Jahresbericht 2013

TNr. 20: Staatlicher Biergarten für 2,4 Mio. €

Biergarten Freifläche mit Sitzgarnituren

In den ehemaligen Festungsanlagen von Ingolstadt errichtete die Immobilien Freistaat Bayern (IMBY) einen Biergarten mit Schank-gebäude und Infrastruktur. Diese Hochbaumaßnahme mit Kosten von 2,4 Mio. € wurde ohne die erforderliche Zustimmung des Landtags mit Mitteln des Bauunterhalts finanziert.

Der ORH hat zusammen mit dem Staatlichen Rechnungsprüfungsamt Regensburg im Jahr 2011 Einzelfälle aus dem Geschäftsbereich der IMBY geprüft. Dabei wurde auch die Errichtung eines Biergartens in Ingolstadtuntersucht.


20.1 Ausgangslage

Die IMBY verwaltet in Ingolstadt den sog. Schutterhof, eine von Festungsmauern umgebene Freifläche. Ursprünglich war dieser zwischen etwa 1838 und 1848 erbaute Festungsteil dafür gedacht, den Zufluss der Schutter in den Stadtbereich zur Trinkwasserversorgung zu verteidigen. Ab 1877 wurden auf dem Gelände Schwimmbecken zur Ausbildung der bayerischen Pioniere errichtet. Nach der 1971 vorgenommenen Verlegung der Schutter verfüllte der Staat als Eigentümer aus Gründen der Verkehrssicherheit die etwa zwei Meter tiefen Becken. In der Folgezeit war der Schutterhof an verschiedene Nutzer als Stellfläche für provisorische Schuppen, Garagen und Gartenhäuschen verpachtet. Die Kasematten waren z. T. als gewerbliche Lagerflächen vermietet.

Die IMBY bzw. ihre Vorgängerbehörde[1] beabsichtigte etwa ab 2003, die Anlagen zu sanieren und im Anschluss daran zum Betrieb eines Biergartens zu verpachten.

Die Baumaßnahmen im Schutterhof begannen 2008 mit dem Abriss der provisorischen Bauten und mit ersten Geländearbeiten. Die Stadt stimmte der beantragten Nutzungsänderung mit Schreiben vom 06.05.2009 zu. Die Erschließung, die Herstellung von zwei Brücken als zusätzlicher Fluchtweg und die Errichtung des Ausschankgebäudes erfolgten schrittweise ab Mitte 2009. Das Staatliche Bauamt übergab die Anlage am 30.04.2012 an die IMBY.

Die IMBY schrieb bereits im November 2011 die Verpachtung überregional aus. Das einzige Gebot stammte vom späteren Pächter. Mit ihm schloss die IMBY im März 2012 einen Pachtvertrag bis 30.09.2017 mit Verlängerungsoption bis 2022. Ein ursprünglich an der Anpachtung interessierter Gastronomiebetrieb gab aus betriebswirtschaftlichen Gründen kein Gebot ab. Ihm waren die noch zu tätigenden Investitionen für den Innenausbau des Ausschankgebäudes (Küche u. a.) zu hoch. Der Biergarten ist Anfang Mai 2012 in Betrieb gegangen.


20.2 Haushaltsrechtliche Vorgaben für die Durchführung von Hochbaumaßnahmen

Für Hochbaumaßnahmen des Staates müssen u. a. folgende Voraussetzungen erfüllt sein:


20.3 Prüfungsergebnisse des ORH


20.3.1 Kein staatlicher Bedarf für die Errichtung des Biergartens

Die IMBY hielt das Gelände des Schutterhofs aufgrund des baulich schlechten Zustandes der Anlagen schon seit Längerem für dringend sanierungsbedürftig. Denn jahrzehntelang waren keine nennenswerten Instandhaltungsmaßnahmen mehr ergriffen worden. Nach Einschätzung der IMBY ließen sich mit den bisherigen Nutzungen weder angemessene Einnahmen erzielen noch entsprachen sie denkmalpflegerischen Anforderungen. Das Areal war bis auf eine unzureichende Stromversorgung nicht erschlossen. Um eine nachhaltige Wirkung der eingesetzten Mittel zu erzielen, musste nach Ansicht der IMBY eine neue Nutzung für das Areal gefunden werden. Zum einen sollten nach einer Sanierung deutlich höhere Einnahmen als die bisher 2.400 € jährlich erzielt werden. Zum anderen war nach der Öffnung des Schutterhofs eine größere Publikumsfrequenz wünschenswert. Nach Auffassung der IMBY eignete sich das Gelände gut als Biergarten. Zu diesem Zweck sollte das für die Allgemeinheit bisher nicht zugängliche Gelände durch zwei neue Brücken über den Künettegraben und die Schutter an die benachbarte Parkanlage angebunden werden. Gleichzeitig sollten die historischen Bauteile denkmalgerecht instand gesetzt werden.

Nachdem der ursprüngliche Plan, Gaststätte und Biergarten von einem privaten Investor errichten zu lassen, gescheitert war, entschloss sich die IMBY, das Vorhaben selbst mit eigenen Mitteln durchzuführen.

Nach Auffassung des ORH ist die Errichtung eines Biergartens keine staatliche Aufgabe und für eine denkmalgerechte Sanierung auch nicht erforderlich. Eine nennenswerte Sanierung konnte der ORH in diesem Zusammenhang auch nicht feststellen.

Im Übrigen wird auch das Ziel, das Gelände für die Allgemeinheit zu öffnen, nur teilweise, nämlich nur während der (eingeschränkten) Öffnungszeiten des Biergartens, erreicht.


Zugang zum Schutterhof nur während der Öffnungszeiten                                                       Abbildung 4

TNr 20 Abb 4 623 396


20.3.2 Abwicklung einer Hochbaumaßnahme unter Umgehung des Landtags

Zunächst sollte das Staatliche Bauamt überschlägig die auf den Staat zukommenden Kosten ermitteln. Ob und in welcher Höhe sich der potenzielle Pächter an diesen Aufwendungen beteiligen würde, blieb offen. In einer ersten Kostenschätzung vom 30.01.2008 bezifferte das Staatliche Bauamt den Bauaufwand einschließlich der Erschließungskosten auf etwa 1,6 Mio. €.

Nachdem die IMBY beschlossen hatte, die Investitionen selbst zu tragen, veranschlagte sie die Kosten als Maßnahme im Bauunterhalt.

Nach Abschluss der Entwurfsplanung legte das Staatliche Bauamt am 13.05.2009 eine neue Kostenberechnung über 2,3 Mio. € vor. Die letzte Berechnung stammt vom Juni 2011 und liegt bei 2,4 Mio. €. Eine Endabrechnung der Kosten lag bis Sommer 2012 noch nicht vor.


Biergarten Schutterhof mit Schankgebäude                                                                                Abbildung 5

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Eine überschlägige Kostenzuordnung durch den ORH ergab, dass fast alle Kosten der Errichtung des Biergartens zuzurechnen sind: Mindestens 1,8 Mio. € entfielen auf Neubaumaßnahmen, davon 1,3 Mio. € auf das Schankgebäude inklusive Ver- und Entsorgung, 300.000 € auf die Brücken und 200.000 € auf Straßen- und Wegebau. Nur ein untergeordneter Teil der Kosten betraf Maßnahmen im Rahmen des Denkmalschutzes. Nach Auffassung des ORH handelt es sich jedenfalls um eine Neubaumaßnahme, welche die IMBY nicht im Rahmen des Bauunterhalts hätte abwickeln dürfen.

Maßnahmen des Bauunterhalts sind nämlich nur solche Arbeiten, die lediglich der Substanzerhaltung dienen und nicht zu einer Veränderung im Bestand, einer grundlegend anderen Nutzung und insbesondere zu einer Werterhöhung führen.[2]

Bei geschätzten Kosten von zunächst 1,6 Mio. € und später 2,4 Mio. €, die zu einem wesentlichen Teil für die Errichtung neuer baulicher Anlagen vorgesehen waren, sollte ein bisher unterwertig genutztes Areal einer grundlegend anderen Verwendung zugeführt werden. Das Bauvorhaben war daher eine Neubaumaßnahme und wäre als Große Baumaßnahme in die Anlage S des Haushaltsplans aufzunehmen gewesen. Dann hätte der Landtag darüber entscheiden können, ob die Maßnahme durchgeführt werden soll.


20.3.3 Unterbliebene Wirtschaftlichkeitsuntersuchung

Die IMBY hat vor Beginn der Maßnahme keine aussagekräftige Wirtschaftlichkeitsbetrachtung auf der Grundlage gesicherter Kostenplanungen angestellt. Die zunächst auf 1,6 Mio. € geschätzten Kosten erhöhten sich nach und nach auf zuletzt 2,4 Mio. €. Dazu kommen noch die bisher nicht bezifferten Aufwendungen für die notwendigen Stellplätze sowie für die eigene Verwaltung.

Der Pachtvertrag sieht eine prozentual gestaffelte Umsatzpacht bei einer jährlichen Mindestpacht vor. Die IMBY erwartet aus dem Pachtverhältnis Einnahmen, die nur eine sehr geringe Verzinsung des eingesetzten Kapitals ergeben. Unter Renditegesichtspunkten ist diese Investition unwirtschaftlich.

Die IMBY hat insofern auch gegen die grundlegenden haushaltsrechtlichen Anforderungen des Art. 7 BayHO verstoßen.


20.3.4 Mangelnde Aufsicht des Finanzministeriums

Das Finanzministerium übt die Rechts- und Fachaufsicht über die IMBY aus.[3] Durch die Anfrage einer Landtagsabgeordneten vom 20.06.2007 erhielt es erstmals Kenntnis von den Überlegungen, im Schutterhof einen Biergarten einzurichten. Die IMBY berichtete daraufhin ausführlich über ihre Planungen.

Aufgrund des Berichts war offensichtlich, dass dafür kein staatlicher Bedarf gegeben war. Lediglich auf Sachbearbeiterebene wurde darauf hingewiesen, dass vor einer Entscheidung zugunsten der Umsetzung zwingend die Wirtschaftlichkeit der Maßnahme belegt sein muss. In seiner Funktion als Aufsichtsbehörde wurde das Finanzministerium jedoch nicht tätig.

Nach Auffassung des ORH hätte das Finanzministerium steuernd eingreifen müssen und die Neubaumaßnahme zu diesem Zeitpunkt auch noch verhindern können.


20.4 Stellungnahme der Verwaltung

Die IMBY vertritt die Auffassung, dass es sich hier um die nachhaltige Sanierung eines historisch wertvollen und denkmalgeschützten Objekts gehandelt habe, nicht zuletzt mit dem Ziel, dieses allgemein für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Die Vorbereitung für die Einrichtung eines Biergartens habe ausschließlich der wirtschaftlichen Nutzung des Objekts gedient und stelle nur einen Teil der Gesamtmaßnahme dar, für die der geringere Teil der Gesamtaufwendungen entstanden sei. Die hierfür insgesamt verwendeten Haushaltsmittel seien deshalb nicht als Hochbaumaßnahme zu veranschlagen gewesen; die Einschätzung, dass vor deren Durchführung die Zustimmung des Landtags erforderlich gewesen wäre, werde aus diesem Grund nicht geteilt. Dies gelte auch für die Feststellung, dass es sich entsprechend der Haushaltsgrundsätze insgesamt um eine unter Renditegesichtspunkten unwirtschaftliche Investition gehandelt habe. Bei dem Schutterhof handele es sich um Grundvermögen, das auch außerhalb von Renditegesichtspunkten angemessen zu unterhalten sei; dies gelte umso mehr für denkmalgeschützte Objekte.

Im vorliegenden Fall sei zudem angestrebt worden, eine wirtschaftlich sinnvolle Verwendung des Objekts zu erreichen. Unter Zugrundelegung der von der IMBY der reinen Biergartennutzung zuzurechnenden Aufwendungen werde auch von einer bei einem denkmalgeschützten Objekt angemessenen Verzinsung des hierfür eingesetzten Kapitals ausgegangen.

Das Staatliche Bauamt bemerkt, es habe durchaus Bedenken gehabt, eine Baumaßnahme dieser Größenordnung aus Mitteln des Bauunterhalts durchzuführen, und diese auch mehrfach gegenüber der IMBY vorgebracht. Die IMBY habe diese Bedenken aber nicht mitgetragen.

Zu seiner Aufsichtsfunktion gegenüber der IMBY bemerkt das Finanzministerium, aus dem Bericht der IMBY von 2007 sei deren Entschluss zur Umsetzung der Biergartennutzung nicht zu erkennen gewesen. Ein Eingreifen aufgrund bloßer Nutzungsüberlegungen hielt es nicht für angezeigt. Man habe die IMBY aber auf die erforderliche Wirtschaftlichkeit hingewiesen. Als das Ministerium mit der Angelegenheit erneut befasst worden sei, sei die Maßnahme fast abgeschlossen und die Möglichkeit eines steuernden Eingreifens damit obsolet gewesen.


20.5 Schlussbemerkung des ORH

Der ORH bleibt bei seiner Auffassung, dass die Errichtung des Biergartens mit Schankgebäude eine Hochbaumaßnahme darstellt. Nur ein geringer Teil der Kosten ist dem Denkmalschutz zuzuordnen. Der Landtag hätte deshalb über die Maßnahme entscheiden müssen.

 


[1] Die IMBY übernahm die Aufgaben erst 2006; davor war die Liegenschaftsverwaltung der früheren Bezirksfinanzdirektion München - Büro Ingolstadt - zuständig.
[2] ORH-Bericht 2006 TNr. 17 (Unterhalt staatlicher Gebäude), TNr. 27 (Bauunterhalt an Gebäuden der Schlösserverwaltung) und TNr. 41 (Bauunterhalt an der Universität Regensburg).
[3] Art. 9a Abs. 1 des HG 2005/2006 i. d. g. F. des NHG 2006 GVBl S. 195.

 

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