Jahresbericht 2013

TNr. 17: Erhebliche Mängel bei der steuerlichen Berücksichtigung von Unterhaltsaufwendungen

Steuerformulare

Unterhaltsaufwendungen nach § 33a Abs. 1 EStG werden häufig mangelhaft bearbeitet. Bei insgesamt 47 % der eingesehenen Fälle waren Bearbeitungsmängel festzustellen. Fälle mit Auslandsunterhalt waren zu 61 % fehlerhaft. Nach einer Hochrechnung des ORH ist allein im Veranlagungszeitraum 2010 ein Steuerausfall im zweistelligen Millionenbereich entstanden.

Kurzfassung
Umsetzung des Prüfungsergebnisses ORH icon abgeschlossen

Der ORH prüfte 2012 zusammen mit den Staatlichen Rechnungsprüfungsämtern Ansbach und Augsburg im Arbeitnehmerbereich den Abzug von Unterhaltsaufwendungen als außergewöhnliche Belastung (§ 33a Abs. 1 EStG).


17.1 Ausgangslage

Unterhaltsaufwendungen an gesetzlich Unterhaltsberechtigte oder diesen gleichgestellte Personen können bis zu einem jährlichen Höchstbetrag von 8.004 € je unterhaltener Person steuerlich abgesetzt werden. Unterstützen mehrere Personen denselben Unterhaltsberechtigten, ist der Höchstbetrag aufzuteilen. Voraussetzung für den Abzug ist u. a., dass die unterhaltene Person bedürftig ist. Sie darf kein oder nur geringes Vermögen besitzen. Eigene Einkünfte oder Bezüge mindern den abzugsfähigen Höchstbetrag, soweit sie 624 € im Jahr übersteigen.

Bei Unterhaltsaufwendungen an Personen im Ausland werden besondere Anforderungen an den Nachweis der Bedürftigkeit gestellt. Insbesondere ist hier eine vollständig ausgefüllte Unterhaltserklärung der unterstützten Person vorzulegen. In dieser Erklärung sind u. a. Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen und weiteren Unterhaltszahlern zu machen. Zudem ist ein Abzug von Unterhaltsaufwendungen an Personen im erwerbsfähigen Alter nur möglich, wenn diese nachweisbar außerstande sind, sich selbst zu unterhalten. Bei Inlandsunterhalt ist, im Gegensatz zu Auslandsunterhalt, eine Erklärung der unterstützten Person zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen nicht vorgesehen.

Seit März 2010 durchlaufen alle Einkommensteuererklärungen im Arbeitnehmerbereich einen maschinellen Risikofilter. Unterhaltsaufwendungen werden grundsätzlich nur dann personell geprüft, wenn das Risikomanagementsystem einen entsprechenden Hinweis ausgegeben hat.

Im Veranlagungszeitraum 2010 wurden landesweit in über 85.000 Fällen Unterhaltsaufwendungen von insgesamt 322 Mio. € als außergewöhnliche Belastung gem. § 33a Abs. 1 EStG geltend gemacht. Bei einem angenommenen Steuersatz von 30 % beträgt die steuerliche Auswirkung insgesamt 96,6 Mio. €, je Fall 1.136 €.


7.2 Prüfungsfeststellungen


17.2.1 Gesamtergebnis

Es wurden 1.105 zufällig ausgewählte Arbeitnehmerveranlagungen mit einem Risikohinweis zu Unterhaltsaufwendungen untersucht. In insgesamt 47 % der Fälle wurden Fehler bei der Rechtsanwendung oder Ermittlungsdefizite festgestellt. Von 581 Veranlagungen mit Auslandsunterhalt waren 61 %, von 524 Veranlagungen mit Inlandsunterhalt 31 % zu beanstanden. Knapp drei Viertel aller 757 Bearbeitungsfehler entfielen auf Auslandsfälle. Die unzutreffend bzw. ohne ausreichende Prüfung anerkannten Unterhaltsaufwendungen beliefen sich auf 1.594.000 €. Hierdurch wurden Steuerausfälle von 152.000 € und Ausfallrisiken von 326.000 € verursacht (bei einem angenommenen durchschnittlichen Steuersatz von 30 %).


17.2.2 Fehlerschwerpunkte bei der Rechtsanwendung

Bei Fällen mit Auslandsunterhalt ist zur Qualitätssicherung die Bearbeitung anhand einer Checkliste vorgeschrieben. Die Checkliste wurde häufig nicht konsequent abgearbeitet.

Fehlerschwerpunkte waren hierbei, dass

Bei Unterhaltsaufwendungen an inländische Personen konzentrierten sich die Beanstandungen darauf, dass


17.2.3 Feststellungen zur Organisation

Eine Unterstützung der Bearbeitung durch maschinelle Speicherung der Checkliste und anderer entscheidungserheblicher Informationen (z. B. Name, Wohnort, Identifikationsnummer) erfolgt nicht.

Die elektronische Übermittlung an die Finanzämter von pauschal besteuerten Entgelten aus einer geringfügig entlohnten oder kurzfristigen Beschäftigung sowie Arbeitslosengeld II und BAföG-Leistungen findet derzeit nicht statt.


17.3 Würdigung des ORH

Die festgestellten Beanstandungsquoten von 31 bzw. 61 % sind deutlich zu hoch. Zudem wirken sich Bearbeitungsfehler häufig auch in den Folgejahren aus. Rechnet man die festgestellten Steuerausfälle und Steuerausfallrisiken auf ganz Bayern hoch, ist allein im Veranlagungszeitraum 2010 ein Steuerausfall im zweistelligen Millionenbereich entstanden.

Der ORH hält es für dringend notwendig, die Bearbeitungsqualität bei Unterhaltsaufwendungen zu verbessern, insbesondere in Fällen mit Auslandsunterhalt.


17.3.1 Rechtliche Vorgaben konsequent umsetzen

Die Finanzämter sollten über die festgestellten Fehler informiert und zur besseren Beachtung der rechtlichen Vorgaben angehalten werden. Die Führungskräfte müssen die Prüfung der Risikohinweise und die Abarbeitung der Checkliste besser überwachen. Die Hilfsmittel müssen regelmäßig und besser als bisher vermittelt und eingesetzt werden.


17.3.2 Speicherung entscheidungserheblicher Daten

Die Risikoprüfung und die Bearbeitung der Risikohinweise könnten verbessert werden, wenn die Checkliste und weitere, für die Bearbeitung wesentliche Informationen (z. B. allgemeine Angaben zur unterhaltenen Person und deren eigene Einkünfte und Bezüge) maschinell gespeichert würden. Hierdurch wären für laufende sowie nachfolgende Veranlagungen konkretere Risikohinweise möglich.


17.3.3 Zusätzliche Angaben zu wirtschaftlichen Verhältnissen

Die Richtigkeit der Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen (Vermögen, Einkünfte und Bezüge) sollte auch in Inlandsfällen durch Unterschrift der unterhaltenen Person bestätigt werden. Eine entsprechende Erklärung könnte z. B. in die Anlage Unterhalt integriert werden.

Der ORH hält eine bessere Überprüfung der erklärten Einkünfte und Bezüge eines inländischen Unterhaltsempfängers für erforderlich. Dazu sollte die elektronische Datenübermittlung an die Finanzämter (eDaten) auf pauschal besteuerte Entgelte aus einer geringfügig entlohnten oder kurzfristigen Beschäftigung, Arbeitslosengeld II und BAföG-Leistungen ausgeweitet werden.


17.4 Stellungnahme des Finanzministeriums

Das Finanzministerium hält, wie der ORH, die festgestellten Fehlerquoten für zu hoch. Es räumt ein, dass die Bereitstellung einer Checkliste allein nicht ausreiche, um Qualitätsverbesserungen zu erzielen.

Als ersten Schritt werde es daher die Finanzämter gezielt auf die Feststellungen des ORH und die geltenden Regelungen hinweisen. Um künftig eine bessere maschinelle Unterstützung zu ermöglichen, würden die Vorschläge des ORH zur Speicherung entscheidungserheblicher Daten in die länderübergreifende gemeinsame Softwareentwicklung (KONSENS - Koordinierte neue Softwareentwicklung der Steuerverwaltung) eingebracht.

Zudem werde geprüft, ob den Führungskräften Auflistungen zur Verfügung gestellt werden können, die eine stärkere Kontrolle von Checklistenfällen ermöglichen.

Bei Inlandsunterhalt werde der Vorschlag des ORH befürwortet, künftig in der Einkommensteuererklärung (Anlage Unterhalt) eine Erklärung der unterhaltenen Person zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen zu fordern. Auch die Erweiterung der eDaten um BAföG-Leistungen, Arbeitslosengeld II und pauschal besteuerte Entgelte werde als sinnvoll erachtet und auf Umsetzbarkeit geprüft. Wegen der erforderlichen bundesweiten Abstimmung sei eine kurzfristige Realisierung jedoch nicht zu erwarten.


17.5 Schlussbemerkung des ORH

Die Verwaltung muss sicherstellen, dass die Bearbeitungsqualität deutlich verbessert wird. Insbesondere müssen die vom maschinellen Risikomanagementsystem generierten Risikohinweise fehlerfrei abgearbeitet werden. Der ORH hält es angesichts der Höhe der Steuerausfälle bzw. Ausfallrisiken für zwingend erforderlich, die vorgeschlagenen Maßnahmen konsequent und zügig umzusetzen.

 

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