TNr. 19: Betriebsprüfung stärken

Durch die unzureichende Personalausstattung in der Betriebs-prüfung entstehen Steuerausfälle im dreistelligen Millionenbereich. Die Personalausstattung muss dort dringend erhöht werden. Daneben hält der ORH Verbesserungen bei der Organisation und der Bearbeitung für erforderlich.
Der ORH hat bereits im Jahresbericht 2012 zum "Personalmangel in der Steuerverwaltung" einen Gesamtüberblick und Ländervergleich zur Personalsituation in der Steuerverwaltung gegeben.[1] Er hat auf die sich deutlich verschlechternden Turnusse in der Betriebsprüfung sowie die ungünstige Personalentwicklung und hohe Unterbesetzung hingewiesen. Der Prüfungsturnus gibt an, in welchem Zeitabstand Betriebe durchschnittlich geprüft werden. Im Haushaltsentwurf 2013/2014 sind 200 neue Stellen für die gesamte Steuerverwaltung vorgesehen.
Im Folgenden werden die Ergebnisse einer Querschnittsuntersuchung dieses für die Steuereinnahmen besonders wichtigen Bereichs detaillierter dargestellt, zeitlich fortgeführt und Vorschläge zu organisatorischen Verbesserungen gemacht.
19.1 Ausgangslage
19.1.1 Organisation der Betriebsprüfungsstellen
In Bayern sind bei 40 größeren Finanzämtern Betriebsprüfungsstellen eingerichtet. Zum 01.01.2012 waren 1.758 Prüfer eingesetzt.
Die ursprünglich bei wenigen Betriebsprüfungsstellen zentralisierte Prüfung von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, Versorgungs- und Versicherungsunternehmen sowie Kreditinstituten wurde im Rahmen einer Reform zum 01.01.2006 aufgehoben. Damit wurde die Prüfungszuständigkeit für solche Unternehmen auf die örtlich zuständigen Betriebsprüfungsstellen übertragen.
19.1.2 Betriebsprüfungsstellen in Großräumen
Im Großraum München wurden 2010 die bisherigen Betriebsprüfungsstellen der Finanzämter München I bis V und die Konzernbetriebsprüfungsstelle zu einer einzigen Betriebsprüfungsstelle zusammengeführt. Diese hat nach dem Stand vom 01.01.2012 eine Personalstärke von 457 Prüfern.
Im Großraum Augsburg bestehen unverändert die Prüfungsstellen Augsburg-Land und -Stadt. Entsprechendes gilt für den Großraum Nürnberg; hier sind bei den Finanzämtern Nürnberg Zentral, Nord und Süd Betriebsprüfungsstellen eingerichtet. Im erweiterten Umkreis gibt es noch die Betriebsprüfungsstellen Erlangen und Fürth.
Die Personalstärken der einzelnen Stellen betrugen zum 01.01.2012 zwischen 26 und 51 Prüfern. Im Großraum Augsburg waren zu diesem Stichtag insgesamt 75 Prüfer und im erweiterten Großraum Nürnberg 199 Prüfer eingesetzt.
19.2 Feststellungen des ORH
19.2.1 Die Personalausstattung nahm ab
Nach dem Berechnungsmuster der "Arbeitsgruppe Personalbemessung", der Vertreter aller Länder und des Bundes angehören, lag der Prüferbedarf für Bayern für 2010 bei 3.069 VZK. Diese Berechnung basiert auf Fallzahlen und erhobenen Zeitwerten. Sie ist für die Länder aber nicht verbindlich, z. B. können länderspezifische Besonderheiten berücksichtigt werden.[2]
Da der berechnete Personalbedarf die im Haushalt vorhandenen Stellen übersteigt, nimmt die Verwaltung sog. Fehlbestandsabschläge vor, die sich von Arbeitsbereich zu Arbeitsbereich z. T. erheblich unterscheiden. Das Ergebnis ist das sog. Zuteilungssoll, das die konkrete Verteilung der Planstellen festlegt. Das Personalzuteilungssoll 2011[3] sah für die Betriebsprüfung 2.200 VZK vor. Zum 01.01.2012 waren 1.758 Betriebsprüfer (VZK) tatsächlich eingesetzt.
Gegenüber dem Zuteilungssoll lag damit eine Unterbesetzung von 442 VZK (20 %) vor. Im Großraum München fehlten 155 Prüfer (25 %), bei den übrigen bayerischen Finanzämtern 287 Prüfer (18 %).
Nachstehende Tabelle zeigt die Entwicklung des Zuteilungssolls und der Ist-Besetzung vom 01.01.2007 bis zum 01.01.2012:
Das Zuteilungssoll sah 73 zusätzliche Prüfer vor, tatsächlich waren zum letzten Stichtag 185 Prüfer weniger eingesetzt.
19.2.2 Die Zahl der Betriebe stieg, die Prüfungsturnusse verlängerten sich
Zum Stand der letzten Zählung vom 01.01.2010 unterlagen 397.000 Betriebe und sonstige Steuerpflichtige der Betriebsprüfung. Gegenüber der vorangegangenen Zählung zum 01.01.2007 erhöhte sich die Zahl der zu prüfenden Betriebe um 26.000 (7 %).
Die Verwaltung strebt folgende Turnusse an: Großbetriebe 4 Jahre; Mittelbetriebe 8,4 bis 10,5 Jahre; Kleinbetriebe 14,4 bis 20 Jahre.
Tatsächlich haben sich die Turnusse seit 2007 wie folgt entwickelt:
Die Übersicht zeigt, dass die angestrebten Prüfungsturnusse insbesondere bei den Mittel- und Kleinbetrieben nicht erreicht wurden. Die Turnusse haben sich insgesamt deutlich verlängert.
19.2.3 Erhebliche Prüfungsdefizite bei Klein- und Mittelbetrieben
Auch wenn sich der Turnus verlängert hat, werden Großbetriebe noch fortlaufend geprüft.
Bei den Klein- und Mittelbetrieben kommt es allerdings zu erheblichen Prüfungslücken. Bayernweit betrugen die Mehrsteuern 2007 bis 2011 pro geprüftem Mittelbetrieb 24.000 €, pro Kleinbetrieb 16.000 €. Die Mehrergebnisse pro Fall sind in München insgesamt deutlich höher als bei den übrigen Betriebsprüfungsstellen.
Klein- und Mittelbetriebe werden überwiegend dienstjüngeren Prüfern (Steuerinspektoren und Steueroberinspektoren) zugeteilt. Diese Prüfergruppe erzielte in München jährlich durchschnittliche Mehrsteuern pro Prüfer von 543.000 €, bei den anderen Betriebsprüfungsstellen von 405.000 €.
Eine Kompensation der fehlenden Prüfer durch ein besseres Risikomanagement ist zumindest mittelfristig nicht absehbar. Ein IT-unterstütztes Risikomanagement steht erst am Anfang der Entwicklung, eine gezielte Fallauswahl im Rahmen der Veranlagung durch den Innendienst ist nur sehr eingeschränkt möglich. Eine Gewinnermittlung kann vom Innendienst nur überschlägig darauf geprüft werden, ob sie in sich und im Vergleich mit den Vorjahren schlüssig ist. Eine Analyse der Fälle ergab, dass das durchschnittliche Mehrergebnis bei vom Innendienst gemeldeten Fällen mit 23.800 € lediglich um etwa 3.000 € höher war als der Durchschnittswert bei den zufällig ausgewählten Fällen. Zudem waren nur etwa 20 % der Fälle gemeldet.
19.2.4 Organisation
Die Dezentralisierung ist nicht effizient und führte zu Verlust von Fachwissen
Die Prüfung der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe, der Versorgungs- und Versicherungsunternehmen sowie der Banken erfordert Spezialwissen. Für diese Betriebe sind häufig auch spezialisierte Steuerberater tätig. Soweit nicht schon entsprechende Fachprüfer vorhanden sind, müssen die örtlich zuständigen Betriebsprüfungsstellen Bearbeiter für die Prüfung dieser Betriebe ausbilden. Da bei den meisten Stellen allerdings nur sehr wenige derartige Betriebe geprüft werden, können die Prüfer keinen umfangreichen Erfahrungsschatz aufbauen. Lediglich in München ist die Zuständigkeit für die Prüfung von Größtbetrieben[4] nach Branchen verteilt.
Zentrale Betriebsprüfungsstellen in Großräumen sind vorteilhaft
Die Zusammenführung der Betriebsprüfungsstellen in München zeigte durch den entstandenen großen Personalkörper bereits nach kurzer Zeit Vorteile. So können z. B. Prüfer mit Spezialwissen in bestimmten Bereichen für Prüfungen von Konzernen und Größtbetrieben dieser Branchen eingesetzt werden. Prüfer können zentral fortgebildet werden. Zudem stehen Ansprechpartner für Spezialgebiete zur Verfügung.
In den Großräumen Augsburg und Nürnberg ist eine Zusammenführung der dortigen Betriebsprüfungsstellen bisher nicht erfolgt.
19.2.5 Fallbearbeitung
Der ORH untersuchte stichprobenartig 1.025 abgewickelte Prüfungen. Bei einem Viertel der untersuchten Außenprüfungen waren unklare Sachverhalte nicht ausreichend aufgeklärt oder falsche rechtliche Schlussfolgerungen gezogen worden. Häufig wurde die vollständige Erfassung der Betriebseinnahmen nicht ausreichend geprüft.
19.3 Würdigung des ORH
Die von den bayerischen Betriebsprüfungsstellen in 2011 erreichten Prüfungsturnusse waren vor allem bei den Klein- und Mittelbetrieben etwa doppelt so lang, wie von der Verwaltung selbst angestrebt. Die Betriebsprüfung kann ihren Auftrag, die Gleichmäßigkeit der Besteuerung auch bei Gewinneinkünften sicherzustellen, bei diesen Betriebsgrößenklassen nur noch in eingeschränktem Umfang wahrnehmen. Dies führt zu erheblichen Steuerausfällen. Der ORH hält Veränderungen bei der Personalausstattung und in der Organisation sowie eine verbesserte Fallbearbeitung für erforderlich.
19.3.1 Personalausstattung verbessern
Die Personalausstattung muss so gestaltet sein, dass ein gesetz- und gleichmäßiger Vollzug der Steuergesetze gewährleistet ist. Der ORH fordert eine Betriebsprüfung, deren Turnus sich wieder an den von der Verwaltung selbst gesetzten Zielen orientiert.
Nach dem von der Verwaltung ermittelten Zuteilungssoll fehlen 155 Prüfer in München und 287 Prüfer in den sonstigen Betriebsprüfungsstellen. Legt man die 2007 bis 2011 durchschnittlich erzielten, jährlichen Mehrsteuern von jeweils 543.000 bzw. 405.000 € bei den Klein- und Mittelbetrieben zugrunde, entgehen Bayern jährlich Steuereinnahmen von etwa 200 Mio. €. Hierbei ist der - allerdings nicht bezifferbare - Steuerausfall aufgrund der schwindenden Präventionswirkung noch nicht berücksichtigt. Eine Besetzung nach dem Zuteilungssoll würde gegenüber den Steuerausfällen in dreistelliger Millionenhöhe nur zusätzliche Personalkosten von etwa 30 Mio. € (442 Prüfer der Besoldungsgruppe A 9/10 mit je 65.000 €) verursachen.
19.3.2 Organisation
Die Steuerverwaltung muss das vorhandene Personal effizient und effektiv einsetzen. Der ORH regt Folgendes an:
Personal risikoorientiert zuteilen
Bei der Personalverteilung sollte stärker berücksichtigt werden, wo dauerhaft hohe Ergebnisse erzielt werden. Deshalb sollte die Betriebsprüfungsstelle München in Relation zum Zuteilungssoll besser, zumindest aber keinesfalls schlechter besetzt sein als die übrigen Stellen.
Prüfung bestimmter Branchen wieder zentralisieren
Die dezentrale Bearbeitung der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe, der Versorgungs- und Versicherungsunternehmen sowie der Kreditinstitute führte dazu, dass jede Betriebsprüfungsstelle häufig für nur einige wenige Betriebe entsprechende Fachprüfer ausbilden und vorhalten muss. Die Zentralisierung dieser Betriebe auf nur wenige Betriebsprüfungsstellen würde zu einem effizienteren Prüfereinsatz führen. Weiterhin würde das gerade für diese Betriebszweige erforderliche Fachwissen bei weniger Prüfern gebündelt werden und könnte von diesen dann häufiger angewendet und vertieft werden.
Betriebsprüfungsstellen in Großräumen zusammenführen
Die Zusammenführung der Betriebsprüfungsstellen in München zu einer einheitlichen Betriebsprüfungsstelle ermöglicht eine branchenbezogene Prüfung von Größtbetrieben und Konzernen. Sie fördert eine flexiblere Fallauswahl und verbessert durch den zentralisierten Wissenstransfer die Ausbildung von Nachwuchsprüfern. Dieses Modell könnte auch in den wirtschaftsstarken Großräumen Augsburg und Nürnberg mit Fürth und Erlangen umgesetzt werden.
19.4 Stellungnahme der Verwaltung
Das Finanzministerium weist darauf hin, dass seit 2007 nicht nur die Zahl der Betriebsprüfer zurückgegangen sei, sondern in den bayerischen Finanzämtern zum 01.01.2012 insgesamt 780 VZK weniger beschäftigt gewesen wären. Wegen der angespannten Personallage sei nach Auffassung des Ministeriums die Berücksichtigung der an sich berechtigten Forderungen des ORH, wie die Verkürzung der Prüfungsturnusse und die Intensivierung von Sachverhaltsermittlungen, nicht machbar.
Wie in der Stellungnahme zum Jahresbericht 2012 über den Personalmangel in der Steuerverwaltung, verweist das Ministerium auf die zur Verbesserung der Stellensituation im Doppelhaushalt 2009/2010 zusätzlich ausgebrachten 500 neuen Stellen, die auch den Prüfdiensten zugutekommen würden.
Durch die 2009 eingeführte Zusatzberechnung "strukturelle Unterschiede" bei der Ermittlung des Zuteilungssolls würden Betriebsprüfungsstellen in wirtschaftsstarken Regionen bereits begünstigt und eine stärkere Berücksichtigung dieser Stellen bei der Personalverteilung erreicht.
Das Ministerium führt weiter aus, dass die Dezentralisierung der verschiedenen Branchenprüfungen vom Landesamt für Steuern evaluiert werden würde. Es würde auch untersucht, ob durch Zusammenführungen weiterer Betriebsprüfungsstellen positive Auswirkungen wie in München erreicht werden könnten.
Zu den vom ORH festgestellten Fehlerquellen erklärt das Finanzministerium, dass die bereits eingeführten Fortbildungsmaßnahmen weiter ausgebaut werden würden.
19.5 Schlussbemerkung des ORH
Bei einem bundesweiten Vergleich der Zahl der Betriebsprüfer zur Zahl der Betriebe lag Bayern 2010 auf dem letzten Platz.[5] Dennoch hat die Verwaltung im Zeitraum 01.01.2007 bis 01.01.2012 die Ist-Besetzung bei der Betriebsprüfung mit 9,5 % mehr als doppelt so stark reduziert wie im Durchschnitt der anderen Arbeitsbereiche (4,4 %). Um den gesetz und gleichmäßigen Vollzug der Steuergesetze zu gewährleisten, sollte nach Auffassung des ORH bei der Verteilung des Personals die Betriebsprüfung stärker berücksichtigt werden.
Der Verweis des Ministeriums hinsichtlich der Begünstigung von Betriebsprüfungsstellen in wirtschaftsstarken Regionen bezieht sich allein auf das Personalzuteilungssoll. Das in 2011 veröffentlichte Zuteilungssoll wies im Vergleich zu 2006 für München 136 Stellen mehr aus. Die Ist-Besetzung verringerte sich aber im Zeitraum vom 01.01.2007 bis zum 01.01.2012 um 12 VZK.
Im Doppelhaushalt 2009/2010 sind zusätzlich 500 neue Stellen für die gesamte Steuerverwaltung enthalten. Diese Stellen müssen nach Abschluss der Ausbildung der Bediensteten 2012/2013 zu einem wesentlichen Teil den überproportional unterbesetzten Prüfungsdiensten zugutekommen.
[1]ORH-Bericht 2012 TNr. 12.
[2] Vgl. auch ORH-Bericht 2012 TNr. 12.
[3] Verfügung des Bayerischen Landesamts für Steuern vom 19.07.2011, Az. O 1510.2.1-22/3 St11.
[4] Die Einordnung erfolgt nach unterschiedlichen Kriterien. Handels- und Fertigungsunternehmen werden z. B. ab einem Umsatz von 10 Mio. € der Größenklasse G2 und ab 39 Mio. € der Größenklasse G1 zugeordnet.
[5] Vgl. ORH-Bericht 2012 TNr. 12.
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