TNr. 12: Verwahrungen und Vorschüsse

Bei den Verwahrungen und Vorschüssen werden außerhalb des Haushalts hohe Geldbeträge verwaltet. Diese müssen soweit wie möglich zeitnah abgewickelt werden. Die Fachverwaltungen müssen die Staatskassen künftig dabei stärker unterstützen. Der ORH regt ferner an, eine Reduzierung der Zahlstellen zu prüfen.
Der ORH hat in den vergangenen Jahren wiederholt die Verwahrungen und Vorschüsse des Staates und seiner Sondervermögen geprüft (Art. 89 Abs. 1 Nr. 3 BayHO).
12.1 Ausgangslage
Einnahmen und Ausgaben, die als durchlaufende Gelder zu behandeln sind oder sich vorläufig noch keiner konkreten Haushaltsstelle zuordnen lassen, werden außerhalb der Einzelpläne des Staatshaushalts auf besonderen Buchungsstellen als Verwahrungen (Kap. 70 xx) und Vorschüsse (Kap. 75 xx) gebucht. Sie spiegeln sich ausschließlich im Kassenbestand wider. Nur im Falle ihrer endgültigen Zuordnung zu einer konkreten Buchungsstelle des Staatshaushalts werden diese haushaltswirksam und fließen in die Haushaltsrechnung ein. Vorschüsse sind binnen zwei Jahren abzuwickeln (vgl. Art. 60 Abs. 1 BayHO). Für Verwahrungen gibt es keine solche gesetzliche Frist.
Typische Fälle sind z. B.:
- Durchlaufende Beträge, die dem Staat nicht gehören (Gerichtshinterlegungen, Sicherheitsleistungen u. Ä.),
- staatliche Geldanlagen,
- Gemeindeanteile an den Gemeinschaftsteuern,
- die im Dezember ausbezahlten Januarbezüge des folgenden Jahres.
12.2 Feststellungen des ORH
Der ORH hat bei der querschnittsmäßigen Prüfung der Verwahrungen und Vorschüsse Mängel bei deren Abwicklung festgestellt. Die folgenden Beispiele verdeutlichen dies:
12.2.1 Neubau eines landwirtschaftlichen Versuchszentrums
Ein Staatliches Bauamt hat für ein Lehr- , Versuchs- und Fachzentrum (LVFZ) ab 2006 eine neue Lehrwerkstatt errichtet. Die Bewirtschaftungs- und Anordnungsbefugnis für die Haushaltsmittel lag beim Bauamt. Ohne die Bewirtschaftungsbefugnis zu übertragen, gestattete es dem LVFZ, fachlich notwendige Beschaffungen (z. B. für die Erstausstattung) selbst vorzunehmen. Dieses leistete die entsprechenden Zahlungen aus Vorschuss. Das Bauamt erstattete dem LVFZ 2007 und 2008 zur Abwicklung des Vorschusses 153.651 € aus Haushaltsmitteln. Ende 2009 reichten die Haushaltsmittel des Bauamtes für die Deckung des Vorschusses nicht mehr aus. Dadurch blieben als Vorschuss gebuchte Ausgaben des LVFZ von 200.549 € ungedeckt.
Die dem LVFZ vom Bauamt eingeräumte Befugnis, selbst über einen Teil der bereitstehenden Haushaltsmittel zu verfügen, wurde wie das Ausgabegebaren des LVFZ erkennen lässt nicht auf einen finanziellen Höchstbetrag gedeckelt. Es blieb also bei beiden Dienststellen unbeachtet, dass Haushaltsmittel nur beschränkt zur Verfügung stehen. Das Bauamt hätte zumindest ein maximales finanzielles Budget festlegen und das LVFZ dieses erfragen und entsprechend den Haushaltsvorschriften bewirtschaften müssen.
Im Übrigen hat das LVFZ Lieferungen und Leistungen im Umfang von insgesamt 354.200 € bezahlt, ohne über die notwendige Anordnungsbefugnis zu verfügen. Erschwerend kommt hinzu, dass es die Ausgaben aus Vorschuss geleistet hat, ohne dass hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen vorlagen. Das Bauamt hätte nämlich diese Zahlungen selbst zulasten der einschlägigen Ausgabetitel leisten müssen. Diesen Haushaltsverstoß hat die Haushaltsüberschreitung zunächst verschleiert; er wiegt deshalb besonders schwer.
Den offenen Vorschuss von 200.549 € hat das LVFZ zwischenzeitlich aus eigenen Haushaltsmitteln getilgt.
12.2.2 Zentraler Dienst der bayerischen Staatstheater
Der ORH hat 2007 bei seiner Prüfung der Zahlstelle des Zentralen Dienstes festgestellt, dass die Staatsoberkasse der Zahlstelle bis April 2007 einen Betrag von 141.521 € nicht ersetzt hat. Insoweit bestand eine Differenz zwischen den Zahlstellenabrechnungen und den Daten der Staatsoberkasse. Die Zahlstelle hat diese Differenz nicht aufgeklärt.
Letztlich musste zusammen mit weiteren festgestellten Fehlern insgesamt ein Fehlbetrag von 236.112 € durch eine überplanmäßige Ausgabe aus dem Haushalt ersetzt werden. Die Fehlerbereinigung dauerte bis Ende 2009.
12.2.3 Gehaltsvorschüsse für Bedienstete des Freistaates
Der ORH hat festgestellt, dass die Ende 2010 in der Kassenbuchführung bei Kap. 75 30 Tit. 400 50 gebuchten Gehaltsvorschüsse (Kassenbestand) um 170.000 € höher waren als die im Bezügeabrechnungsverfahren VIVA offenen und Personen zugeordneten Gehaltsvorschüsse (Buchbestand im Vorverfahren). Der ORH hat einen jährlichen Abgleich gefordert. Nur dadurch lässt sich feststellen, ob Buch- und Kassenbestand übereinstimmen.
Das Landesamt für Finanzen selbst stellte zahlreiche Fehler und Fehlermöglichkeiten sowie eine Differenz in der vom ORH genannten Größenordnung bei der Abwicklung von Gehaltsvorschüssen in VIVA fest.
12.2.4 Umsatzsteuerabführung durch die Technische Universität München (TUM)
Die TUM betreibt mehrere Betriebe gewerblicher Art, für die Umsatzsteuer abzuführen ist. Für diese Zwecke bucht die TUM seit 2002 alle Umsätze intern in einem kaufmännischen Buchführungsprogramm. Die Zahlungen werden kameral über Verwahrungsbuchungsstellen gebucht.
Der ORH hat festgestellt, dass ein Abgleich der kameral und kaufmännisch gebuchten Umsatzsteuerbeträge unterblieb und zwischen den Salden beider Systeme Differenzen bestanden. Er hat deshalb gefordert, zum Ende eines Jahres die beiden Buchführungssysteme abzugleichen.
Der erste Abgleich der TUM zum 31.12.2011 ergab eine Differenz von 364.298 €, die zwischenzeitlich ordnungsgemäß aufgelöst werden konnte. Ohne den Abgleich hätte die Differenz aus Haushaltsmitteln finanziert werden müssen. Die TUM hat zugesichert, künftig jährlich einen solchen Abgleich durchzuführen.
12.2.5 Verwahrungen und Vorschüsse auf Personenkonten
Ein Teil der Verwahrungen und Vorschüsse wird auf Personenkonten gebucht, die sich auf konkrete Personen oder Sachen beziehen. Dabei handelt es sich in der Masse um unproblematische Hinterlegungen, Sicherheitsleistungen und vergleichbare Sonderfälle. Werden jedoch die übrigen Personenkonten nicht zeitnah abgewickelt, können Verwahrungen immer schwieriger aufgeklärt werden, und bei Vorschüssen unterbleibt die endgültige Buchung zulasten von Haushaltsmitteln.
Ende 2005 fanden sich in der Kassenbuchführung 1.357 offene Verwahrungen (ohne Hinterlegungen und Sicherheitsleistungen) und 2.100 offene Vorschüsse auf Personenkonten mit einem finanziellen Volumen von 23 Mio. €, die bereits länger als ein Jahr offen waren. Auffallend waren dabei die entgegen der zweijährigen Frist gem. Art. 60 Abs. 1 BayHO noch nicht abgewickelten 415 Vorschüsse aus den Jahren vor 2004 sowie 351 negative Verwahrungen und Vorschüsse. Negative Verwahrungen sind auf Verwahrungsbuchungsstellen gebuchte Auszahlungen, negative Vorschüsse sind auf Vorschussbuchungsstellen gebuchte Einzahlungen. Letztere sind aus abrechnungstechnischen Gründen unvermeidlich, sollten aber binnen Jahresfrist abgewickelt sein.
Der ORH hat deshalb in den vergangenen vier Jahren 1.528 solcher Fälle mit einem finanziellen Volumen von 5 Mio. € untersucht. Hierdurch konnten über 700 Einzelfälle im Umfang von 2 Mio. € abgewickelt werden. Die Prüfungen haben darüber hinaus die Verwaltung für eine raschere Abwicklung offener Verwahrungen und Vorschüsse sensibilisiert. Infolgedessen ist nun die durchschnittliche Anzahl offener Vorschüsse erheblich gesunken. Länger als ein Jahr offene negative Verwahrungen und Vorschüsse treten kaum noch auf.
Für die Aufklärung und Abwicklung von älteren Verwahrungen und Vorschüssen sind die Kassen und Zahlstellen auf die Mitwirkung der bewirtschaftenden Dienststellen angewiesen. Der ORH hat festgestellt, dass die Zusammenarbeit nicht immer reibungslos funktioniert. So war es z. B. der Staatsoberkasse nicht möglich, eine für die Bewirtschaftung von Personalausgaben zuständige Dienststelle zu veranlassen, 55 in den Jahren 2002 bis 2005 aus Vorschuss geleistete Gehaltszahlungen aus Haushaltsmitteln zu begleichen. Erst als sich der ORH 2009 unmittelbar an diese Dienststelle wandte, hat diese gehandelt.
12.3 Würdigung und Empfehlung des ORH
Der vom ORH in den geprüften Einzelfällen festgestellte Umgang mit der Abwicklung von Verwahrungen und Vorschüssen widerspricht dem Haushaltsrecht. Die Beispiele zeigen, dass bei den Verwahrungen und Vorschüssen erhebliche Risiken für den Haushalt entstehen können.
- Je länger Geld, dessen Einzahlungsgrund nicht bekannt ist, auf den Verwahrkonten liegt, desto schwieriger wird es, den Sachverhalt aufzuklären. Der verwahrte Betrag bleibt solange der Haushaltsrechnung entzogen.
- Bei Vorschüssen besteht die Gefahr, dass Zahlungen trotz fehlender oder unzureichender Haushaltsmittel geleistet werden (vgl. TNr. 12.2.1).
Auf Empfehlung des ORH hat das Finanzministerium mit Wirkung vom 01.05.2012 Ausführungsvorschriften zu Art. 60 BayHO mit konkreten Vorgaben für die Verwaltung erlassen.
Der ORH hält es für notwendig, dass die Vorschriften von der Verwaltung konsequent umgesetzt werden. Vorschüsse und Verwahrungen müssen regelmäßig überprüft und möglichst zeitnah abgewickelt werden.
12.4 Stellungnahme der Verwaltung
12.4.1 Neubau eines landwirtschaftlichen Versuchszentrums
Das Landwirtschaftsministerium räumt ein, dass die Haushaltsüberschreitung in einer mangelnden Abstimmung des LVFZ mit dem Bauamt gründete. Das LVFZ sei nachdrücklich auf die Beachtung der Bewirtschaftungs- und Anordnungsbefugnis hingewiesen worden. Das Ministerium überprüfe bereits die Notwendigkeit der Zahlstellen sowie deren Vorschuss- und Verwahrungsbuchungsstellen.
12.4.2 Zentraler Dienst der bayerischen Staatstheater
Nach Auffassung des Kunstministeriums war die Staatsoberkasse für das Zustandekommen des seinerzeitigen Fehlbetrages mitverantwortlich, auch wenn dies das Finanzministerium 2010 bestritten habe.
12.4.3 Gehaltsvorschüsse für Bedienstete des Freistaates
Das Landesamt für Finanzen plant Programmanpassungen und beabsichtigt, danach alle Gehaltsvorschüsse im Einzelfall zu überprüfen. Es untersucht derzeit auch, ob sich die Software so anpassen lässt, dass sie den vom ORH empfohlenen jährlichen Abgleich von offenen Gehaltsvorschüssen mit den im Bezügeverfahren VIVA ausgewiesenen Vorschüssen durchführen kann.
12.4.4 Verwahrungen und Vorschüsse auf Personenkonten
Das Finanzministerium weist darauf hin, dass es sich bei dem weitaus größten Teil aller Verwahrungen und Vorschüsse um Zahlungen handelt, die aus rechtlichen oder buchungstechnischen Gründen als durchlaufende Gelder abzuwickeln sind und zu keinen Haushaltseinnahmen oder -ausgaben führen. Auch den übrigen Verwahrungen und Vorschüssen sei wesensimmanent, dass sie aus nachvollziehbaren Gründen noch nicht im Haushalt nachgewiesen werden können. Dies geschehe nicht im gesetzesfreien Raum, sondern auf der Grundlage von Art. 60 BayHO und sonstiger einschlägiger Vorschriften. Alle Verwahrungen und Vorschüsse würden buchungsmäßig nachgewiesen und genau überwacht. Soweit diese dem Grunde nach abwickelbar seien, würden diese, von wenigen Ausnahmefällen abgesehen, unverzüglich aufgeklärt.
12.5 Schlussbemerkungen des ORH
Offene Vorschüsse und Verwahrungen müssen soweit wie möglich zeitnah abgewickelt werden. Die Fachverwaltungen müssen die Staatskassen künftig dabei stärker unterstützen.
Der ORH regt ferner an, dem Beispiel des Landwirtschaftsministeriums zu folgen und eine Reduzierung der Zahlstellen zu prüfen.