Jahresbericht 2013

TNr. 23: Konkurrenz von privater und staatlicher Landwirtschaftsberatung

Gelbes Schild: BERATUNG wird bei uns groß geschrieben

Die Reformziele des Agrarwirtschaftsgesetzes wurden noch nicht erreicht. Die Landwirtschaftsverwaltung muss Aufgaben im Bera­tungsbereich abbauen, die durch Private wahrgenommen werden könnten.

23.1 Ausgangslage

Der ORH und die Staatlichen Rechnungsprüfungsämter Würzburg und Regensburg haben 2011 den staatlichen Personaleinsatz in der Beratung durch die Landwirtschaftsverwaltung (z. B. Betriebsberatung, Produktionstechnikberatung durch die Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, im Folgenden:Landwirtschaftsämter) geprüft.


23.2 Vorgaben und haushaltsmäßige Auswirkungen des Agrarwirtschaftsgesetzes

Nach Art. 9 Agrarwirtschaftsgesetz (AgrarWiG)[1] vom 08.12.2006 erfolgt die produktionstechnische und betriebswirtschaftliche Beratung in der Land- und Forstwirtschaft im Verbund mit anerkannten nicht staatlichen Anbietern von Beratungsdienstleistungen.

Gemäß Art. 9 Abs. 1 Satz 2 AgrarWiG soll das Landwirtschaftsministerium Kernkompetenzen für eine subsidiäre betriebliche Beratung in der Landwirtschaft vorhalten. Für die staatliche Beratung werden keine Kosten erhoben (Art. 9 Abs. 1 Satz 3).

Nach der amtlichen Begründung wird sich der Staat nach dem Konzept der Reform "Verwaltung 21" langfristig aus denjenigen Beratungsfeldern der betrieblichen Beratung zurückziehen, die von privaten Anbietern sukzessive übernommen und ausgefüllt werden können. Für eine Übergangszeit behält der Staat die Beratungskernkompetenzen.

Im Rahmen der Verwaltungsvereinfachung und der Straffung der Verfahren sowie eines Aufgabenverzichts soll das AgrarWiG zu Einsparungen sowohl im Personal- als auch im Sachhaushalt führen und dazu beitragen, die im Rahmen der Verwaltungsreform "Verwaltung 21" beschlossenen Einsparungen zu realisieren.[2]


23.3 Feststellungen


23.3.1 Verbundpartner

Aktuell sind vom Landwirtschaftsministerium z. B. das Landeskuratorium für pflanzliche Erzeugung e. V. (LKP) und das Landeskuratorium der Erzeugerringe für tierische Veredelung in Bayern e. V. (LKV) als Verbundpartner anerkannt.

Die privaten Beratungspartner bieten die Beratung gegen Entgelt an.

Beispiel: Im Marktfruchtbau (z. B. Getreide) hatten im Prüfungszeitraum von rd. 90.000 Betrieben rd. 1.000 einen Vertrag über die Beratung geschlossen (rd. 1,2 %).

Die Beratungspartner erhielten von 2008 bis 2010 Fördermittel in Höhe von insgesamt 13,7 Mio. €.


23.3.2 Staatlicher Personaleinsatz in der Beratung

2010 beliefen sich die eingesetzten Arbeitskapazitäten für den Gesamtbereich der staatlichen Beratung lt. KLR-Auswertung auf rd. 229 VZK.

Nach den Feststellungen erledigt staatliches Personal nach wie vor Aufgaben, für die es Beratungsangebote privater Verbundpartner gibt. Dies zeigen folgende Beispiele:

Die Landwirtschaftsämter erbringen Beratungsleistungen im Bereich "Produktionstechnik/Verfahrensökonomie". Es gibt aber auch entsprechende Angebote (Module) der Verbundpartner. So werden z. B. im Pflanzenbau Beratungsleistungen zum Thema Düngung, in der tierischen Produktion zu den Themen Futtergewinnung, Futterkonservierung und Lagerung sowie Stallklima sowohl vom Verbundpartner (LKP oder LKV) als auch von den Landwirtschaftsämtern angeboten.

Im Milchviehbereich lag 2010 der Schwerpunkt bei der Unternehmensberatung mit 20 VZK und mit 11 VZK bei der Produktionstechnik (z. B. Fütterung). Um den aktuellen Beratungsbedarf abzudecken, wurden beim Staat zusätzlich Berater auf Zeit eingestellt. Beide Bereiche sind als Themen für private Verbundpartner geeignet.

Für die staatliche Unternehmensberatung insgesamt (u. a. Marktanalysen, Marktberatung, Marketing, Betriebsorganisation, betriebliche Optimierung etc.) wurden jährlich rd. 45 VZK eingesetzt. Im Rahmen des Prüfungsschriftwechsels erklärte das Landwirtschaftsministerium die Unternehmensberatung zur staatlichen Aufgabe.


23.4 Bewertung durch den ORH

Die derzeitige Praxis der angebotsorientierten und unentgeltlichen staatlichen Beratung zur Unternehmensentwicklung und Produktionstechnik steht nicht im Einklang mit den Zielen und erwarteten Wirkungen des AgrarWiG.

Der Bereich der Produktionstechnik und Betriebswirtschaft ist nach dem AgrarWiG Aufgabe der Verbundpartner. Der Staat tritt aber mit seinem kostenfreien Angebot in direkte Konkurrenz zu dem kostenpflichtigen Angebot der Verbundpartner, erschwert deren Akzeptanz und wirkt kontraproduktiv im Sinne einer positiven Entwicklung der Verbundpartner. Solange der Staat unentgeltliche Beratungsleistungen anbietet, kann sich kein privater Anbieter entwickeln und am Markt behaupten. Erfahrungsgemäß ist die staatliche Förderung auch wirtschaftlicher als der Einsatz staatlichen Personals.

Nach Einschätzung des ORH könnten Beratungsleistungen in einer Größenordnung von 90 VZK (8 Mio. €), insbesondere in den Bereichen Unternehmensberatung, Produktionstechnik oder Betriebswirtschaft abgebaut werden.


23.5 Stellungnahme des Landwirtschaftsministeriums

Das Landwirtschaftsministerium äußert sich u. a. wie folgt:

In den letzten Jahren hätten sich die Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft nachdrücklich verändert. Heute werde z. B. jeder Hektar landwirtschaftliche Fläche in Bayern zur Erzeugung von Nahrungsmitteln, zur Energieproduktion und wegen naturschutzfachlicher Aspekte benötigt.

Die staatliche Beratung ziehe sich weiter aus der einzelbetrieblichen produktionstechnischen Beratung zurück und überlasse diese den Verbundpartnern. Die in der Vergangenheit aufgetretenen Konkurrenzsituationen des kostenfreien staatlichen Angebots mit dem kostenpflichtigen Angebot der Verbundpartner würden konsequent abgebaut.

Im Prüfungszeitraum seien die Verbundpartner noch in der Aufbauphase und daher nicht in der Lage gewesen, ein der staatlichen Beratung adäquates Angebot in Bayern vorzuhalten. Auch die Nachfrage der Landwirte sei teilweise verhalten gewesen, da die angebotene Leistung gegen Entgelt noch nicht flächendeckend dem bislang kostenfreien staatlichen Angebot entsprochen habe.


23.6 Abschließende Bewertung des ORH

Ein effektiver Aufgabenabbau ist im Beratungsbereich nicht erfolgt.

Die Dauer der bisherigen Übergangszeit seit 2006 weckt Zweifel, ob die Landwirtschaftsverwaltung ernsthaft die Beratungsleistungen auf private Verbundpartner verlagern will.

Nach wie vor beraten Beamte die Landwirte unentgeltlich, während Verbundberatungspartner wie das LKP e. V. nur sehr wenige Verträge abschließen. Der Staat muss sich auf die gesetzlich vorgesehenen Aufgaben zurückziehen.

 


[1] GVBl 2006, S.938.
[2] Beschluss des Landtags vom 10.07.2006 (LT-Drucksache 15/6052, Abschnitt D Kosten).

 

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