Jahresbericht 2013

TNr. 28: Klimaschutz: Defizite bei der Renaturierung von Mooren

Moorlandschaft im Nebel mit Holzsteg

Die Mittel für Moorrenaturierungen aus dem Klimaprogramm Bayern (KLIP) 2020 wurden ohne Schwerpunktsetzung, ohne Koordinierung und überwiegend für Grunderwerb eingesetzt. Staatliche Moorflächen wurden nicht ausreichend einbezogen. Mit den Mitteln hätte deutlich mehr für den Klimaschutz erreicht werden können.

Der ORH hat 2011 und 2012 zusammen mit dem Staatlichen Rechnungsprüfungsamt Ansbach beim Umweltministerium und den Regierungen 20 Maßnahmen zur Renaturierung von Mooren geprüft. Neben der ordnungsgemäßen Abwicklung der Maßnahmen wurde untersucht, inwieweit ein wirtschaftlicher Einsatz der Mittel aus KLIP 2020 erfolgte.


28.1 Ausgangslage

2007 hat die Staatsregierung das KLIP 2020 beschlossen. Ziele sind die Minderung von Treibhausgasen, die Anpassung an den Klimawandel und die Förderung von Forschung und Entwicklung zum Klimawandel. Als Teil des KLIP sind unter dem Thema "Anpassung an den Klimawandel" als Maßnahme "Vorkehrungen zum Erhalt natürlicher Kohlenstoffsenken" genannt. Hierzu zählt auch die Renaturierung von Mooren. Durch diese Maßnahmen soll in erster Linie CO2 in Mooren gebunden werden.

In Bayern gibt es nach Angaben des Landesamtes für Umwelt eine Gesamtfläche mooriger Böden von rd. 220.000 ha.[1] In Mooren werden erhebliche Mengen Kohlenstoff in Form von abgestorbenem Pflanzenmaterial gespeichert (Kohlenstoffsenke). Werden moorige Böden entwässert, zersetzen sich die bisher konservierten Pflanzenreste. Dadurch werden erhebliche Mengen an Kohlendioxid und andere klimaschädliche Gase freigesetzt.[2]

Im KLIP 2020 wurden 2008 bis 2011 8,8 Mio. € für staatliche und nicht staatliche Maßnahmen der Moorrenaturierung bereitgestellt.

In diesen Jahren sind hierfür nach Angaben des Umweltministeriums insgesamt 8,6 Mio. € an staatlichen Mitteln aufgewendet worden. Landkreise und Verbände erhielten Zuwendungen für Grunderwerb sowie Planungs- und Umsetzungsmaßnahmen (Fördersatz 90 %). Es wurden bis 2011 in fünf Regierungsbezirken 325 ha Moorfläche klimaschutzorientiert renaturiert. In zwei Regierungsbezirken wurden keine Maßnahmen durchgeführt.

Im Nachtragshaushalt 2012 wurden weitere 2,5 Mio. € bereitgestellt (Kap. 12 04 TG 72). Im Doppelhaushalt 2013/2014 sind erneut Mittel vorgesehen.


28.2 Feststellungen und Würdigung des ORH


28.2.1 Förderziele nicht konkretisiert

Zum Thema Moorrenaturierung wurden im KLIP 2020 zwei Ziele formuliert:

  • Vorrangige Renaturierung von 50 Mooren bis 2020 aus dem Bayerischen Moorentwicklungskonzept.

    Die Zielvorgabe, eine bestimmte Anzahl von Mooren zu renaturieren, ist ungeeignet. Nicht die Zahl der Moore ist für die Einsparung von CO2-Emissionen relevant, sondern Flächengröße und Zustand.

  • Förderung einer klimafreundlichen, landwirtschaftlichen Nutzung von Niedermooren einschließlich der Rückumwandlung von Ackerflächen in wiedervernässtes Grünland.[3]

    Es fehlen Handlungsanleitungen oder verifizierbare Zielparameter für die Förderung einer klimafreundlichen landwirtschaftlichen Nutzung, um die CO2-Einsparung quantifizieren zu können. Diese Quantifizierung ist notwendig, um einen zielgenauen und wirtschaftlichen Einsatz der Mittel erreichen zu können. Auch eine Zielkontrolle erfordert konkrete sachgerechte Bewertungskriterien.

    Aus dem KLIP 2020 ist eine Förderung klimafreundlicher landwirtschaftlicher Nutzung von Niedermoorstandorten bisher nicht erfolgt.

Der ORH empfiehlt, künftig geeignete und messbare Förderziele zu formulieren und diese auch umzusetzen.


28.2.2 Uneinheitliches Förderverfahren und wenig effizienter Mitteleinsatz

  • Keine Richtlinien

    Das Umweltministerium hat für das Programm keine Förderrichtlinien oder Vollzugshinweise erlassen. Die verwaltungsmäßige Umsetzung durch die Regierungen erfolgte uneinheitlich, die Förderfähigkeit einzelner Kosten wurde ohne sachlichen Differenzierungsgrund unterschiedlich bewertet. Dies betraf beispielsweise die Höhe der Personalkosten und die Grunderwerbsteuer.

    Hinweise der obersten Dienstbehörde für den Fördervollzug hätten die Arbeit für die Regierungen erheblich vereinfacht.

    Das Umweltministerium sollte künftig durch Förderrichtlinien oder Vollzugshinweise die einheitliche Umsetzung der Fördermaßnahmen sicherstellen.
  • Mangelnde Priorisierung und fehlende Effizienzbetrachtung

    Das KLIP 2020 verweist für die Auswahl der Maßnahmen auf das Moorentwicklungskonzept 2003. Zu Beginn des Programms wurden die Maßnahmen hinsichtlich Wirksamkeit und Kosten nicht priorisiert. Es ist nicht untersucht worden, welcher Teil der gesamten Moorfläche Bayerns renaturierungsbedürftig ist und welchen quantitativen Beitrag die Renaturierung der einzelnen Moore für den Erhalt der Kohlenstoffsenken leistet. Nach Auffassung des ORH ist das Moorentwicklungskonzept dafür keine ausreichende Grundlage, weil es eine rein naturschutzfachliche Betrachtung der Moore darstellt. Fragen der CO2-Einsparung spielen hier keine Rolle.

    Wissenschaftliche Untersuchungen zum CO2-Einsparpotenzial von Moorrenaturierungen sind erst parallel mit den Renaturierungsmaßnahmen im Zuge der Begleitforschung durchgeführt worden. Es wurde bei den einzelnen Maßnahmen nicht berechnet, verglichen und bewertet, was die Vermeidung eines Kilogramms CO2kostet.

    Der ORH empfiehlt, künftig bei der Renaturierung von Mooren den Zielparameter "CO2-Vermeidung" zu quantifizieren, zu den Kosten in Beziehung zu setzen und eine Rangfolge der Maßnahmen festzulegen. Dadurch ließe sich die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel für einen positiven Klimaeffekt erhöhen.

  • Staatliche Flächen nicht einbezogen

    2008 bis 2011 wurden in ganz Bayern von den programmbezogenen Mitteln 5,2 Mio. € für Grunderwerb, 0,4 Mio. € für Planung und 1,7 Mio. € für Umsetzungsmaßnahmen ausgereicht. Auf den Grunderwerb entfielen damit mehr als 70 % der insgesamt aufgewendeten Mittel. Laut einer Auswertung für Oberbayern waren Grunderwerbe dort im Mittel pro Hektar etwa 50 % teurer als Planungs- und Umsetzungsmaßnahmen zusammen.

    Staatliche Flächen wurden nicht systematisch auf Moore und ggf. auf Renaturierungspotenziale hin überprüft. Dies gilt für die Flächen aller Ressorts. Sie wurden nicht in geeigneter Weise in das KLIP 2020 einbezogen.

    Nach Auffassung des ORH wäre es notwendig gewesen, alle Moorflächen im Eigentum des Freistaates zu erfassen und auf ihr Renaturierungspotenzial hin zu untersuchen. Beispielsweise hätten mit den in Oberbayern allein für den Grunderwerb ausgereichten Mitteln etwa 500 ha staatliche Moorfläche renaturiert werden können. Damit hätten höhere CO2-Einsparungen schneller erzielt werden können.

  • Mangelnde Koordinierung

    Moore auf staatlichen Flächen in Bayern werden auch von anderen Ressorts verwaltet, ohne dass deren Bewirtschaftung unter Klimaschutzaspekten koordiniert wird.

Beispiele:

    • Die Bayerischen Staatsforsten (Anstalt des öffentlichen Rechts) bewirtschaften große Flächen mooriger Böden. Beispielsweise gibt es naturschutzfachlich motivierte Renaturierungsbestrebungen im Bereich desManteler Forstes. Im Rahmen eines "Runden Tisches" werden geplante Renaturierungsmaßnahmen der Staatsforsten mit der Forst- und Umweltverwaltung diskutiert.

    • Die JVA Bernau bewirtschaftet in den südlichen Chiemseemooren in einem ökologisch außerordentlich sensiblen Bereich auf einem erheblichen Teil ihrer landwirtschaftlichen Fläche Moorböden. Auf einem Teil der Flächen sind Renaturierungsmaßnahmen geplant. Andere Teilflächen werden derzeit für Zwecke der JVA landwirtschaftlich genutzt. Das Staatliche Rechnungsprüfungsamt Ansbach hatte bereits 2009 angeregt, diese Nutzung unter Naturschutz- und Klimaschutzgründen zu überprüfen.


Der ORH vertritt die Auffassung, dass Renaturierungsmaßnahmen ressortübergreifend abgestimmt und über den bestehenden "Runden Tisch" hinaus koordiniert werden müssen. Der Staat hat eine besondere Vorbildfunktion bei der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen. Durch eine Koordinierung könnte eine höhere CO2-Einsparung auch mit einem geringeren Mitteleinsatz erreicht und ggf. erst transparent gemacht werden.


28.3 Stellungnahme der Verwaltung

Das Umweltministerium führt aus, dass die im Rahmen der Landschaftspflege zur Verfügung stehenden Mittel bisher nicht ausgereicht hätten, um Moorrenaturierungen im klimarelevanten Maßstab durchzuführen. Deshalb seien im KLIP 2020 für 2008 bis 2011 dafür Mittel bereitgestellt worden. Die Verwaltung habe trotz der kurzen Laufzeit des KLIP 2020 vor der Herausforderung gestanden, eine rasche und effiziente Umsetzung zu gewährleisten. Die fachliche Schwerpunktsetzung sei anhand der Prioritätenlisten im Moorentwicklungskonzept 2003 sowie der Karten "Ziele und Maßnahmen" für die Lebensraumtypen "Feuchtgebiete" und "Wald" im Arten- und Biotopschutzprogramm erfolgt. Neben der fachlichen Priorisierung seien auch Gesichtspunkte wie die rasche Verfügbarkeit der Flächen und die Umsetzbarkeit der Maßnahmen berücksichtigt worden.

Zum einheitlichen Vollzug sei eine Koordinationsstelle und eine Koordinierungs- und Steuerungsgruppe eingerichtet worden. Zur Einbeziehung staatlicher Flächen stehe diese Koordinationsstelle mit der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft, einzelnen Staatsgütern und den Bayerischen Staatsforsten in Kontakt. Mit Maßnahmen auf staatlichen Flächen sei auch begonnen worden.

Die Moorrenaturierungen würden mit Mitteln aus den jeweiligen Einzelplänen fortgeführt; Vollzugshinweise würden vorbereitet.

Das Justizministerium legt dar, dass die untersuchten und für eine Wiedervernässung geeigneten Flächen der JVA Bernau einer Renaturierung zugeführt würden, soweit sie nicht langfristig verpachtet seien. Weitere Flächen, die nicht untersucht wurden, seien für vollzugliche Belange, insbesondere für die Beschäftigung von Gefangenen und zum Betrieb der Biogasanlage unverzichtbar.

Das Landwirtschaftsministerium teilt mit, dass in den Wäldern erhebliche Moorflächen lägen, die durch Entwässerung und früheren Torfabbau beeinträchtigt seien. Im Rahmen der verfügbaren Mittel erfolgten seit einigen Jahren im Staatswald sukzessive Renaturierungsmaßnahmen. Zur Vorbereitung einer mittelfristigen, abgestimmten Renaturierungsinitiative würden derzeit gemeinsam mit den Bayerischen Staatsforsten und wissenschaftlichen Einrichtungen fachliche Grundlagen erhoben.


28.4 Schlussbemerkung des ORH

Wenn die Renaturierung von Mooren weiterhin einen Beitrag zur CO2-Einsparung leisten soll, müssen nach Auffassung des ORH die Maßnahmen stärker an diesem Ziel ausgerichtet werden.

Programme und Maßnahmen zur Moorrenaturierung müssen wegen deren Komplexität und der notwendigen Abstimmungen langfristig angelegt werden. Moore auf staatlichen Flächen sollten systematisch erfasst werden; geeignete Flächen sollten grundsätzlich Vorrang haben vor dem Erwerb von privaten Flächen. Maßnahmen sollten ressortübergreifend koordiniert werden.

 


[1] Flächenstatistik der Moorübersichtskarte, Stand 2011.
[2] Positionspapier des Landesamtes für Umwelt - Potenziale und Ziele zum Moor- und Klimaschutz: 6,5 bis 8 % der durch den Menschen verursachten Treibhausgase.
[3] Intensive landwirtschaftliche Nutzung findet i. d. R. nur in Niedermooren statt.

 

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