Jahresbericht 2013

TNr. 29: Meteomast als Wahrzeichen: Große Baumaßnahme ohne Landtag

Innenansicht des Meteomastes

Für die Errichtung eines neuen meteorologischen Beobachtungsmasts auf dem Gelände der Technischen Universität München (TUM) sind die Kosten von anfangs geschätzten 850.000 € auf 6,1 Mio. € angewachsen. Das Budgetrecht des Landtags wurde verletzt.

Der ORH hat 2011 die Baumaßnahme zur Verlegung und Neuerrichtung des meteorologischen Beobachtungsmasts (Meteomast) auf dem Gelände der TUM geprüft.


29.1 Ausgangslage

Auf dem Gelände der TUM steht seit 1961 ein Meteomast zur Überwachung der meteorologischen Daten im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Forschungsreaktors. Er hat die Gestalt eines einfachen Stahlgittermasts, an dem die Messgeräte angebracht waren. Pläne für eine neue Bebauung der Flächen machten die Verlegung des Masts notwendig. Im Zuge dessen wurde der neue Meteomast auch als Wahrzeichen konzipiert und an einer anderen Stelle auf dem Universitätsgelände errichtet. Die Baumaßnahmen begannen im Sommer 2008, die Messstation ist seit September 2011 in Betrieb. Die Kosten für das Bauwerk belaufen sich auf insgesamt
6,1 Mio. €.

Neuer Meteomast                                                                                                                             Abbildung 7

TNr 29 Abb 7 623px RS1977


29.2 Prüfungsmaßstab

Im Hinblick auf die haushaltsrechtlichen Anforderungen werden die Hochbaumaßnahmen unterteilt in

  • große Baumaßnahmen, d. h. Bauvorhaben, deren Gesamtkosten mehr als 1 Mio. € im Einzelfall betragen, und
  • kleine Baumaßnahmen, deren Gesamtkosten 1 Mio. € nicht überschreiten.

Für die haushaltsrechtliche Einordnung sind die Gesamtkosten der Baumaßnahme ausschlaggebend,[1] unabhängig von der Herkunft der Mittel.

Große Baumaßnahmen sind einzeln zu veranschlagen und in die Anlage S (Sonderausweis der staatlichen Hochbaumaßnahmen) des Haushaltsplans aufzunehmen. Nach Art. 24 Abs. 1 BayHO dürfen Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen für Baumaßnahmen erst veranschlagt werden, wenn Pläne, Kostenermittlungen und Erläuterungen vorliegen, aus denen die Art der Ausführung, die Kosten der Baumaßnahme, des Grunderwerbs und der Einrichtungen sowie die vorgesehene Finanzierung und ein Zeitplan ersichtlich sind.

Kleine Baumaßnahmen mit Gesamtkosten zwischen 50.000 € und 1 Mio. € müssen dagegen nur in den Erläuterungen zum Haushaltsplan einzeln aufgenommen werden.[2] Sie werden nicht einzeln im Haushaltsplan veranschlagt und auch nicht einzeln vom Landtag mit dem Haushalt beschlossen. Auch Art. 24 Abs. 1 BayHO findet auf sie keine Anwendung.[3]

In jedem Fall müssen sich Baumaßnahmen gem. Art. 7 BayHO an den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit orientieren. Sie dürfen erst begonnen werden, wenn die Planung in den wesentlichen Teilen abgeschlossen ist.


29.3 Feststellungen

 


29.3.1 Kostenentwicklung

Zunächst hatte die Universität die Neuerrichtung eines dem alten vergleichbaren Masts an einer anderen Stelle geplant. Nach einer detaillierten Kostenschätzung vom Juli 2005 ergaben sich Kosten für einen Stahlmast mit Aufzug, Messgeräten und einem Beobachtungshaus von 742.423 €. Darin waren die geschätzten Abbruchkosten des bestehenden Masts von 30.000 € enthalten.

Im September 2005 gab das Universitäts-Bauamt die Kosten der Maßnahme pauschal mit 850.000 € an.

2006 gab die Universität ihre bisherige Planung des Masts auf und entschloss sich, den Mast gleichzeitig als "neues, markantes, weithin sichtbares Wahrzeichen des Wissenschaftscampus" zu verwenden. Es entstand im Sommer 2006 ein Entwurfskonzept für einen massiven, rd. 46 m hohen Turm mit einer geschlossenen Fassade und einer Stahlmastspitze. Sie erhöht den Turm auf rd. 62 m. Die Kostenschätzung eines beauftragten Architekturbüros vom 01.02.2007 ging nun von Baukosten von 1,9 Mio. € ohne Erschließungskosten aus.

Eine neuerliche Kostenberechnung vom 28.06.2007 bezifferte die Kosten für den Turm einschließlich Illuminierung und Messgeräten auf 2,7 Mio. €.

Der Vertrag mit dem Architekturbüro vom 04./05.06.2008 sah eine Kostenobergrenze von 2 Mio. € vor, die aufgrund der sich bereits abzeichnenden Kostensteigerung später auf 2,8 Mio. € angehoben wurde.

Die vorläufige Kostenfeststellung vom 25.05.2011 ergab demgegenüber Kosten für den Turm einschließlich Illuminierung von 6,1 Mio. €. Hinzu kommen noch weitere Kosten für die Messgeräte, kleinere Erdarbeiten sowie Abbruch und Entsorgung des alten Meteomasts.

Die Universität stufte das Vorhaben als kleine Baumaßnahme ein und übertrug es lt. Protokoll vom 29.03.2007 dem Bauamt. Das Vorhaben wurde weder als kleine Baumaßnahme in die Erläuterungen zum Haushaltsplan noch als große Baumaßnahme in die Anlage S zum Haushaltsplan aufgenommen.


29.3.2 Bauliche Folgen der Konzeptänderung

Durch die Bauweise als geschlossener Turm wurde ein weitgehend ungenutzter umbauter Raum von 2.341 m³ geschaffen. Genutzt werden nur der Fahrkorbschacht mit rd. 390 m³ und eine Messbox mit rd. 75 m³.

Viele Bauteile sind aufwendige Sonderanfertigungen, wie z. B. die Acrylglasfassade und die LED-Beleuchtung, die neben den aktuellen Wetterdaten auch das Universitätslogo anzeigt. Wegen der Elektroinstallationen zur Illumination des Turms wurde die atomrechtliche Auflage gemacht, eine zweite Hauptstromversorgung zusätzlich zur Versorgung der Messgeräte anzulegen.

Die Ummantelung des Turms erforderte außerdem Änderungen für die Messvorrichtungen. Im oberen Bereich des Turms mussten acht anstatt vier horizontale 5 m lange Messausleger installiert werden. Eine 16 Meter hohe Stahlspitze wurde zusätzlich erforderlich, um einen Messpunkt außerhalb der Luftverwirbelungen anbringen zu können.

Im unteren Bereich wurden acht weitere horizontale Messausleger in 5 und 10 m Höhe angebracht, die jedoch nicht verwendet werden konnten. Die hier zunächst vorgesehenen Messgeräte wurden an einem zusätzlichen zweiten Mast in geringer Entfernung vom Turm installiert.

Sockel des Meteomasts mit kleinem Mast                                                                                  Abbildung 8
im Hintergrund (Pfeil)

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Die Fugen zwischen den Fassadenplatten der Ummantelung waren - der Planung gemäß - für eine natürliche thermische Durchlüftung geöffnet. Nachträglich mussten die Fugen allerdings verschlossen werden, um das Eindringen von Regenwasser und Kleintieren mit daraus resultierender Verschmutzung zu verhindern. Dadurch entstanden Mehrkosten von über 100.000 €. Ob sich die Ausführung bewähren wird, ist derzeit noch offen.

Der Ausführungszeitraum sollte gemäß Ausschreibung vom 16.06. bis zum 10.10.2008, also gerade vier Monate betragen. Tatsächlich wurden die Fassadenarbeiten erst im Laufe des Jahres 2009 in ihren wesentlichen Teilen fertiggestellt. Restarbeiten erfolgten 2011 und waren zum Zeitpunkt der Prüfung (Ende November 2011) noch nicht abgeschlossen. Die ausführende Firma hatte 54 Nachträge eingereicht. In der Folge wurden 25 Nachtragsaufträge erteilt.

Allein für die Fassadenarbeiten waren die Kosten vor der Ausschreibung vom Architekturbüro auf 1,2 Mio. € geschätzt worden. Das Angebot des späteren Auftragnehmers belief sich auf 1,6 Mio. €. Die vorläufige Abrechnungssumme Ende November 2011 betrug 2,7 Mio. €. Das sind rd. 70 % mehr als die Auftragssumme und 125 % mehr als die Schätzkosten für die Fassade.


29.4 Würdigung des ORH


29.4.1 Fehlende haushaltsrechtliche Genehmigung der Baumaßnahme

Die Baumaßnahme wurde ohne haushaltsrechtliche Genehmigung geplant und ausgeführt. Spätestens Anfang 2007 war der Universität, dem Wissenschaftsministerium, dem Bauamt und der OBB bekannt, dass die Kosten die Obergrenze von 1 Mio. € für kleine Baumaßnahmen überschreiten würden. Ab diesem Zeitpunkt hätte das Vorhaben als große Baumaßnahme behandelt werden müssen. Die haushaltsrechtlichen Vorgaben bei Hochbaumaßnahmen wurden jedoch nicht eingehalten und das Budgetrecht des Landtags missachtet.[4]


29.4.2 Verstoß gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit

Die Universität hat den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit missachtet. Mit der zusätzlichen Funktion des Meteomasts als Wahrzeichen hat sich die Planung nicht mehr an dem tatsächlichen Bedarf ausgerichtet. Diese wesentlich umfangreichere Bauausführung hat die Kosten der Maßnahme gegenüber der Ausgangsplanung um 5 Mio. € erhöht.

Für die eigentliche Nutzung als Messstation ist die zusätzliche Funktion als Wahrzeichen sogar nachteilig. Der bauliche Aufwand für die Platzierung und die Anzahl der Messgeräte hat sich enorm erhöht. Wünschenswerte Synergieeffekte der beiden Nutzungen - Messstation und Wahrzeichen - sind nicht erkennbar.

Einen weiteren Grund für die Kostensteigerung sieht der ORH in einer nicht ausgereiften Planung vor Ausschreibung und Beginn der Arbeiten. Nur so ist erklärlich, dass allein bei dem Auftrag für die Fassade 54 Nachträge vorgelegt wurden.

Der ORH fordert deshalb, bei der Konzeptionierung und Planung von Baumaßnahmen auf die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu achten und, wie in den Richtlinien für die Durchführung von Hochbaumaßnahmen (RLBau) vorgesehen, Baumaßnahmen erst zu beginnen, wenn die Planung in den wesentlichen Teilen abgeschlossen ist.


29.5 Stellungnahme der Verwaltung

Die OBB erklärt, sie habe nur im bauaufsichtlichen Verfahren für die Konstruktion der Außenfassade die Zulassung im Einzelfall geprüft und trage für das haushaltsrechtliche Verfahren keine Verantwortung.

Auch das Wissenschaftsministerium erklärt, in das Vorhaben - entsprechend dem für kleine Baumaßnahmen der Hochschulen vorgesehenen Verfahren - nicht eingebunden gewesen zu sein. Es stimmt dem ORH darin zu, dass die Maßnahme als große Baumaßnahme hätte behandelt werden müssen. Das Ministerium habe die Universität bereits angewiesen, künftig die vorgeschriebenen Verfahren einzuhalten.

Die Universität teilt in ihrer mit der Bauverwaltung abgestimmten Stellungnahme mit, dass u. a. aufgrund eines erheblichen Zeitdrucks für die Fertigstellung des Vorhabens entschieden worden sei, das Vorhaben auch nach der Konzeptänderung als kleine Baumaßnahme ohne Zeitverlust zu verwirklichen. Unabhängig davon versichert die Universität, künftig die vorgeschriebenen Verfahren einzuhalten und das Budgetrecht des Landtags zu beachten.

Die später eingetretenen Kostensteigerungen seien nicht vorhersehbar gewesen. Festzuhalten sei aber, dass nur 1 Mio. € aus Haushaltsmitteln verwendet worden sei. Die darüber hinausgehenden Ausgaben seien aus "frei" verfügbaren Drittmitteln der Universität finanziert worden.

Das Bauamt räumt ein, dass Einsparungen in Teilbereichen zwar möglich gewesen wären, die Vorgabe des Bauherrn, hier ein Wahrzeichen zu errichten, dies aber nicht zugelassen habe.


29.6 Abschließende Bemerkung des ORH

Der ORH stellt fest, dass das Vorhaben entgegen haushaltsrechtlichen Bestimmungen durchgeführt wurde. Auch Drittmittel sind wie staatliche Mittel zu bewirtschaften[5] und ändern an der Einordnung als große Baumaßnahme nichts. Der ORH fordert, künftig die vorgeschriebenen Verfahren einzuhalten und erst dann mit dem Bau zu beginnen, wenn Planungssicherheit gegeben ist. Unabhängig von den Baukosten werden durch die künftige Unterhaltung und durch den Betrieb des Bauwerks staatliche Haushaltsmittel benötigt. Der ORH fordert, dass das Budgetrecht des Landtags beachtet wird.

Die OBB kann sich von der Verantwortung nicht gänzlich freizeichnen. Sie wusste spätestens seit 2007 von der Neukonzeption des Bauwerks und hat zur Konstruktion der Außenfassade die technische Zustimmung im Einzelfall erteilt.

Das Wissenschaftsministerium ist aufgefordert, seiner Aufsichtspflicht nachzukommen und künftig sicherzustellen, dass die Universitäten kostenbewusst handeln.

 


[1]VV Nr. 1.2 zu Art. 24 BayHO, Nr. 15.2.1 der Haushaltsaufstellungsrichtlinien (HaR).
[2] Nr. 15.1.2 HaR.
[3] VV Nr. 1.3 zu Art. 24 BayHO.
[4] Siehe dazu auch TNr. 20.
[5] Art. 5 Abs. 1 Bayerisches Hochschulgesetz.

 

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