. Allein die Erhöhung der Fördermittel führt nicht automatisch zu einem Erfolg.

Das Wirtschaftsministerium sollte den Einsatz von Haushaltsmitteln bedarfsgerecht planen und seine Förderung stärker auf die von ihm selbst favorisierten bayernspezifischen Maßnahmen konzentrieren. Dies gilt z. B. für die Förderung der Tiefengeothermie-Wärmenetze, bei der aber die Mittel drastisch reduziert worden sind. Dabei hat das Wirtschaftsministerium gefordert, dass "das wirtschaftliche und umweltverträgliche Tiefengeothermiepotenzial vollständig ausgeschöpft werden soll, wodurch rd. 1% des bayerischen Wärme- und Strombedarfs gedeckt werden kann“.[22]


48.5 Stellungnahme der Verwaltung

Das Energieprogramm 2015 diene nicht der Fortschreibung des Energiekonzepts 2011, sondern sei als Maßnahmenprogramm im Hinblick auf wichtige Weichenstellungen in der deutschen und bayerischen Energiepolitik zu verstehen. Das Energiekonzept 2011 und das Energieprogramm 2015 seien jedes für sich eigenständig.

Der Wechsel der Bezugsgrößen vom Stromverbrauch zur Stromerzeugung sei sachlich begründet, da Ausbauziele einzelner Erzeugungsarten konsequenterweise an der Produktion und nicht am Verbrauch gemessen werden müssten. Die Verwaltung verweist ferner darauf, dass auch andere Länder und der Bund ihre Ziele mittlerweile auf Erzeugungsbasis auswiesen.

Aufgrund des Umbauprozesses bei der Energieversorgung liege der vordringliche Handlungsbedarf klar im Strombereich. Die Umstellung auf regenerative Energien sei aktuell vom Sektor Strom getrieben, dem die Schlüsselrolle zukomme. Deshalb sei es sinnvoll, diesen Bereich, der mit dem Ausstieg aus der Kernenergie den größten Veränderungen unterliege, besonders intensiv zu bearbeiten. Sowohl im Wärme- wie auch im Verkehrssektor sei zu erwarten, dass bisher fossile Energiequellen durch Strom ersetzt würden. Bei weiteren Fortschreibungen werde zu prüfen sein, ob der Elektromobilität größerer Raum einzuräumen sei.

Der Großteil der Ausgabereste stamme vom Energieforschungsprogramm; hier kämen bei den Vorhaben häufig technische Schwierigkeiten nach Vorhabensbeginn vor. Dann verzögerten sich die Vorhaben erheblich oder müssten vorzeitig beendet werden. Allerdings handele es sich nicht um freie Ausgabereste. Die Mittel seien bereits verplant.

Die LfA Förderbank habe das Darlehenskontingent des "lnfrakredit Energie“ mittlerweile von sich aus entsprechend der Nachfrage angepasst und von 41,7 auf 7,8 Mio. € reduziert. Die Mittelkürzung bei der Tiefengeothermie beruhe auf Haushaltserwägungen; es sei beabsichtigt nachzusteuern.

Darüber hinaus weist das Wirtschaftsministerium darauf hin, dass es die Sektoren Wärme und Verkehr künftig deutlich stärker berücksichtigen werde.

Der LfA wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben; deren aktualisierte Zahlen wurden übernommen.


48.6 Schlussbemerkung


Die mangelnde Nachfrage nach den bayerischen Programmen zeigt sich an den hohen Ausgabenresten; das Wirtschaftsministerium konnte den Nachweis nicht erbringen, dass diese verplant sind.[23]

Ein faktenbasierter Überblick über den Fortschritt der Umsetzung des Bayerischen Energieprogramms fehlt.

Die Energiewende ist eines der großen Zukunftsprojekte. Das erfordert auch unter Haushaltsgesichtspunkten zielorientiertes Handeln, transparente Darstellung und nachvollziehbare Begründungen. Dem wird das Wirtschaftsministerium bislang nicht im erforderlichen Umfang gerecht.

 


[1] Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2014 vom 15.07.2014, Anlage Bundeshaushaltsplan Kap. 09 03, S. 1.139.
[2] Bayerisches Staatministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie: Bayerisches Energieprogramm, S. 19 (Stand Oktober 2015).
[3] Mitteilung zur Bestimmung der Zahl und der Abgrenzung der Geschäftsbereiche - Art. 49 BV, LT-Drucksache 17/8 vom 10.10.2013.
[4] Bayerisches Energieprogramm, S. 19 (Stand Oktober 2015).
[5] Vgl. VV Nr. 1 Satz 2 i. V. m. VV Nr. 6 ff. zu Art. 7 BayHO.
[6] Bayerische Staatsregierung: Bayerisches Energiekonzept, S. 7 (24.05.2011).
[7] Bundesministerium für Wirtschaft und Energie: Fünfter Monitoring-Bericht zur Energiewende "Die Energie der Zukunft“ - Berichtsjahr 2015, S. 4 (Stand Dezember 2016).
[8] Bayerisches Energieprogramm, S. 19 (Stand Oktober 2015).
[9] Bayerisches Energieprogramm, S. 11 - 16 und S. 19 (Stand Oktober 2015)
[10] Bayerisches Energieprogramm, S. 19 (Stand Oktober 2015).
[11] Bayerisches Landesamt für Statistik: Bayern in Zahlen, Ausgabe 12/2017, S. 761.
[12] Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie: Energiedialog Bayern, S. 33 (Stand Juni 2015).
[13] Energiedialog Bayern, S. 34 (Stand Juni 2015).
[14] Kap. 07 03 Tit. 683 63.
[15] Programmlaufzeit BayEMO.
[16] Darlehenszusagen von insgesamt 14,1 Mio. €.
[17] Aus Gewinnprogrammen der LfA.
[18] Energiedialog Bayern, S. 33 (Stand Juni 2015).
[19] Kap. 13 31 Tit. 893 60; ab 2015: Kap. 07 05 Tit. 894 76.
[20] Vgl. auch BRH: Bericht nach § 88 Abs. 2 BHO über Maßnahmen zur Umsetzung der Energiewende durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie - Schwerpunkt: Kap. 09 03, Energie- und Klimafonds - vom 21.12.2016.
[21] Vgl. TNr. 25.
[22] Bayerisches Energiekonzept, S. 26.
[23] Vgl. TNr. 25.