Jahresbericht 2013

TNr. 21: Kauf von Lagerhallen für Staatstheater passend gemacht

Leere Garderobenständer in einer Halle

Der Staat hat eine 24 Jahre alte Gewerbeimmobilie für 17,5 Mio. € erworben. Bedarf, Eignung und Wirtschaftlichkeit wurden nicht ausreichend ermittelt, Alternativen nicht geprüft. Erst nach Beschlussfassung des Landtags und Abschluss des Kaufvertrags wurden die hohen Kosten für Sanierung und Umbau festgestellt. Grundlegende haushaltsrechtliche Bestimmungen wurden nicht beachtet.

Der ORH hat 2011 den Erwerb einer gebrauchten Gewerbeimmobilie geprüft. Dabei wurde untersucht, ob die einschlägigen haushaltsrechtlichen Vorschriften eingehalten wurden und insbesondere, ob der Ankauf wirtschaftlich war.


21.1 Ausgangslage

Anfang 2004 bot ein Unternehmen dem Wissenschaftsministerium eine Gewerbeimmobilie im Umland von München zum Kauf an. Der Gebäudekomplex - Baujahr 1982/1983 - bestand aus vier Hallen mit einer Lagerfläche von insgesamt 19.631 m² sowie einem Bürotrakt von 4.177 m². Er war für die Bedürfnisse eines Textilunternehmens errichtet worden und bis Herbst 2004 an dieses verpachtet. Anschließend standen die Gebäude leer.

Das Wissenschaftsministerium wandte sich im Mai 2004 an das Finanzministerium mit der Bitte, die Immobilie zu erwerben. Die Staatstheater und die staatlichen Museen hätten Bedarf an mehr als 10.000 m² Lagerfläche für Requisiten, Kostüme, Bühnenbilder und Sammlungsstücke.

Im September 2004 und nochmals im Mai 2005 forderte das Finanzministerium das Wissenschaftsministerium auf, konkrete Raumbedarfspläne für die Immobilie und ein schlüssiges Gesamtkonzept vorzulegen. Im Oktober 2005 beauftragte das Finanzministerium die OBB mit der Erstellung eines Wertgutachtens, das diese im Dezember 2005 vorlegte. Der Wert wurde mit 14,7 Mio. € (bei reiner Lagernutzung) bzw. 16,9 Mio. € (mit Büronutzung) mit einer Bewertungsspanne von +/- 10 % angenommen. Im April 2006 übersandte das Wissenschaftsministerium anstelle eines Bedarfsnachweises eine Auflistung mit einer möglichen Belegung der angebotenen Flächen. Das Finanzministerium erkannte daraufhin den Bedarf an. In seiner Beschlussvorlage vom Juli 2006 berichtete das Finanzministerium dem Haushaltsausschuss, ein Kaufpreis von 17,5 Mio. € sei angemessen. Zusätzlich würden nur noch 210.000 € für Sanierungs- und Adaptionsmaßnahmen anfallen. Daraufhin stimmte der Haushaltsausschuss dem Ankauf zu.

Am 27.07.2006 schloss die IMBY im Auftrag des Finanzministeriums den Kaufvertrag ab.

Im September 2006 übergab der Verkäufer die Immobilie. Die Vertreter des Wissenschaftsministeriums, der IMBY, des Staatsschauspiels und der Bauverwaltung hatten dabei keine wesentlichen Beanstandungen.

Im Oktober 2006 stellten die Nutzer gemeinsam mit dem zuständigen Bauamt fest, dass die Gebäude aufgrund diverser Mängel allenfalls eingeschränkt und vorübergehend nur provisorisch nutzbar seien. Die Planung der notwendigen Maßnahmen begann im September 2007. Die Arbeiten zogen sich vom Frühjahr 2008 bis Ende 2010 hin. Die endgültige Belegung des Objekts durch staatliche Stellen erfolgte Ende 2011.


21.2 Regelungen für den Erwerb von Immobilien

Für den Erwerb von Immobilien durch den Staat müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Immobilien dürfen nur erworben werden, soweit sie für staatliche Aufgaben benötigt werden. Dieser Bedarf ist in qualitativer und quantitativer Hinsicht durch das jeweilige Ressort zu beschreiben.[1]
  • Aus dem staatlichen Portfolio kann der Bedarf nicht bzw. nicht wirtschaftlich gedeckt werden. Dies ist von der IMBY festzustellen.[2]
  • Der Erwerb stellt die wirtschaftlichste Lösung zur Deckung des Bedarfs dar.[3] Die IMBY hat dies nach Markterkundung und Prüfung der alternativen Unterbringungsmöglichkeiten - Anmietung, Kauf, staatlicher Neubau - auf Basis einer Wirtschaftlichkeitsrechnung festzustellen.
  • Die Immobilie wird alsbald genutzt, und erforderliche bauliche Maßnahmen können zeitnah durchgeführt werden. Den Nachweis muss das jeweilige Ressort erbringen.
  • Nach Art. 81 BV dürfen Immobilien nicht zu einem Preis über ihrem Verkehrswert erworben werden.

Das Finanzministerium, das die Gesamtverantwortung für den Grundstock sowie das Grundstockvermögen trägt, hat zu prüfen, ob diese Voraussetzungen für einen Immobilienerwerb gegeben sind.

21.3 Feststellungen und Würdigung des ORH


21.3.1 Unzureichende Prüfung des staatlichen Bedarfs und der Eignung der Immobilie

Nach Feststellungen des ORH hatte das Wissenschaftsministerium von sich aus keinen Bedarf an Lagerflächen an die Liegenschaftsverwaltung gemeldet. Erst nachdem das Angebot vorlag, begründete es seinen Erwerbswunsch mit einem pauschalen Bedarf an mehr als 10.000 m² Lagerfläche. Raumbedarfspläne mit einem konkreten Anforderungsprofil der späteren Nutzer lagen ihm nicht vor. Stattdessen forderte das Ministerium seine nachgeordneten Dienststellen auf, Vorschläge für die Belegung des angebotenen Objekts zu unterbreiten.

Auch auf die Aufforderung des Finanzministeriums hin, den Bedarf an der gesamten Lager- und Bürofläche anhand von Raumbedarfsplänen zu konkretisieren, übersandte das Wissenschaftsministerium lediglich eine Auflistung mit einer möglichen Belegung. Das Wissenschaftsministerium wies dabei darauf hin, dass die konkrete Eignung der Gebäude, z. B. hinsichtlich einer ausreichenden Traglast der Böden und des Brandschutzes sowie notwendige Umbaumaßnahmen in den Hallen noch baufachlich zu beurteilen seien.

Das Finanzministerium gab sich letztlich mit diesen Informationen zufrieden. Es verlangte weder weitere Unterlagen zum Raumbedarf noch hat es ein baufachliches Gutachten über notwendige Sanierungs- und Anpassungsmaßnahmen eingefordert.

Die Bauverwaltung prüfte den Gebäudezustand im Rahmen ihrer Wertermittlung durch Inaugenscheinnahme auf offensichtliche Mängel und Schäden. Auf dieser Grundlage schloss sie sich im Ergebnis einem vom Verkäufer zur Verfügung gestellten Wertgutachten an, in dem die Bausubstanz und die Betriebstechnik als „überdurchschnittlich" beschrieben wurden.

Mit dem Verzicht auf die Raumbedarfspläne fehlten dem Finanzministerium die wesentlichen Informationen, um die Notwendigkeit zusätzlicher räumlicher Kapazitäten generell beurteilen zu können.


21.3.2 Mehrkosten wegen hohen und zu spät erkannten Sanierungs- und Anpassungsaufwands sowie verspäteter Nutzung

Das Finanzministerium berichtete dem Haushaltsausschuss, dass die notwendigen Sanierungs- und Anpassungskosten für die Verlagerung von Regalen sowie Maler- und Bodenverlegearbeiten 210.000 € betragen werden. Der ORH konnte aus den Akten nicht nachvollziehen, auf welcher Grundlage diese Kostenschätzung erfolgt ist.

Anstelle der veranschlagten 210.000 € sind bis 2011 mindestens 2,3 Mio. € Kosten z. B. für Brandschutzmaßnahmen, eine neue Heizungsanlage oder das Einziehen von Geschossdecken entstanden.

Des Weiteren hat der ORH festgestellt, dass die notwendigen Arbeiten wegen fehlender Mittel nicht zeitnah durchgeführt wurden und die Immobilie deshalb längere Zeit nur teilweise genutzt werden konnte. Erst Ende 2011 war das Objekt vollständig belegt. Dem Staat sind durch die Verzögerung zusätzliche Finanzierungs- und Bewirtschaftungskosten entstanden, die der ORH mit 1,8 Mio. € errechnet hat.

Nach Ansicht des ORH hätte die Zeit zwischen Angebot des Objekts und Abschluss des Kaufvertrags für eine gründliche Prüfung der Immobilie einschließlich Ermittlung des Sanierungs- und Anpassungsbedarfs ausgereicht. Gerade gebrauchte Immobilien sollten besonders sorgfältig auf Sanierungs- und Anpassungserfordernisse hin untersucht werden. Die hierfür ermittelten Kosten sind den Kosten des Erwerbs hinzuzurechnen und bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit zu berücksichtigen. Auch sollte sichergestellt sein, dass die dafür erforderlichen Haushaltsmittel zeitnah bereitstehen. Ansonsten entstehen unnötige Leerstände und damit vermeidbare Finanzierungs- und Bewirtschaftungskosten.


21.3.3 Fehlende Wirtschaftlichkeitsuntersuchung

Beim Kauf einer Immobilie handelt es sich um eine Maßnahme von erheblicher finanzieller Bedeutung. Zur Vorbereitung und Absicherung einer derartigen Entscheidung bedarf es gem. Art. 7 BayHO einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung, deren Ergebnis zu dokumentieren ist. Dabei sind Lösungsalternativen zu vergleichen.

Der ORH hat festgestellt, dass weder das Finanzministerium noch die IMBY Alternativlösungen - Anmietung, andere Kaufobjekte, staatlicher Neubau - in Erwägung gezogen oder gar geprüft haben. Demzufolge hat die IMBY auch keine methodisch anerkannten Vergleichsberechnungen angestellt, um die für den Staat wirtschaftlichste Variante zu finden. Der für eine Baukostenschätzung notwendige Raumbedarfsplan lag dem Finanzministerium nicht einmal vor.

Auch sonstige Kostenfaktoren, wie z. B. Transportkosten, Fahrzeiten oder zusätzliches Personal, hat die Verwaltung weder detailliert erhoben noch berücksichtigt.

Das Finanzministerium ist damit den Nachweis für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit nach Art. 7 BayHO schuldig geblieben, dass der Erwerb der Immobilie die wirtschaftlichste Lösung für den Staat darstellt.


21.3.4 Zusammenfassende Würdigung

Das Finanzministerium verstieß bei diesem Immobilienerwerb in mehrfacher Hinsicht gegen das Haushaltsrecht (Art. 7, 63 und VV Nr. 2.2 zu Art. 64 BayHO). Es beauftragte die IMBY mit dem Abschluss des Kaufvertrages, obwohl der Bedarf nicht detailliert nachgewiesen und das Objekt nicht ausreichend gründlich auf seinen Zustand und seine Eignung hin untersucht worden war. Dabei verzichtete es auf eine belastbare Schätzung der Sanierungs- und Anpassungskosten durch die OBB. Auch blieb es den Nachweis der Wirtschaftlichkeit schuldig.

Nach Auffassung des ORH lagen die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen für einen Erwerb damit nicht vor. Dabei hätte in den zweieinhalb Jahren zwischen Angebot und Kauf der Immobilie genügend Zeit für eine haushaltskonforme und sorgfältige Bearbeitung des Erwerbvorgangs zur Verfügung gestanden.

Die beteiligten staatlichen Stellen haben die finanziellen und wirtschaftlichen Interessen des Staates nur unzureichend verfolgt.


21.4 Empfehlungen des ORH

Der Kauf einer Immobilie stellt für den Staat i. d. R. eine Investition von erheblichem finanziellem Umfang dar. Erfahrungsgemäß ist bei gebrauchten Objekten neben dem Kaufpreis meist noch mit beträchtlichen Zusatzkosten zu rechnen.

Vor jeder Kaufentscheidung ist die Wirtschaftlichkeit durch Vergleiche zwischen den am Immobilienmarkt angebotenen Kaufobjekten, staatlichen Hochbaumaßnahmen und Anmietlösungen sorgfältig zu prüfen und das Ergebnis zu dokumentieren. Grundlage für eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung ist dabei eine, auch in qualitativer Hinsicht, exakte Festlegung des Raumbedarfs des künftigen Nutzers. Insbesondere bei gebrauchten Objekten muss dabei auch der zu erwartende Anpassungs- und Sanierungsaufwand gründlich baufachlich ermittelt und beziffert werden, ggf. auch mit einem Risiko-Zuschlag.


21.5 Stellungnahme der Verwaltung

Das Wissenschaftsministerium führt aus, die Staatstheater und die Theaterakademie hätten bereits in den Jahren vor Erwerb der Liegenschaft wiederholt Bedarf für zusätzliche Depotflächen angemeldet.

Das Finanzministerium merkt an, wegen der Besonderheit der vorgesehenen Nutzung sei die Aufstellung eines Raumbedarfsplans nicht möglich gewesen. Da es für derartige Sonderbauten keine Standards gegeben habe, habe es das Gesamtbelegungskonzept des Wissenschaftsministeriums nur auf Plausibilität prüfen können. Grundsätzlich seien bei gebrauchten Immobilien Unwägbarkeiten immanent und können nie ausgeschlossen werden. Die baufachliche Beurteilung hierüber obliege der Bauverwaltung, und diese habe keine Mängel festgestellt.

Die Verzögerung der Sanierungs- und Anpassungsmaßnahmen und in der Folge der teilweise Leerstand der Gebäude sei insofern unvermeidbar gewesen, als der Mittelbedarf zeitgerecht erst zum Nachtragshaushalt 2008 hätte angemeldet werden können.

Ansonsten seien die Empfehlungen des ORH hinsichtlich des Verfahrens bereits weitgehend umgesetzt. So würden detaillierte Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen durchgeführt, Raumbedarfspläne seien vorzulegen und die erforderlichen Maßnahmen im Vorfeld baufachlich zu ermitteln und die Kosten sachgerecht zu schätzen.

Die OBB weist darauf hin, dass sie den Gebäudezustand im Rahmen der Wertermittlung im üblichen Umfang geprüft habe. Die Aufgaben der Bauverwaltung seien allgemein auf die Betreuung staatlicher Liegenschaften beschränkt. Im vorliegenden Fall habe kein Auftrag zur näheren baufachlichen Untersuchung der Immobilie vorgelegen. Um den Sanierungs- und Anpassungsaufwand im Vorfeld des Erwerbs genauer zu ermitteln und zu beziffern, hätte es zudem weiterer Informationen über die konkrete künftige Nutzung bedurft.


21.6 Schlussbemerkung des ORH

Die Zuständigkeiten für das staatliche Flächenmanagement verteilen sich auf nutzende Behörde, IMBY und Bauverwaltung. Dies erfordert ein hohes Maß an Koordination und gegenseitiger Information. Die entscheidende Verantwortung liegt beim Finanzministerium, das die Vorlage an den Landtag erstellt.

Der ORH kann in den Stellungnahmen der Verwaltung lediglich den Versuch erkennen, von ihren Versäumnissen abzulenken. Weder war der Bedarf detailliert nachgewiesen noch war das Objekt ausreichend auf seine Eignung und den Zustand untersucht worden. Vor allem bleiben die Ministerien eine plausible Erklärung schuldig, warum sie den Erwerb der angebotenen Gebrauchtimmobilie offenbar als alternativlos angesehen haben.

 


[1] Art. 63 Abs. 1 und VV Nr. 2.2 zu Art. 64 BayHO.
[2] VV Nr. 2.1 zu Art. 64 BayHO.
[3] Art. 7 BayHO i. V. m. VV Nr. 2.2 zu Art. 64 BayHO.

 

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