TNr. 31: Studenten- und Prüfungsverwaltung bei den Fachhochschulen: Nebeneinander von IT-Systemen

Die Fachhochschulen setzen immer noch unterschiedliche IT-
Lösungen für die Studenten- und Prüfungsverwaltung ein. Dies ist unwirtschaftlich.
Das Wissenschaftsministerium muss den IT-Einsatz bei den Verwaltungen der Fachhochschulen steuern.
Der ORH hatte 1999 den IT-Einsatz bei den Fachhochschulen[1] geprüft und damals bemängelt, dass die Fachhochschulen für die Studenten- und Prüfungsverwaltung unterschiedliche IT-Verfahren einsetzen.[2] Ende 2004 hatte das Wissenschaftsministerium dem Landtag[3] berichtet, dass die Fachhochschulen seine Forderung nach einer Vereinheitlichung der IT-Verfahren nunmehr erfüllen.
Der ORH und das Staatliche Rechnungsprüfungsamt Regensburg haben 2011 erneut den IT-Einsatz für die Studenten- und Prüfungsverwaltung geprüft. Örtliche Erhebungen wurden beim Wissenschaftsministerium und bei 8 Fachhochschulen durchgeführt.
31.1 Ausgangslage
Die Studenten- und Prüfungsverwaltung ist nach dem Bayerischen Hochschulgesetz eine staatliche Aufgabe. Für diesen arbeitsintensiven Bereich bedarf es effizienter IT-Verfahren. Bei den Fachhochschulen hat sich vom Wintersemester 1999/2000 bis zum Wintersemester 2011/12 die Studentenzahl von 50.000 auf mehr als 90.000 fast verdoppelt.
Den Fachhochschulen stehen für die Studenten- und Prüfungsverwaltung zwei Systeme zur Verfügung:
- Das Verfahren PRIMUSS wurde Anfang der 90er-Jahre von der Fachhochschule München entwickelt und in der Folgezeit weiteren Fachhochschulen unentgeltlich zur Verfügung gestellt.
- Das System HIS-GX wurde von der HIS GmbH entwickelt, einem gemeinnützigen Unternehmen des Bundes und der Länder zur Unterstützung der Hochschulen und der zuständigen Verwaltungen. Der finanzielle Anteil des Freistaates lag 2011 bei 910.000 €. Die Hochschulen müssen keine Lizenzgebühren bezahlen, aber vertragliche Unterstützungsleistungen der HIS GmbH in Anspruch nehmen und entsprechende Supportentgelte entrichten.
31.2 Feststellungen
31.2.1 Eingesetzte Verfahren
Der IT-Einsatz bei der Studenten- und Prüfungsverwaltung stellt sich wie folgt dar:
- Das Verfahren PRIMUSS nutzen 4 staatliche Fachhochschulen in vollem Umfang.[4] Sie haben es technologisch modernisiert und einen zentralen Betrieb für alle beteiligten Hochschulen realisiert. Die Fachhochschule München hatte zwar das Verfahren entwickelt, ist aber 2007 aus dem PRIMUSS-Verbund ausgetreten; sie verwendet seither das auf dem damaligen Stand eingefrorene Verfahren weiter.
- Das System HIS-GX setzen 12 Fachhochschulen[5] ein, im Jahr 2010 in drei verschiedenen Programmversionen. Obwohl das HIS-GX System für alle Bereiche der Studenten- und Prüfungsverwaltung entsprechende Module zur Verfügung stellt, nutzen die Fachhochschulen die Funktionalitäten in unterschiedlichem Umfang. Sie ergänzen das System durch individuell und selbst entwickelte Module. So gab es größere Eigenentwicklungen an den Fachhochschulen Nürnberg und Würzburg Schweinfurt. 3 Fachhochschulen setzen das Bewerbermodul aus dem PRIMUSS-Verfahren ein.[6] 11 Fachhochschulen betreiben das Verfahren dezentral, jeweils im eigenen Rechenzentrum. Die Fachhochschule Aschaffenburg lässt HIS-GX zentral von der HIS GmbH bereitstellen.
Somit setzen die Fachhochschulen neben den zwei Basissystemen unterschiedliche Verfahren ein.
31.2.2 Einführung von Campus-Management-Systemen
Seit Jahren werden Campus-Management-Systeme entwickelt, die über die Studenten- und Prüfungsverwaltung hinaus alle relevanten Prozesse und Dienstleistungen für Studium und Lehre integrieren sollen. Zur Einführung von zwei dieser Systeme hat der ORH Folgendes festgestellt:
- Die HIS GmbH wird das System HIS-GX 2014 auslaufen lassen. Im Rahmen des Innovationsbündnisses 2013 schloss deshalb das Wissenschaftsministerium 2009 mit der Fachhochschule Regensburg eine Zielvereinbarung zur Einführung des Nachfolgeprodukts HISinOne und stellte dafür Haushaltsmittel in Höhe von 680.000 € bereit. 5 weitere Fachhochschulen[7] haben dieses Pilotvorhaben nicht abgewartet und parallel dazu eigene Einführungsprojekte gestartet, bei denen ebenfalls entsprechende Projektkosten anfallen werden.
- Die Fachhochschule München wollte CAMPUSonline, das von einer österreichischen Hochschule entwickelt wurde, einsetzen. Die Entscheidung fiel ohne Öffentliche Ausschreibung, obwohl sie den Auftragswert auf mindestens 1,5 Mio. € schätzte. Das Einführungsprojekt wurde nach dreijähriger Laufzeit im Frühjahr 2011 gestoppt. Nach Feststellung der Fachhochschule ist das System derzeit nicht für den Fachhochschulbetrieb geeignet. Es bedarf erst noch Prozessanalysen und Organisationsanpassungen. Parallel zu diesem Vorhaben betrieb die Fachhochschule München das PRIMUSS-Verfahren auf dem Stand von 2007 weiter.
Eine wirksame Steuerung durch das Wissenschaftsministerium war nicht festzustellen.
31.2.3 Kosten
- PRIMUSS-Verfahren: Für die Entwicklung und den zentralen Betrieb sind knapp 6 VZK im Einsatz. Die Personalkosten belaufen sich für die 4 staatlichen Fachhochschulen auf insgesamt jährlich 430.000 €.
- Für den Einsatz der früheren PRIMUSS-Version sind bei der Fachhochschule München außerdem Kosten in Höhe von jährlich 275.000 € angefallen.
- HIS-Systeme: Die Kosten für die HIS-Systeme liegen jährlich bei 2 Mio. €. Insgesamt sind bei den 12 Fachhochschulen knapp 22 VZK beschäftigt (inkl. Eigenentwicklungen und Einführungsprojekte HISinOne), die jährlichen Personalkosten belaufen sich auf fast 1,7 Mio. €. Die Supportkosten an die HIS GmbH betrugen 2011 226.000 €.
Der Umstieg von HIS-GX auf HISinOne wird den Personalaufwand erhöhen und Beratungskosten verursachen; die laufenden Supportkosten für HISinOne werden sich gegenüber HIS-GX nahezu verdoppeln. Bis 2011 fielen allein bei der Fachhochschule Regensburg 375.000 € an Projektkosten an. Für die Einführung von HISinOne werden an jeder Fachhochschule Personalkosten für etwa 2 VZK nötig seien; zusätzlich muss jede Hochschule verbindlich 80 Beratertage von der HIS GmbH abnehmen. Allein diese Beratungskosten für den Umstieg belaufen sich bei den sechs derzeit pilotierenden Fachhochschulen auf mindestens 370.000 € (Tagessatz Stand März 2010: 648 € zuzüglich Umsatzsteuer).
- CAMPUSonline: Bis zum Stopp des Einführungsprojektes fielen bei der Fachhochschule München Personalkosten für 3 VZK in Höhe von 630.000 € an. Die Kosten für Hard- und Softwarebeschaffung und die im Vertrag mit der österreichischen Hochschule vereinbarten Leistungen betrugen 1,3 Mio. €.
31.3 Wertung durch den ORH
Der ORH bemängelt den heterogenen IT-Einsatz bei den Fachhochschulen. Dem Wissenschaftsministerium ist es nicht gelungen, die verschiedenen Eigenentwicklungen der Fachhochschulen zu koordinieren. Dies gilt insbesondere für die Fachhochschule München und für den Wechsel zu HISinOne. Die parallelen und unkoordinierten Einführungsprojekte bei 6 Fachhochschulen verursachen einen vermeidbaren und unwirtschaftlichen Mehraufwand. Gleiches gilt für die parallelen Zusatzentwicklungen einiger Fachhochschulen neben dem Einsatz von HIS-GX.
Eine Konsolidierung, wie vom Landtag[8] beschlossen, wurde bis heute nicht erreicht. Der ORH fordert eine Steuerung durch das Wissenschaftsministerium.
31.4 Stellungnahme der Verwaltung
Das Wissenschaftsministerium betont, die Fachhochschulen hätten die IT-Verfahren für die Studenten- und Prüfungsverwaltung so, wie vom Landtag gefordert, konsolidiert. Gegenwärtig seien ausschließlich die beiden Basissysteme im Einsatz, über die das Ministerium 2004 dem Landtag berichtet habe. Unterschiede ergäben sich ausschließlich aus funktionalen Erweiterungen der Basissysteme, die jeweils lokale Anforderungen erfüllten.
Bei der Einführung des Campus-Management-Systems HISinOne würden sich die 5 weiteren Fachhochschulen eng mit der Fachhochschule Regensburg abstimmen. Von unkoordinierten Einführungsprojekten könne daher keine Rede sein.
Dem Wissenschaftsministerium zufolge sieht sich der Hochschulbetrieb stark verändernden Bedingungen ausgesetzt; daher bestehe Bedarf für rasche Veränderungen. Die statische Vereinheitlichung der DV-Verfahren dürfe nicht die sich dynamisch ändernden Abläufe an den Hochschulen behindern.
Die Studenten- und Prüfungsverwaltung sei zwar grundsätzlich eine staatliche Aufgabe, hänge jedoch mit der Gestaltung der Studiengänge zusammen. Die konkrete Ausgestaltung der Studiengänge gehöre zum Kernbereich der Hochschulautonomie. Die daraus erwachsende, höchst unterschiedliche und differenzierte Ausgestaltung des Prüfungsgeschehens in den einzelnen Studiengängen führe zu unterschiedlich gestalteten Verwaltungsprozessen. Diese würden sich in den beiden IT-Verfahren der Hochschulen jeweils unterschiedlich ausprägen.
Der Ministerrat habe mit seinem Beschluss vom 19.01.2011 die Hochschulen im Hinblick auf die ihnen zustehende Autonomie weitgehend aus der Bindung an die IuK-Landesstrategie entlassen. Gleichwohl erscheine es aufgrund der vielfältigen Wechselbeziehungen zwischen Studenten- und Prüfungsverwaltung sinnvoll, einheitliche IT-Systeme zu implementieren und zu betreiben. Synergien können durch aufgabenorientierte und reaktionsschnelle Kooperationsverbünde der Hochschulen entstehen. Bei den weiteren Überlegungen seien auch die Konsequenzen absehbarer Entwicklungen einzubeziehen.
31.5 Schlussbemerkung und Empfehlungen des ORH
Die Studenten- und Prüfungsverwaltung ist nach dem Bayerischen Hochschulgesetz eine staatliche Aufgabe. Die Zurückhaltung des Wissenschaftsministeriums, den IT-Einsatz der Fachhochschulen stärker zu koordinieren, kann nicht mit dem Hinweis auf die Hochschulautonomie entschuldigt werden. Für die Verwaltung von Hochschulprüfungen fallen unabhängig von den Studiengängen und deren Ausgestaltung im Wesentlichen gleiche Aufgaben an, die sich auf gleicher IT-Basis bewältigen lassen. So müssen in jedem Fall die Kandidaten, deren Anmeldung, Studiengang, Fach und Art der Prüfung, die Prüfungsdaten, die Prüfungsergebnisse sowie deren Bekanntgabe an die Kandidaten dokumentiert werden.
Auf der Grundlage von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen, die auch auf dem Markt befindliche Systeme berücksichtigen, muss das Wissenschaftsministerium Sorge tragen, dass möglichst ein einheitliches System zum Einsatz kommt.
[1] Zur besseren Lesbarkeit werden die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften bzw. Universities of Applied Sciences als Fachhochschulen bezeichnet.
[2] ORH-Bericht 1999 TNr. 26.
[3] Beschluss des Landtags vom 21.03.2000 (LT-Drucksache 14/3205).
[4] Amberg-Weiden, Coburg, Hof und Ingolstadt.
[5] Ansbach, Aschaffenburg, Augsburg, Deggendorf, Kempten, Landshut, Nürnberg, Neu-Ulm, Regensburg, Rosenheim, Weihenstephan-Triesdorf und Würzburg-Schweinfurt.
[6] Regensburg, Weihenstephan-Triesdorf und Würzburg-Schweinfurt.
[7] Kempten, Landshut, Neu-Ulm, Rosenheim und Weihenstephan-Triesdorf.
[8] Beschluss des Landtags vom 21.03.2000 (LT-Drucksache 14/3205).
ÄHNLICHE BEITRÄGE
- Akkreditierung von Studiengängen - Gütesiegel und Geschäftsmodel?
- Unwirtschaftlicher Mehrfachbetrieb der E-Mail-Systeme
- IuK-Einsatz in der Justiz
- IuK-Einsatz bei der Personalverwaltung
- IuK-Einsatz in der Schulverwaltung
- IuK-Einsatz in der Forstverwaltung
- Studentenzahl- und Stellenentwicklung an "alten" Fachhochschulen
- Beschaffung von Informations- und Kommunikationstechnik