Beratende Äußerung U-Bahn Martinsried

Vorblatt
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1 Zusammenfassung

Anlass der Beratenden Äußerung

Der ORH prüfte 2021 und 2023 die Betätigung des Freistaates Bayern als Alleingesellschafter bei der U-Bahn Martinsried Projektmanagement Verwaltungs GmbH sowie als Mehrheitsgesellschafter bei der U-Bahn Martinsried Projektmanagement GmbH & Co. KG. Schwerpunkte der Prüfungen des ORH bei diesen Gesellschaften waren die Projektfinanzierung und Projektüberwachung.

Sowohl die Ergebnisse aus der Prüfung 2021 als auch die nun wiederholt festgestellten Sachverhalte aus der Prüfung 2023 waren Anlass für die vorliegende Beratende Äußerung gem. Art. 88 Abs. 2 BayHO, mit der der Bayerische Landtag unterrichtet wird. Zeitgleich werden auch die Mitglieder des Ausschusses für Staatshaushalt und Finanzfragen sowie die Bayerische Staatsregierung unterrichtet.

Das Bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr, das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst sowie das Bayerische Staatsministerium der Finanzen und für Heimat haben zur Beratenden Äußerung Stellung genommen. Die wesentlichen Aspekte wurden bei der Abfassung der Beratenden Äußerung berücksichtigt.

Prüfungsergebnis

Die Kosten für die Verlängerung des Münchner U-Bahn-Netzes um rd. 1 km nach Martinsried betragen aktuell mindestens rd. 212 Mio. €. Um beurteilen zu können, wie hoch die Kosten für das Gesamtprojekt letztlich sind, ob und inwieweit unvermeidbare, technisch bedingte Kostensteigerungen enthalten sind - dafür ist ein umfassendes Controlling erforderlich. Die Bedeutung von Controlling, um Transparenz und Nachprüfbarkeit zu schaffen, unterstrich auch Ministerpräsident Dr. Markus Söder in seiner Regierungserklärung vom 13.06.2024.

Ein für die Entscheidungsträger aussagekräftiges Controlling und Berichtswesen ist nach Überzeugung des ORH unabdingbar, wenn - wie im vorliegenden Fall - Aufgaben- und Finanzierungsverantwortung auseinanderfallen: Während die Gemeinde Planegg Vorhabenträgerin bzw. Bauherrin der U-Bahn Martinsried ist, hat sich der Freistaat vertraglich zur Übernahme wesentlicher Kosten verpflichtet. Hierbei ist der Freistaat Bayern in verschiedenen Rollen tätig, als Mehrheitsgesellschafter, Fördergeber, Vor-Finanzierer und letztlich Risikoträger. Aus dieser Konstellation ergeben sich erhebliche Kostenrisiken, da der Freistaat Bayern auch nicht zuwendungsfähige Kosten übernimmt.

Nur mit aussagekräftigen und umfassenden Informationen kann der Freistaat sicherstellen, dass die Steuermittel letztlich wirtschaftlich eingesetzt werden und dies auch im notwendigen Umfang belegen. Controlling ist mithin keine Bürokratie, sondern das notwendige Mittel für Transparenz und Nachprüfbarkeit. Kostensteigerungen hinzunehmen und mangels (Controlling-)Werkzeuge keine Versuche der Kosteneinsparung unternehmen zu können, ist unwirtschaftlich und dem Steuerzahler schwer vermittelbar.

Das Auseinanderfallen von Aufgabenverantwortung (Gemeinde) und Finanzierungsverantwortung (Freistaat Bayern) darf auch nicht dazu führen, dass dem Haushaltsgesetzgeber wesentliche Informationen über staatliche Ausgaben vorenthalten werden.

Aus Sicht des ORH ist es in diesem Zusammenhang wichtig, dass die einzelnen Kosten im Vorfeld bekannt, d.h. transparent, sind. Nur so kann das Parlament, welches über den bayerischen Haushalt entscheidet, nachvollziehen, welche Ausgaben für welchen Zweck vorgesehen sind. Beim U-Bahn-Projekt Martinsried stellt sich nach Auffassung des ORH die Situation dagegen wie folgt dar:

Die Festlegung eines verbindlichen Kostenziels für das Gesamtprojekt U-Bahn Martinsried steht weiterhin aus, auch wenn die zuwendungsfähigen Kosten nach Bundes-GVFG nach Angabe der Staatsministerien inzwischen mit 212 Mio. € „als Kostenobergrenze“ festgelegt sind.[1] Denn zu den Kosten des Gesamtprojekts zählen nach Auffassung des ORH auch diejenigen, die nach dem Bundes-GVFG nicht zuwendungsfähig sind und deren (teilweise) Übernahme der Freistaat zugesagt hat, wie die Kosten für die P&R-Anlage, Fahrzeugbeschaffung oder Betriebskosten. Nur mittels der gesamten Projektkosten kann letztlich die gesamte finanzielle Belastung, die auf den Freistaat Bayern zukommen kann, ermittelt werden.

Schematische Darstellung der Kosten des Gesamtprojekts U-Bahn Martinsried
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Der Haushaltsgesetzgeber hat derzeit keine Informationen zum gesamten Finanzierungsumfang des Projekts, weder aus dem Haushaltsplan noch aus der Haushaltsrechnung. Nach Auffassung des ORH ist mehr Transparenz gegenüber dem Parlament als Haushaltsgesetzgeber geboten; schließlich bindet das Projekt U-Bahn Martinsried Haushaltsmittel über mehrere Jahre, ja sogar über mehrere Legislaturperioden hinweg.

Abschließende Empfehlungen des ORH

Der ORH empfiehlt, beim U-Bahn-Projekt Martinsried bzw. bei Projekten, bei denen in vergleichbarer Weise Bau- und Finanzierungsverantwortung auseinanderfallen,

  • als Gesellschafter die Kostenüberwachung nicht von einem - zeitlich nachlaufenden - Zuwendungsverfahren abhängig zu machen, sondern die Entwicklung der Bau-/ Projektkosten laufend zu verfolgen (vgl. TNr. 4.1);
  • die Gesellschafterrolle umfassend wahrzunehmen. Rechte, die die Stellung als Gesellschafter mit sich bringt, sollten genutzt werden, um die Gesellschaft aktiv zu steuern (vgl. TNr. 4.1);
  • zur aktiven Steuerung frühzeitig ein verbindliches Kostenziel festzulegen (vgl. TNr. 4.2);
  • ein aussagekräftiges Berichtswesen zu implementieren, um die Kosten fortlaufend kontrollieren und so die Wirtschaftlichkeit des Projekts sicherstellen zu können (vgl. TNr. 4.3);
  • das Budgetrecht des Parlaments in den Fokus zu rücken und die geplanten bzw. tatsächlichen Kosten des Gesamtprojekts im Haushalt transparent darzustellen (vgl. TNr. 4.4).

2 Vorbemerkungen

2.1 Ausgangslage

Aufgabe der U-Bahn Martinsried Projektmanagement GmbH & Co. KG (PMG) ist die Vorbereitung, der noch ausstehende Teil der Planung, die Ausführungsvorbereitung, die Ausführung und die Abwicklung der Verlängerung der U-Bahnlinie U6 von der Station Klinikum Großhadern zum Forschungscampus Martinsried inklusive einer am Forschungscampus Martinsried einzurichtenden Park-and-Ride-Anlage.

Um diese Verlängerung des Münchner U-Bahn-Netzes um rd. 1 km nach Martinsried zu realisieren, wurden zwei Gesellschaften, eine operativ tätige Kommanditgesellschaft als GmbH & Co. KG sowie eine persönlich haftende Komplementär-GmbH geschaffen.

Der ORH hatte 2020/2021 erstmals die Betätigung des Freistaates Bayern als Gesellschafterin der PMG geprüft. Schwerpunkte der Prüfung waren die Projektfinanzierung und Projektüberwachung. Wesentliche Empfehlungen des ORH waren:

  • Der Freistaat sollte sich künftig stärker in die Überwachung und Steuerung der Projektgesellschaften einbringen, insbesondere das fehlende Kostenziel bzw. die fehlende Kostenobergrenze zeitnah festlegen und dessen Einhaltung gemeinsam mit den Qualitäts- und Terminzielen regelmäßig überwachen.
  • Der Freistaat sollte für die Ausübung seiner Überwachungs- und Kontrollfunktion das Berichtswesen der PMG erweitern und verbessern lassen. Künftig sollte das Berichtswesen einzelne Kostenstände, die kostenwirksamen Änderungen sowie alle relevanten Risiken kostenmäßig betrachten und transparent ausweisen.
  • Für die Finanzierungszusagen des Freistaates sollte eine (Verpflichtungs-)Ermächtigung im Haushaltsplan eingestellt werden. Dies gilt auch für das Betriebskostendefizit, sobald dies veranschlagungsreif ist.

Ende 2022 berichteten Medien über erhebliche Kostensteigerungen und Terminverzögerungen des U-Bahn-Projekts im Vergleich zur ursprünglichen Planung. Vor diesem Hintergrund hat der ORH 2023 erneut die Betätigung des Freistaates Bayern und die Umsetzung seiner Empfehlungen aus 2021 geprüft.

2.2 Rollen des Freistaates Bayern

Der Freistaat Bayern hat beim U-Bahn-Projekt Martinsried verschiedene Rollen inne. Er ist gleichzeitig

(1) Vertragspartner des Bau- und Finanzierungsvertrages,

(2) Gesellschafter und

(3) Zuwendungsgeber.

(1) Vertragspartner des Bau- und Finanzierungsvertrages

Über den Bau und die Finanzierung der Verlängerung der U6 schlossen der Freistaat Bayern, der Landkreis München und die Gemeinde Planegg 2018 einen Bau- und Finanzierungsvertrag (BuFV). Der BuFV umfasst u.a. die Finanzierung für Planung und Bau der Infrastrukturanlagen sowie die Finanzierung eines möglichen Betriebskostendefizits. Dabei übernimmt der Freistaat Bayern das Zahlungsrisiko, falls die im Vertrag vorausgesetzte Förderung nach (Bundes-)GVFG teilweise oder vollständig ausbleibt.

Vorhabenträgerin bzw. Bauherrin des U-Bahn-Projekts ist die Gemeinde Planegg. Die Gemeinde beauftragte die PMG mit allen Planungs-, Bau- und Ausführungsleistungen sowie allen weiteren notwendigen Dienstleistungen bei der Verwirklichung des Vorhabens. Eine zusätzliche fachliche Baubegleitung und/oder fachliche Bauoberleitung durch den Freistaat Bayern gibt es nicht. Die PMG plant und vergibt Planungs- und Bauaufträge eigenverantwortlich.

Bau- und Finanzierungsverantwortung
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(2) Gesellschafter

Darüber hinaus gründeten Freistaat Bayern, Landkreis München und die Gemeinde Planegg 2018 die PMG sowie die U-Bahn Martinsried Projektmanagement Verwaltungs GmbH:

  • Die PMG ist die „aktive“ Gesellschaft. An dieser ist der Freistaat Bayern zu 50,1%, der Landkreis München zu 33,3% und die Gemeinde Planegg zu 16,6% beteiligt.
  • Die U-Bahn Martinsried Projektmanagement Verwaltungs GmbH haftet als persönliche Gesellschafterin der PMG. Die GmbH ist im Alleineigentum des Freistaates Bayern. In ihrer Rolle als geschäftsführende Komplementärin hat sie kein Stimmrecht in der PMG.
Unternehmensstruktur
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Die Gesellschafterrolle für den Freistaat Bayern nimmt sowohl bei der PMG als auch bei der Verwaltungs GmbH das Finanzministerium wahr.

Die Regiekosten der PMG, also den Personal- und Sachaufwand der Gesellschaft, tragen die Gesellschafter anteilig. Das Bauministerium gewährt der PMG dafür einen Zuschuss aus den Regionalisierungsmitteln[2] im Rahmen einer institutionellen Förderung (Fehlbedarfsfinanzierung).

(3) Zuwendungsgeber

Die Finanzierung des U-Bahn Projekts Martinsried soll im Wesentlichen durch die Aufnahme in das Investitionsförderprogramm nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungs­gesetz des Bundes (GVFG), dem Bayerischen Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (BayGVFG) sowie dem Bayerischen Finanzausgleichsgesetz (BayFAG) erfolgen. Das hierfür zuständige Ressort ist das Bauministerium, den konkreten förderrechtlichen Vollzug übernimmt die Regierung von Oberbayern (ROB). Die Kosten bei Bauvorhaben, die in diese Förderprogramme aufgenommen sind, überwacht das Bauministerium nach eigenen Angaben indirekt durch den Mittelabruf der jeweiligen Förderverfahren. Eine zusätzliche fachliche Baubegleitung über die ROB hinaus ist laut Bau-, Wissenschafts- und Finanzministerium (Staatsministerien) nicht vorgesehen.

Fördermittelflüsse bei zuwendungsfähigen Kosten
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Nicht zuwendungsfähige Kosten der einzelnen Projektbestandteile tragen der Landkreis München, die Gemeinde Planegg und der Freistaat Bayern entsprechend der im BuFV getroffenen Anteile. Für den Freistaat Bayern trägt das Wissenschaftsministerium die nicht zuwendungsfähigen (Projekt-)Kosten.[3]

Kostentragung bei nicht zuwendungsfähigen Kosten nach BuFV
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Zusammenfassend sind nachfolgend Gesellschafter (rote Farbe), Vertragspartner (pinke Farbe) und Zuwendungsgeber sowie Kostentragung (grüne, blaue, schwarze und orange Farbe) beim U-Bahn-Projekt Martinsried in einer Abbildung dargestellt.

Gesellschafter, Vertragspartner und Zuwendungsgeber sowie Kostentragung beim U-Bahn-Projekt Martinsried
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2.3 Exkurs: Leistungsphasen und Kostendokumente bei Bauvorhaben

Ein Bauvorhaben ist in Planungs- und Bauphasen, sog. Leistungsphasen, unterteilt, für die es u.a. definierte Kostendokumente gibt:

Dokumente der Kostenplanung in den relevanten Leistungsphasen (schematische
Darstellung)
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Leistungsphasen: Die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) gliedert die Planung und Realisierung eines Bauvorhabens in neun Leistungsphasen von der Grundlagenermittlung (Leistungsphase 1), über die Vorplanung (Leistungsphase 2), die Entwurfsplanung (Leistungsphase 3) bis letztlich zur Objektbetreuung (Leistungsphase 9). Für die Ermittlung der Kosten der jeweiligen Leistungsphasen wird die DIN 276 herangezogen.

Vorplanung: Mit Abschluss der Grundlagenermittlung beginnt die Leistungsphase 2, die Vorplanung. Zu den inhaltlichen Meilensteinen dieser Phase gehört gemäß HOAI u.a. das Analysieren der Grundlagen, das Abstimmen der Zielvorstellungen, das Erarbeiten der Vorplanung, die Vorverhandlungen über die Genehmigungsfähigkeit, das Erstellen der Kostenschätzung nach DIN 276 einschließlich eines Vergleichs mit den finanziellen Rahmenbedingungen.

Entwurfsplanung: Die Entwurfsplanung bezeichnet die Leistungsphase 3 der HOAI. Während dieser Phase wird u.a. die Entwurfsplanung realisiert, die Grundlage einer öffentlich-rechtlichen Genehmigung geschaffen und eine Kostenberechnung nach DIN 276 einschließlich eines Vergleichs mit der Kostenschätzung erstellt. Sie bietet eine größere Kostengenauigkeit als die vorgelagerte Kostenschätzung. Die Entwurfsplanung dient zugleich als Entscheidungsgrundlage über die Weiterführung des Projekts.

Projektkosten sind ein von den Leistungsphasen und der Kostenplanung nach DIN 276 losgelöstes Kostenstadium. Es zeigt die erwarteten Endkosten zu einem Stichtag (Indizierung) und berücksichtigt dabei, dass sich einzelne Teilprojekte in unterschiedlichen Realisierungsständen befinden: Während z.B. für den Innenausbau eines U-Bahnhofs ausschließlich Planungsdaten vorliegen, ist für das Tunnelbauwerk bereits ein Vertrag geschlossen worden und die Bauarbeiten an der P&R-Anlage sind teilweise abgerechnet. Für die Projektkosten werden zu einem Stichtag immer die letzten, d.h. die genauesten, Kostenaussagen herangezogen und auf einen gemeinsamen Preisstand summiert.

Schematische Ermittlung von Projektkosten
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2.4 Kostenentwicklung des U-Bahn-Projekts Martinsried

2014 erfolgte die Projektfreigabe durch den Ministerrat; als Kosten (Stand: 2012) wurden damals 73,5 Mio. € genannt.[4] Bei Gründung der PMG 2018 wurde diese Summe weiterhin zugrunde gelegt. Diese Kostenzusammenstellung wurde seit 2012 nicht preisindiziert. Der inflationsbedingte Preisanstieg bis zum Projektstart der PMG 2018 betrug rd. 16%.

Eine erste Grobkostenschätzung benannte 11/2018 einen Investitionsumfang von 111 Mio. €; dieser Wert erhöhte sich mit der Kostenschätzung 05/2021 auf 136 Mio. €.[5] Aufbauend auf den Erkenntnissen der Vorplanung wurde während der Entwurfsplanung laut Medienberichten eine inhaltlich detailliertere Kostenberechnung mit einem Investitionsvolumen von 172 Mio. € zum Stand 05/2022 erstellt.[6] Dieses Ergebnis der Kostenplanung, das rd. 4,5 Jahre nach Gründung der PMG vorlag, sollte laut dem Finanzministerium als Kostenobergrenze dienen.

Wenige Monate später, im November 2022, wurden im GVFG-Förderantrag weit höhere Projektkosten genannt: Die Gemeinde Planegg gab als Vorhabenträgerin in ihrem Antrag auf Gewährung einer Zuwendung nach Art. 44 BayHO eine Summe von 212 Mio. € an.[7]

Nach Auskunft der Staatsministerien wurden die Gesamtkosten des Vorhabens im Sinne des Bundes-GVFG[8] mit Programmaufnahme durch das Bundesverkehrsministerium vom 27.05.2024 auf rd. 212,5 Mio. € festgelegt. Davon habe das Bundesverkehrsministerium rd. 201,6 Mio. € als zuwendungsfähig anerkannt und eine Zuwendung von maximal rd. 151,2 Mio. € (75%) in Aussicht gestellt. Ein Zuwendungsbescheid werde zeitnah ergehen. Mit diesem werde zugleich die Kostenobergrenze der Bauinvestitionskosten festgelegt.

Entwicklung der Kosten (Mio. €)
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Die Staatsministerien legten dem ORH zur Kostenentwicklung eine eigene Grafik vor (vgl. Anlage 1). Nach Auffassung des ORH ist für das Verständnis dieser Grafik eine Erläuterung bzw. Einordnung erforderlich (vgl. Anlage 2).

3 Prüfungsergebnisse

3.1 Festlegung eines verbindlichen Kostenziels - Voraussetzung für eine qualifizierte Kostenüberwachung

3.1.1 Prüfungsergebnis 2021

Die Gemeinde Planegg ist Vorhabenträgerin bzw. Bauherrin für die Verlängerung der Münchner U-Bahnlinie U6 nach Martinsried. Zur Entlastung sowie zur Reduzierung ihres finanziellen Risikos beauftragte sie die PMG, im eigenen Namen, aber für Rechnung der Gemeinde, die Verlängerung der U-Bahnlinie U6 zu realisieren. Aufgaben der PMG waren u.a. die Einhaltung des Rahmenterminplans sowie die Konformität des Projekts mit den Münchner U-Bahn-Standards zu gewährleisten.

Nach Feststellungen des ORH gab es für die PMG seitens der Gesellschafter keine messbaren Zielvorgaben: Ein Fertigstellungstermin bzw. eine Kostenobergrenze waren weder im Ministerratsbeschluss, im Gesellschaftsvertrag (z.B. im Unternehmensgegenstand) noch in Anweisungen für die Geschäftsführung festgelegt. Auch lagen keine anderweitigen Zielvorgaben vor.

Nach Auffassung des ORH erhielt die PMG bei der Projektrealisierung große Freiräume. Dem Freistaat Bayern fehlte als Mehrheitsgesellschafter ohne messbare Zielvorgaben die Möglichkeit, die Zielerreichung zu überprüfen und ggf. ein Nachsteuern einzufordern.

In einem erfolgreichen Projekt sind Termine, Qualitäten und auch Kosten gleichrangig zu betrachten und zu steuern. Die PMG konzentrierte sich demgegenüber im Wesentlichen auf das Qualitätsziel der Realisierung der U-Bahn entsprechend der Münchner U-Bahn-Standards.

Daher empfahl der ORH, der Freistaat Bayern solle sich künftig stärker in die Überwachung und Steuerung der Projektgesellschaften einbringen, insbesondere das fehlende Kostenziel bzw. die Kostenobergrenze zeitnah festlegen und deren Einhaltung gemeinsam mit den Qualitäts- und Terminzielen regelmäßig überwachen.

Die Staatsministerien erklärten, dass es nach der für das 2. Quartal 2022 angekündigten, vollständigen Kostenberechnung in der Leistungsphase 3 eine für die Projektbeteiligten verbindliche Kostenobergrenze für den weiteren Projektverlauf geben werde.

Nach Überzeugung des ORH käme eine Kostenobergrenze, die 4,5 Jahre nach Gründung der PMG benannt werden sollte, deutlich zu spät.

Aus Sicht des ORH ist für den Freistaat Bayern in seiner Doppelrolle als Gesellschafter und Zuwendungsgeber eine Kostenobergrenze von besonderer Bedeutung. Für die PMG fehlt hingegen der Anreiz zur Kostenminimierung. Die Kostenobergrenze ist für die PMG auch insoweit „bedeutungslos“, da die zuwendungsfähigen Kosten nahezu vollständig[9] vom Bund bzw. Freistaat Bayern getragen werden. Die im Rahmen des Bundes-GVFG nicht zuwendungsfähigen Kosten tragen die Gesellschafter entsprechend der im BuFV getroffenen Anteile. Es sollte daher im Interesse aller Gesellschafter liegen, v.a. die geplanten, nicht zuwendungsfähigen Kosten nicht zu überschreiten bzw. der PMG einen „Kostendeckel“ vorzugeben.

Zusammenfassend sollte der Freistaat Bayern in seiner Rolle als Mehrheitsgesellschafter stärker auftreten, geeignete Zielvorgaben für die PMG vorgeben und sich zu diesen auch gezielt berichten lassen.

3.1.2 Prüfungsergebnis 2023

Wird das Kostenziel durch die Gesellschafter nicht rechtzeitig benannt, kann dies dazu führen, dass Kostensteigerungen faktisch akzeptiert werden (müssen). Dieses Risiko hat sich nach Auffassung des ORH beim U-Bahn-Projekt Martinsried realisiert.

Die PMG führte eine Kostenschätzung (05/2021) und darauf aufbauend eine Kostenberechnung (05/2022) durch. Die Kostenberechnung in Höhe von 172 Mio. € sollte - wie von den Staatsministerien angekündigt - als verbindliche Kostenobergrenze festgelegt werden. Bereits sechs Monate später (11/2022) wurden Projektkosten im Bundes-GVFG-Förderantrag mit 212 Mio. € angegeben.

Es gab für die PMG kein wirksames Kostenziel, keine Prüfung der Zielerreichung und folglich auch kein Nachsteuern bei erkannten Zielabweichungen. Die Kostenüberwachung begleitet das Bauministerium nach eigenen Angaben indirekt durch den Mittelabruf bei den Auszahlungen über verschiedene Förderverfahren.

Die Staatsministerien gaben an, dass die Kosten im Sinne des Bundes-GVFG mit dem Förderantrag (11/2022) erstmalig verbindlich beziffert und mit Programmaufnahme durch das Bundesverkehrsministerium vom 27.05.2024 auf rd. 212,5 Mio. € festgelegt worden seien. Während der Prüfung erläuterte das Bauministerium, dass diese Festlegung dann maßgeblich für entsprechende Zahlungen des Freistaates sei und als Obergrenze für die Kostenüberwachung dienen solle.

Der Freistaat Bayern hat insbesondere als Gesellschafter der PMG eine Überwachungsfunktion wahrzunehmen. Hierzu zählt auch die Vorgabe von Zielen, das Messen der Zielerreichung sowie ggf. Maßnahmen zur Zielnachsteuerung zu entwickeln bzw. diese von der Geschäftsführung einzufordern.

Die Festlegung eines verbindlichen Kostenziels für das Gesamtprojekt U-Bahn Martinsried steht weiterhin aus, auch wenn die zuwendungsfähigen Kosten nach Bundes-GVFG nach Angabe der Staatsministerien inzwischen mit 212 Mio. € „als Kostenobergrenze“ festgelegt sind. Zu den Kosten des Gesamtprojekts zählen auch diejenigen, die nach dem Bundes-GVFG-Förderverfahren nicht zuwendungsfähig sind: dies sind Kosten für die P&R-Anlage, Rechnungsprüfung, Fahrzeugbeschaffung sowie nachträgliche Investitionskosten, Kosten der PMG und Betriebskosten. Unabhängig davon, ob diese Kosten ganz bzw. teilweise vom Freistaat gefördert werden (können), sind sie in die Kosten des Gesamtprojekts einzubeziehen. Nur so kann letztlich die gesamte finanzielle Belastung, die auf den Freistaat Bayern zukommen kann, ermittelt werden und als (bayerisches) Kostenziel festgelegt werden.

Schematische Darstellung der Kosten des Gesamtprojekts U-Bahn Martinsried
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Unabhängig davon käme nach Auffassung des ORH die Kostenüberwachung einschließlich der Vorgabe des Kostenziels durch den Freistaat Bayern selbst nach Erlass des Zuwendungsbescheids zu spät und wäre in ihrer Wirkung ineffektiv (ex-post-Kontrolle).

3.2 Controlling und Berichtswesen - Informationsquelle für Gesellschafter

3.2.1 Prüfungsergebnis 2021

Das Berichtswesen ist eine wesentliche Grundlage zur Projektüberwachung und -steuerung. Es soll auch die Gesellschafter mit strukturierten Informationen aus dem Controlling in die Lage versetzen, den Projektstand umfassend zu erkennen, zu beurteilen und darauf aufbauend entsprechende Entscheidungen zu treffen.

Die PMG informierte in halbjährlichen Statusberichten ihre Gesellschafter über die Abschätzung der Projektkosten in tabellarischer Form. In diesen Kostenberichten wurden die Ergebnisse der Kostenschätzung in Summe genannt. Allerdings gab es keine zusammenfassende Auswertung, die die ursprüngliche Kostenbezugsbasis, die (bisherige) Kostenschätzung sowie die regelmäßigen Abschätzungen der Projektkosten nebeneinander auflistete und die wertmäßigen Veränderungen darstellte.

Bei langjährigen Investitionsprojekten kann die jährliche Baupreissteigerung zu einem bedeutenden Kostenblock anwachsen. Um dies transparent darzustellen, kann etwa die jährliche Baupreissteigerung samt einer inflationsbedingten Teuerung, z.B. im Rahmen einer Endwertprognose, im Berichtswesen ausgewiesen werden. In die Kostenberichte der PMG, insbesondere in den Bericht über die Abschätzung der Projektkosten, flossen verschiedene Kostenstadien mit unterschiedlichem Preisstand ein. Es fand keine Indizierung auf einen einheitlichen Preisstand, z.B. auf Basis eines einheitlichen zeitlichen Bezugspunkts, statt.

Trotz massiver Steigerung der erwarteten Gesamtkosten gab es keine detaillierte Kostenanalyse und keinen Vorschlag von Maßnahmen zur Kostenreduktion. Obwohl jede neue Abschätzung der Kosten das Ergebnis der vorherigen Abschätzung überstieg, wurde dies nicht inhaltlich begründet. Im Berichtswesen konnte nicht nachvollzogen werden, welche Änderungen es insgesamt gab und wer darüber mit welcher finanzwirtschaftlichen Auswirkung entschied. Auch bot es keine Informationen zu Alternativlösungen an.

Der ORH hatte daher empfohlen, dass der Freistaat Bayern für die Ausübung seiner Überwachungs- und Kontrollfunktion das Berichtswesen der PMG erweitern und verbessern lassen sollte. Künftig sollte das Berichtswesen einzelne Kostenstände, die kostenwirksamen Änderungen sowie alle relevanten Risiken kostenmäßig betrachten und transparent ausweisen.

In ihrer gemeinsamen Stellungnahme teilten die Staatsministerien mit, dass grundsätzlich im Hinblick auf die Kostenentwicklung wenig Steuerungs- bzw. Entscheidungsmöglichkeiten bestünden, da die Projektausführung im Wesentlichen durch die technischen Vorgaben für den Bau von U-Bahn-Netzen vorgegeben sei. Bei der Verlängerung der U6 handle es sich nicht um ein „normales“ Bauprojekt, bei dem durch die zielgerichtete Auswahl von Wünschen hinsichtlich Ausstattung, etc. die Kosten gesteigert bzw. vermindert werden könnten. Seit Mai 2021 würden Prozesse des Risikomanagements initiiert, die dazu dienten, die Entwicklung der Kosten-, Qualitäts- und Terminziele besser zu überwachen und etwaige Änderungen transparent darzustellen.

Nach den Feststellungen des ORH sind die Gründe für die Kostensteigerungen nicht bekannt. Ohne eine entsprechende Analyse kann daher von den Gesellschaftern nicht beurteilt werden, ob und inwieweit Maßnahmen ergriffen werden können, um die Kostensteigerungen zu begrenzen. Selbst wenn es sich beim Projekt U-Bahn Martinsried um ein besonderes Zusammenwirken von Staat und Kommunen handelt, liegt bei funktioneller Betrachtung ein klassisches Tiefbauprojekt vor. Dessen Kosten lassen sich durch ein aussagekräftiges Berichtswesen präzise überwachen.

Nach Auffassung des ORH wird das Berichtswesen der PMG einer transparenten Darstellung auch nach den angekündigten Verbesserungen nicht vollständig gerecht; denn im Berichtswesen sollten u.a. alle Änderungen gegenüber dem zuletzt berichteten Planungsstand und deren Anlass fortlaufend dokumentiert werden. Auch alle relevanten Risiken, zu denen etwa die jährliche Baupreissteigerung gehört, sollten kostenmäßig betrachtet werden. Durch diese höhere Transparenz und der Gegenüberstellung verschiedener Kostenstadien könnten die Gesellschafter mögliche Abweichungen zielgerichtet erkennen und dadurch ihre Überwachungs- und Kontrollfunktion effizienter ausüben.

Zusammenfassend sollten im Berichtswesen alle Änderungen gegenüber der ursprünglichen Planung und deren Anlass fortlaufend dokumentiert und transparent dargestellt werden. Dadurch können mögliche Ursachen für Terminverzögerungen oder Kostenüberschreitungen frühzeitig erkannt werden.

3.2.2 Prüfungsergebnis 2023

Bei der Prüfung 2023 stellte sich das Berichtswesen nahezu unverändert dar. Es konnte weiterhin von den Gesellschaftern nicht dazu genutzt werden, Ursachen für Terminverzögerungen oder Kostenüberschreitungen zu erkennen. Den Berichten fehlten explizite Auswertungen bzw. Ausführungen zu finanziellen Folgen, insbesondere:

(1) Unvollständigkeit der Kostenplanung

Bei der ursprünglichen Kostenbezugsbasis von 73,5 Mio. € fehlten im Planungsumfang u.a. die P&R-Anlage und bei der späteren Kostenschätzung z.B. die Anschaffung eines U-Bahnzuges. In den betrachteten Statusberichten wies die PMG nicht deutlich auf die fachliche Beschränkung ihrer Kostenplanung auf Bauinvestitionen, das Fehlen wesentlicher Projektbestandteile und damit auf ggf. zu niedrig angesetzte Projektkosten hin.

(2) Mehrkosten gemäß Planfeststellungsbescheid

Mit der erforderlichen Verlängerung des bestehenden Planfeststellungsbeschlusses vom 03.09.2019 war eine Vielzahl an Nebenbestimmungen verbunden. Hintergrund waren u.a. geänderte sicherheitstechnische Regelungen bzw. gesetzliche Vorgaben. Diese Auflagen sind zwingend zu realisieren, andernfalls ist die Betriebsfreigabe der U-Bahn gefährdet. Die PMG ließ die Planungen sukzessive um die Maßgaben der Auflagen erweitern. Im Berichtswesen wurden die Mehrkosten, die sich aus den Planfeststellungsbescheiden ergaben, nicht gesondert ausgewiesen.

Beispiele für kostensteigernde Auflagen:[10]

  • im Tunnel ist der Rettungsweg zu verbreitern,
  • der U-Bahnhof wird aufgrund neuer Brandschutzvorgaben breiter,
  • zusätzliche Notausgänge sind vorzusehen,
  • zusätzliche Artenschutzmaßnahmen für Haselmaus, Fledermaus etc. sind nötig.

(3) Mehrkosten aus inflationsbedingter Teuerung

Als die PMG 2018 ihre Tätigkeit aufnahm, lag der Baupreisindex des Statistischen Bundesamtes für Ingenieurbauten (Straßen, Brücken und Ortskanäle) bei 103 Indexpunkten. Bis 2022 stieg der Wert für Straßen und Ortskanäle auf 152, für Brücken auf 157 Indexpunkte.[11] Eine wertmäßige Zusammenstellung der Mehrkosten aufgrund der inflationsbedingten Teuerung gab es im Berichtswesen bislang nicht.

(4) Mehrkosten aus Planungs- und Bauänderungen

Mit Arbeitsaufnahme der PMG musste die Gesellschaft zunächst auf veraltete Kostenplanungen (Basisjahr 2007) zurückgreifen. Mit Kenntnisgewinn durch Planungs- und Baufortschritt kam es zu verschiedenen Tekturen. Auch führten die im Rahmen des Planungs- und Baufortschritts gewonnenen Kenntnisse mitunter zu Änderungen der Bauweise, des Bauablaufs, des Bauverfahrens oder der eingesetzten Baumaterialien. Alle diese Änderungen verursachten Mehrkosten, die bislang im Statusbericht nicht deutlich ausgewiesen wurden.

(5) Auswertungen unterschiedlicher Kostenstadien

Auch 2023 gab es keine zusammenfassende Auswertung, die die ursprüngliche Kostenbezugsbasis, Kostenschätzung sowie die regelmäßigen Abschätzungen der Projektkosten nebeneinander auflistete und die wertmäßigen Veränderungen, z.B. auf Ebene von Teilprojekten, darstellte. Ferner gab es keine wertmäßigen Erklärungen der Ursachen für Kostensteigerungen und auch keine Vorschläge für Maßnahmen zur Kostenreduktion. Besonders in der Planungsphase können technische und organisatorische Maßnahmen ergriffen werden, die zu Kostensenkungen führen. Hierfür ist insbesondere ein detailliertes Berichtswesen erforderlich, um Veränderungen erkennen und bewerten zu können.

Die Staatsministerien führten aus, dass auf die Auswirkungen der deutlich gestiegenen normativen und technischen Bauanforderungen hingewiesen worden sei. Inflationsbedingte Mehrkosten haben nicht in jedem Fall einzeln beziffert werden können, allerdings habe die fortlaufende Angabe der aktuellen Preisstände Rückschlüsse auf inflationäre Einflüsse erlaubt. Zudem seien die nicht zuwendungsfähigen Kosten für die P&R-Anlage sowie die Beschaffung des U-Bahnzuges nicht in den Statusberichten behandelt worden, da diese nicht über das Bundes-GVFG gefördert werden könnten. Gleichwohl sei die Beschaffung des U-Bahnzuges Gegenstand des BuFV, aber nicht vom Unternehmensgegenstand der PMG umfasst. Schließlich habe sich die Berichterstattung im halbjährlichen Turnus bewährt. Entsprechend der von den Gesellschaftern gestellten Anforderungen werde das Berichtswesen laufend verbessert. Soweit Änderungen gegenüber der ursprünglichen Planung erfolgten, seien diese in den Statusberichten erfasst.

Nach Auffassung des ORH wäre es notwendig gewesen, in den Statusberichten die jeweiligen Sachverhalte und Neuerungen nicht nur textlich zu nennen, sondern mit konkreten Zahlen zu hinterlegen. Diese Hinweise sollten aus sich heraus verständlich sein und - soweit erforderlich - auch in zeitlicher Hinsicht eingeordnet werden (z.B. Indizierung oder Vergleichszeitraum). Entgegen der Darstellung der Staatsministerien enthielt das Berichtswesen der PMG bis 2023 etwa keine Mehrkosten, die sich aus dem geänderten Planfeststellungsbeschluss bzw. den Tekturen ergeben haben. Ebenso fehlte eine Darstellung der wertmäßigen Veränderung der Kosten bzw. ihrer Entwicklung.

Bei der Beschaffung des U-Bahnzuges wird deutlich, dass der Freistaat seine drei Rollen als Vertragspartner, Zuwendungsgeber und Gesellschafter einzeln wahrnimmt, aber mögliche Synergieeffekte ungenutzt lässt: Zwar ist die Anschaffung des Fahrzeugs im BuFV (= Vertragspartner) geregelt, auf Ebene der PMG (= Gesellschafter) fehlt es aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Beschränkung des Unternehmensgegenstands an einer Controlling- bzw. Berichtsmöglichkeit. Entsprechend gibt es keine Informationsmöglichkeiten bzgl. des Zuschussverfahrens für die Anschaffung (= Zuwendungsgeber).

Solange der Gesellschafter Freistaat Bayern die Projektkosten als bloße Zahl erhält, die nicht weiter eingeordnet oder in Bezug zu früheren Kostenstadien gesetzt wird, ist ein zielgerichtetes Überwachen nach Auffassung des ORH erheblich erschwert. Mit den bisher vorliegenden halbjährlichen Statusberichten war dies nur eingeschränkt möglich.

Ursachen und Gründe, die zu Änderungen der Kostenplanung führten, waren in den Dokumenten nicht enthalten. Infolge war insbesondere nicht erkennbar, ob Kostensteigerungen auf Vorgaben der Gesellschafter beruhten oder durch externe Faktoren bedingt waren. So lagen die inflationsbedingte Teuerung oder die Mehrkosten aufgrund zwingender technischer Anforderungen weder im Verantwortungsbereich der PMG noch bei den Gesellschaftern. Gerade für diese externen Faktoren ist eine transparente Information unerlässlich, zumal der Freistaat Bayern in unterschiedlichen Funktionen über viele Jahre hinweg Ausgaben in erheblicher Höhe für das U-Bahn-Projekt zur Verfügung stellt.

Das aktuelle Vorgehen der Verwaltung, erst am Ende des Zuwendungsverfahrens eine vertiefte Prüfung im Rahmen des Schlussverwendungsnachweises durchzuführen, gleicht einer (Schluss-)Kontrolle, aber keinem Controlling. Für ein zielgerichtetes Überwachen ist es dagegen erforderlich, dass die PMG alle Elemente des Controlling-Regelkreises erfüllt und in ihrem Berichtswesen abbildet.

Nur ein umfassendes und transparentes Berichtswesen stellt bzgl. der Kostensteigerungen nach Auffassung des ORH sicher, dass die Haushaltsmittel und letztlich Steuergelder wirtschaftlich und sparsam eingesetzt werden. Denn wirtschaftlich sind die Mittel auch dann eingesetzt, wenn ein Kostenziel gehalten wird. Die von den Staatsministerien 2022 in Aussicht gestellten und seit Herbst 2023 begonnenen Verbesserungen des Berichtswesens sind konsequent weiterzuverfolgen.

Der ORH verkennt nicht, dass es Controlling nicht zum Nulltarif gibt. Doch eine Kostensteigerung von 140 Mio. € hinzunehmen und mangels (Controlling-)Werkzeuge keine Versuche der Kosteneinsparung unternehmen zu können, ist unwirtschaftlich und dem Steuerzahler schwer vermittelbar.

Controlling und Berichtswesen sind keine zusätzliche Bürokratie. Sie sind das notwendige Instrument, um Kosten und Ausgaben im Blick zu behalten und ggf. gegensteuern zu können. Dies gilt umso mehr für das Berichtswesen von Unternehmen, an denen der Freistaat beteiligt ist, wie der PMG: der Freistaat setzt in und für diese Unternehmen letztlich Steuergelder ein und ist dafür rechenschaftspflichtig. Controlling und Berichtswesen sind daher mehr als ein Selbstzweck und dienen etwa auch der Korruptionsvorsorge. Daher ist ein aussagekräftiges Controlling und Berichtswesen erforderlich, das gerade bei finanziell umfangreichen Bauprojekten deutliche und erläuternde Hinweise auf Ungenauigkeiten, Unvollständigkeiten bzw. Mehrkosten enthält.

Da der Freistaat Bayern beim U-Bahn-Projekt Martinsried nicht nur als Gesellschafter, sondern auch als Zuwendungsgeber handelt, sollte er ein aussagekräftiges und vollständiges Berichtswesen einfordern. Der Freistaat Bayern sollte nicht nur in seiner Funktion als Gesellschafter wissen, wie sich die Kosten entwickeln und welche Kosten beeinflussbar sind bzw. nicht. So kann letztlich die Wirtschaftlichkeit des Projekts sichergestellt werden.

3.3 Abbildung des U-Bahn-Projekts Martinsried im Haushalt und Informationen an den Haushaltsgesetzgeber

3.3.1 Prüfungsergebnis 2021

Für das Projekt U-Bahn Martinsried wurde im Zuge des Abschlusses des BuFV im Doppelhaushalt 2017/2018 eine Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 73 Mio. € in Kap. 13 10 Tit. 883 10 eingestellt.[12] Die Verpflichtungsermächtigung wurde 2018 durch den Abschluss des BuFV in Anspruch genommen. Der Freistaat Bayern plante mit einem Mittelabfluss für 2020 von 33 Mio. € und für 2021 von weiteren 40 Mio. €.

Im Doppelhaushalt 2019/2020 wurde das Projekt U-Bahn Martinsried wie folgt veranschlagt: Die Regiekosten der PMG mit 200 T€ sind explizit im Haushaltsplan angegeben.[13] Die wesentlichen Projektkosten waren dagegen auf verschiedene Einzelpläne und unterschiedliche Titel aufgeteilt.[14] Die vertraglichen Zusagen des Freistaates Bayern, z.B. für nachträgliche Investitionskosten oder künftige Betriebskostendefizite, wurden nicht im Haushalt abgebildet.

Ohne Vorliegen eines Bundes-GVFG-Zuwendungsbescheids plante die PMG Maßnahmen der Bauvorbereitung in Millionenhöhe zeitlich vorzuziehen und letztlich mit Mitteln des Freistaates Bayern vorzufinanzieren.

Der ORH hatte empfohlen, für die Finanzierungszusagen des Freistaates eine (Verpflichtungs-)Ermächtigung im Haushaltsplan einzustellen. Dies sollte auch für das Betriebskostendefizit erfolgen, sobald dies veranschlagungsreif sein wird.

Nach Auffassung der Staatsministerien habe die Verpflichtungsermächtigung über 73 Mio. € im Doppelhaushalt 2017/2018 alle zum damaligen Zeitpunkt bekannten und absehbaren Kosten berücksichtigt, zu deren Übernahme sich der Freistaat durch den Abschluss des BuFV verpflichtet habe. Ferner sei geplant gewesen, die Projektfolgekosten künftig im Haushalt anzumelden, sobald Veranschlagungsreife bestehe.

Nach Auffassung des ORH privilegiert der Freistaat Bayern mit der Vorfinanzierung der GVFG-Bundesmittel das U-Bahn-Projekt Martinsried. Gleichzeitig besteht das Risiko, dass hier ein Präzedenzfall für weitere Verkehrsprojekte geschaffen wird. Zum Zeitpunkt der ersten Prüfung des ORH 2020/2021 gab es keinen Zuwendungsbescheid und keinen Rechtsanspruch auf das Gewähren von GVFG-Mitteln des Bundes. Somit trug der Freistaat Bayern alleine das Risiko ausfallender oder nicht zeitgerecht zur Verfügung gestellter Bundesmittel in Millionenhöhe.

3.3.2 Prüfungsergebnis 2023

Weder aus dem Haushaltsplan noch aus dem Haushaltsgesetz ist die Summe der bisher insgesamt bzw. jährlich für das U-Bahn-Projekt Martinsried abgeflossenen Zahlungen transparent ersichtlich. Bei den in Anspruch genommenen Haushaltstiteln handelt es sich meist um Sammelansätze. Transparente Erläuterungen zum (Gesamt-)Mittelabfluss sind nicht enthalten.

Soll-Ansätze im Haushaltsplan für das U-Bahn-Projekt Martinsried
© ORH
Ist-Zahlungen für das U-Bahn-Projekt Martinsried gemäß Kassenbuch
© ORH

Nach den Feststellungen des ORH leistete der Freistaat Bayern von Projektbeginn bis 2023 Zahlungen für das U-Bahn-Projekt Martinsried von insgesamt 31,8 Mio. €. Lediglich bei 1,0 Mio. € (Kap. 09 07 Tit. 685 68) ist unmittelbar aus dem Haushaltsplan ersichtlich, dass diese für das U-Bahn Projekt zur Verfügung gestellt wurden. Weitere 7,9 Mio. € (Kap. 15 07 Tit. 883 01, Kap. 13 10 Tit. 883 09) sind lediglich aus der Haushaltsrechnung bzw. dem Kassenbuch ersichtlich. Bei Zahlungen von 22,9 Mio. € ist nicht erkennbar, dass diese in die Vorfinanzierung des U-Bahn-Projekts Martinsried geflossen sind; denn der Titel (Kap. 09 07 Tit. 861 73) gilt generisch für Vorfinanzierungen von Investitionen zur Verbesserung der Infrastruktur. Auch aus den Erläuterungen hierzu ergibt sich kein Hinweis auf das Projekt.

Falls die im Rahmen der Bundes-GVFG-Förderung zuwendungsfähigen Projektkosten den Höchstbetrag der Bundesförderung übersteigen, hat der Freistaat Bayern sich vertraglich dazu verpflichtet, diese Kosten zu tragen. Auch dies ist aus dem Haushaltsgesetz oder Haushaltsplan nicht erkennbar.

Bisher erfolgte durch die Abwicklung des Projekts über Sammelansätze keine konkrete Unterrichtung des Landtags zum U-Bahn-Projekt Martinsried, wie dies im Rahmen des Vollzugs bei staatlichen Bauprojekten oder staatlichen Förderprogrammen regelmäßig geschieht. Ebenso fehlt es derzeit an einer Information bei Kostensteigerungen.

Der BuFV enthält für das U-Bahn Projekt Martinsried keine Festbeträge, sondern prozentuale Anteile, die die jeweiligen Gesellschafter leisten müssen. Bei Kostensteigerungen ist es nicht erforderlich, den BuFV zu ändern. Auch eine Pflicht zur Information bzw. Befassung des Landtags erwächst hieraus nicht.

Der aktuelle Haushaltsgesetzgeber hat derzeit keine Informationen zum gesamten Finanzierungsumfang des Projekts. Denn zu Kosten des Gesamtprojekts zählen nach Auffassung des ORH auch diejenigen, die nach dem Bundes-GVFG nicht zuwendungsfähig sind: dies sind Kosten für die P&R-Anlage, Rechnungsprüfung, Fahrzeugbeschaffung sowie nachträgliche Investitionskosten, Kosten der PMG und Betriebskosten - Ausgaben, für die sich der Freistaat Bayern insgesamt verpflichtet hat, sie zu tragen.

Schematische Darstellung der Kosten des Gesamtprojekts U-Bahn Martinsried
© ORH

Die Staatsministerien teilen mit, dass eine zusammenfassende Darstellung des Gesamtvorhabens der U-Bahn Martinsried im Rahmen der geltenden Haushaltsgrundsätze schwierig und auch nur teilweise sinnvoll möglich sei. Die Haushaltssystematik bei der Bundes-GVFG-Förderung stelle nicht auf die Darstellung großer Einzelvorhaben ab. Darüber hinaus sei das Haushaltsgesetz als solches in erster Linie eine Ermächtigungsnorm für die Exekutive. Dem Grundsatz der Haushaltsklarheit sei insoweit vollumfänglich Rechnung getragen. Schließlich würde eine Darstellung deutlich über den in VV Nr. 2.1 zu Art. 17 BayHO festgehaltenen Grundsatz, die Erläuterungen auf das Notwendige zu beschränken, hinausgehen. In der Folge würde sich wiederum das Problem stellen, dass die Verständlichkeit des Haushaltsplans an entsprechender Überfrachtung leiden würde.[15]

Nach Auffassung des ORH erfordert der Grundsatz der Haushaltsklarheit, dass der Haushaltsplan möglichst nachvollziehbar, verständlich, transparent und übersichtlich ist, um erkennbar zu machen, wie hoch die einzelnen Ausgaben für welchen Zweck veranschlagt sind.[16] Selbst wenn noch keine Veranschlagungsreife besteht, sollte der Landtag zumindest darüber informiert werden, welche Verpflichtung für den Freistaat Bayern (noch) besteht und wie viele Mittel bereits abgeflossen sind bzw. für das jeweilige Haushaltsjahr planmäßig ausgegeben werden sollen. Nur so kann letztlich die gesamte finanzielle Belastung, die auf den Freistaat Bayern zukommen kann, transparent dargestellt werden. Dies ist hinsichtlich der über viele Jahre hinweg gebundenen Ausgaben in erheblicher Höhe keine bloße Formvorschrift, sondern essenzielle Information und Entscheidungsgrundlage für den Haushaltsgesetzgeber.

Dem steht auch die VV Nr. 2.1 zu Art. 17 BayHO nicht entgegen. Denn dort wird der von den Staatsministerien genannte Grundsatz dahingehend eingeschränkt, dass die Erläuterungen die für die Bemessung und Überprüfung der Einnahmen, Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen wesentlichen Gesichtspunkte enthalten müssen. Ferner sollen die Erläuterungen einen ausreichenden Aufschluss über den Verwendungszweck geben und für die Haushaltsführung eine geeignete Grundlage darstellen.[17] Daher sollte aus Sicht des ORH im Haushaltsgesetz zumindest abgebildet werden,

  • wer die Vertragspartner des U-Bahn-Projekts Martinsried sind, welche Ressorts die damit verbundenen Aufgaben und Ausgaben verantworten,
  • wie hoch der Finanzierungsumfang insgesamt ist und aus welchen Einzelplänen und Haushaltsstellen das Projekt finanziert wurde bzw. wird und
  • welche Kostentoleranz besteht bzw. welche Kostensteigerungen eingetreten sind und welcher erhöhte Finanzbedarf dadurch bei den jeweiligen Haushaltsstellen besteht.

4 Schlussbemerkung und abschließende Empfehlungen des ORH

Beim U-Bahn-Projekt Martinsried fallen Aufgaben- und Finanzierungsverantwortung auseinander: Der Freistaat Bayern ist selbst nicht Bauherr, er hat sich jedoch vertraglich zur Übernahme der wesentlichen Kosten verpflichtet. Diese Besonderheiten beim U-Bahn-Projekt Martinsried dürfen nicht dazu führen, dass es an einer Letztverantwortung für die Ausgaben fehlt.

Zwar ist der Freistaat Bayern in verschiedenen Rollen als Mehrheitsgesellschafter, Fördergeber, Vor-Finanzierer und letztlich Risikoträger beteiligt, Vorhabenträgerin bleibt aber die Gemeinde. Aus dieser besonderen Konstellation ergaben bzw. ergeben sich z.B. erhebliche Kostenrisiken:

  • Umfang und Zeitpunkt der Bundes-GVFG-Förderung waren 4,5 Jahre ungewiss.
  • Falls die im Rahmen der Bundes-GVFG-Förderung zuwendungsfähigen Projektkosten den Höchstbetrag der Bundesförderung übersteigen, hat der Freistaat Bayern sich vertraglich dazu verpflichtet, diese Kosten zu tragen.
  • Ferner birgt das U-Bahn-Projekt Martinsried mögliche Lasten für künftige Haushalte, z.B. hinsichtlich des Betriebs und Unterhalts.

Anders als bei der Förderung kommunaler Infrastrukturprojekte übernimmt der Freistaat Bayern nicht nur zuwendungsfähige, sondern auch nicht zuwendungsfähige Kosten. Diese Kosten trägt üblicherweise der Vorhabenträger.

Steuerungsmechanismen, die der Freistaat Bayern bei eigenen Bauvorhaben durch die staatlichen Bauämter einsetzt, stehen für Projekte staatlicher Beteiligungen bzw. vom Bund geförderter GVFG-Vorhaben nicht zur Verfügung: Dies betrifft organisatorisch die Bauämter mit ihren Abläufen, baufachlich das Erstellen der Kostenplanung, Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung mit eigenem Personal und wirtschaftlich die Steuerung des Budgets durch die jeweilige Haushaltsstelle.

Unabhängig davon, ob der Freistaat Bayern Bauprojekte selbst ausführt, fördert oder von einer staatlichen Beteiligung betreuen lässt, ist bei Ausgaben des Freistaates Bayern das Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten. Controlling und Berichtswesen sind dabei keine zusätzliche Bürokratie. Sie sind das notwendige Instrument, um Kosten und Ausgaben im Blick zu behalten und ggf. gegensteuern zu können. Dies gilt umso mehr für das Berichtswesen von Unternehmen wie der PMG, an denen der Freistaat beteiligt ist: der Freistaat setzt in und für diese Unternehmen letztlich Steuergelder ein und ist dafür rechenschaftspflichtig. Eine Kostensteigerung von 140 Mio. € hinzunehmen und mangels (Controlling-)Werkzeuge keine Versuche der Kosteneinsparung unternehmen zu können, ist unwirtschaftlich und dem Steuerzahler schwer vermittelbar.

Im Einzelnen empfiehlt der ORH, beim U-Bahn-Projekt Martinsried bzw. bei Projekten, bei denen in vergleichbarer Weise Bau- und Finanzierungsverantwortung auseinanderfallen,

  • als Gesellschafter die Kostenüberwachung nicht von einem - zeitlich nachlaufenden - Zuwendungsverfahren abhängig zu machen, sondern die Entwicklung der Bau-/Projektkosten laufend zu verfolgen (vgl. TNr. 4.1);
  • die Gesellschafterrolle umfassend wahrzunehmen. Rechte, die die Stellung als Gesellschafter mit sich bringt, sollten genutzt werden, um die Gesellschaft aktiv zu steuern (vgl. TNr. 4.1);
  • zur aktiven Steuerung frühzeitig ein verbindliches Kostenziel festzulegen (vgl. TNr. 4.2);
  • ein aussagekräftiges Berichtswesen zu implementieren, um die Kosten fortlaufend kontrollieren und so die Wirtschaftlichkeit des Projekts sicherstellen zu können (vgl. TNr. 4.3);
  • das Budgetrecht des Parlaments in den Fokus zu rücken und die geplanten bzw. tatsächlichen Kosten des Gesamtprojekts im Haushalt transparent darzustellen (vgl. TNr. 4.4).

4.1 Wirtschaftlichkeitsgebot der Ausgaben auch bei staatlichem Handeln durch eine Projektgesellschaft

Beim U-Bahn-Projekt Martinsried fallen Aufgaben- und Finanzierungsverantwortung auseinander: Der Freistaat Bayern ist selbst nicht Bauherr, er hat sich jedoch vertraglich zur Übernahme der wesentlichen Kosten verpflichtet. Anders als bei der Förderung von Infrastrukturprojekten üblich übernimmt er nicht nur einen Anteil der zuwendungsfähigen, sondern auch der nicht zuwendungsfähigen Kosten.

Zwar ist der Freistaat Bayern in verschiedenen Rollen als Mehrheitsgesellschafter, Zuwendungsgeber, Vertragspartner und letztlich Risikoträger beteiligt, aber Bauherrin bzw. Vorhabenträgerin ist die Gemeinde. Steuerungsmechanismen, die der Freistaat Bayern bei eigenen Bauvorhaben einsetzt, stehen für Projekte staatlicher Beteiligungen nicht zur Verfügung. Umso wichtiger ist es für den Freistaat als Gesellschafter, bei der PMG seine Steuerungsrolle wahrzunehmen, um der finanziellen Mitverantwortung für ein Investitionsprojekt von über 200 Mio. € gerecht zu werden.

Die zentralen Haushaltsgrundsätze der Haushaltsklarheit, der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sind auch dann zu wahren, wenn bei Projekten in vergleichbarer Weise wie bei dem U-Bahn-Projekt Martinsried die Bau- und Finanzierungsverantwortung auseinanderfallen. Daraus folgt, dass der Freistaat Bayern als Gesellschafter der PMG seine Überwachungsfunktion wahrzunehmen hat. Hierzu zählen auch die Vorgabe von Zielen, das Messen der Zielerreichung sowie ggf. Maßnahmen zur Zielnachsteuerung zu entwickeln bzw. diese von der Geschäftsführung einzufordern.

Dabei entbindet die Funktion des Freistaates Bayern als Zuwendungsgeber ihn nicht von der Verantwortung als Gesellschafter bzw. Vertragspartner des BuFV. Denn als Gesellschafter bzw. Vertragspartner trägt er - rollenbedingt - auch andere Kosten, zu denen er sich im Rahmen des BuFV bzw. Gesellschaftsvertrags verpflichtet hat. So trägt er - anteilig - auch nicht zuwendungsfähige Kosten.

Der ORH empfiehlt, beim U-Bahn Projekt Martinsried bzw. bei Projekten, bei denen in vergleichbarer Weise Bau- und Finanzierungsverantwortung auseinanderfallen,

  • als Gesellschafter die Kostenüberwachung nicht von einem - zeitlich nachlaufenden - Zuwendungsverfahren abhängig zu machen, sondern die Entwicklung der Bau-/Projektkosten laufend zu verfolgen;
  • die Gesellschafterrolle umfassend wahrzunehmen. Rechte, die die Stellung als Gesellschafter mit sich bringt, sollten genutzt werden, um die Gesellschaft aktiv zu steuern.

4.2 Kostenziel frühzeitig festlegen

Bei Projektgesellschaften, die mehrjährige Investitionsprojekte mit erheblichem Finanzumfang zum Gegenstand haben und bei denen in vergleichbarer Weise Bau- und Finanzierungsverantwortung auseinanderfallen, sollte der Freistaat Bayern als Gesellschafter neben Termin- und Qualitätszielen v.a. frühzeitig messbare Kostenziele setzen, diese etwa in die Zielvereinbarungen mit der Geschäftsführung aufnehmen und die Zielerreichung regelmäßig überwachen. Dabei sollte sichergestellt sein, dass die Mitarbeitenden und/oder der Projektsteuerer diesen Zielen ebenfalls verpflichtet sind.

Der ORH empfiehlt, beim U-Bahn-Projekt Martinsried bzw. bei Projekten, bei denen in vergleichbarer Weise Bau- und Finanzierungsverantwortung auseinanderfallen, zur aktiven Steuerung frühzeitig ein verbindliches Kostenziel festzulegen.

4.3 Aussagekräftiges Berichtswesen einrichten

Eine systematische Kostenüberwachung durch ein erweitertes Berichtswesen war weder bei der Prüfung 2020/2021 noch 2023 erkennbar, auch wenn sich der Gesellschafter Freistaat Bayern seit 08/2023 um ein verbessertes Berichtswesen bemüht.

Selbst wenn es sich beim Projekt U-Bahn Martinsried um ein besonderes Zusammenwirken von Staat und Kommunen handelt, liegt bei funktioneller Betrachtung ein klassisches Tiefbauprojekt vor. Dessen Kosten lassen sich durch ein aussagekräftiges Berichtswesen präzise überwachen. Dadurch wird der Gesellschafter Freistaat Bayern letztlich auch seiner haushaltsrechtlichen Verantwortung gerecht.

Eine bewusste Überwachung des Kostenziels erfordert eine Information über Ursachen und Gründe, die zu Änderungen der Kostenplanung führten. Mit transparent dargestellten Kostenrisiken, einer Kategorisierung der Mehrkosten sowie einer Gegenüberstellung aktueller und zurückliegender Kostenstadien kann der Freistaat Bayern als Gesellschafter die Entwicklung der Kosten anschaulich verfolgen und somit seiner Überwachungs- und Beratungsfunktion konsequent nachkommen.

Der ORH empfiehlt, beim U-Bahn-Projekt Martinsried bzw. bei Projekten, bei denen in vergleichbarer Weise Bau- und Finanzierungsverantwortung auseinanderfallen, ein aussagekräftiges Berichtswesen zu implementieren, um die Kosten fortlaufend kontrollieren und so die Wirtschaftlichkeit des Projekts sicherstellen zu können.

4.4 Budgetrecht wahren - transparente Darstellung im Haushalt

Der Grundsatz der Haushaltsklarheit erfordert, dass der Haushaltsplan möglichst nachvollziehbar, verständlich, transparent und übersichtlich ist, um erkennbar zu machen, wie hoch die einzelnen Ausgaben für welchen Zweck veranschlagt sind.[18] Nach Auffassung des ORH sollte der Landtag im Haushaltsgesetz daher zumindest darüber informiert werden,

  • wer die Vertragspartner des U-Bahn Projekts Martinsried sind, welche Ressorts die damit verbundenen Aufgaben und Ausgaben verantworten,
  • wie hoch der Finanzierungsumfang insgesamt ist und aus welchen Einzelplänen und Haushaltsstellen das Projekt finanziert wurde bzw. wird und
  • welche Kostentoleranz besteht bzw. welche Kostensteigerungen eingetreten sind und welcher erhöhte Finanzbedarf dadurch bei den jeweiligen Haushaltsstellen besteht.

Dies gilt insbesondere angesichts des vom Freistaat Bayern übernommenen Kostenrisikos: Falls die im Rahmen der Bundes-GVFG-Förderung zuwendungsfähigen Projektkosten den Höchstbetrag der Bundesförderung übersteigen, hat der Freistaat Bayern sich vertraglich dazu verpflichtet, diese Kosten zu tragen.

Das Auseinanderfallen von Aufgabenverantwortung (Gemeinde) und Finanzierungsverantwortung (Freistaat Bayern) darf nicht dazu führen, dass dem Haushaltsgesetzgeber wesentliche Informationen über staatliche Ausgaben vorenthalten werden.

Der ORH empfiehlt, beim U-Bahn-Projekt Martinsried bzw. bei Projekten, bei denen in vergleichbarer Weise Bau- und Finanzierungsverantwortung auseinanderfallen, das Budgetrecht des Parlaments in den Fokus zu rücken und die geplanten bzw. tatsächlichen Kosten des Gesamtprojekts im Haushalt transparent darzustellen.



Anlage 1: Darstellung der Kostenentwicklung der Staatsministerien

Anlage 1: Darstellung der Kostenentwicklung der Staatsministerien
© ORH


Anlage 2: Erläuterung bzw. Einordnung des ORH zur Darstellung der Staatsministerien (vgl. Anlage 1)

Erläuterung bzw. Einordnung des ORH zur Darstellung der Staatsministerien (vgl. Anlage 1)
© ORH

In der Säule „2022 Förderantrag“ ist bei der Darstellung der Staatsministerien nicht transparent, woraus sich die mittelblaue Säule mit 132 Mio. € zusammensetzt. Dies sind zum einen die Kosten der Kostenprognose 2014 mit 73,5 Mio. €. Zum anderen handelt es sich um Mehrkosten wie z.B. Preissteigerungen von 58,5 Mio. €.

Mehr- und Zusatzkosten von insg. 80 Mio. € (z.B. für Altlasten) sind keine zum Zeitpunkt 2014 bekannten bzw. fortgeführten Kosten. Diese können sich inhaltlich auf die Kategorien wie Rohbau beziehen. Sie sind jedoch nicht damit identisch, sodass nach Auffassung des ORH die Verwendung anderer Farben angezeigt ist.

Der Gesamttrend der Kostenentwicklung (gestrichelte Linie der ORH-Grafik) beschreibt damit die Entwicklung von 73,5 Mio. € (2014) bis zu 212 Mio. € (2022) und nicht nur den Anstieg von 73,5 Mio. € auf 132 Mio. €.



Anlage 3: Kosten des Gesamtprojekts lt. Staatsministerien

Kosten des Gesamtprojekts lt. Staatsministerien
© ORH

Die Verwaltung hat die ihr bekannten Kosten des Gesamtprojekts am 18.10.2024 mitgeteilt.

Nach wie vor sind lediglich die Kosten der PMG unmittelbar aus dem Haushaltsplan ersichtlich.



[1]     In nachfolgender Darstellung ist dieser Bereich grün hinterlegt.

[2]     Kap. 09 07 Tit. 685 68.

[3]     Vgl. Abbildungen 11 und 12.

[4]     Bayerische Staatsregierung, Pressemitteilung, 16.12.2014, Verlängerung U-Bahnlinie U6, gelesen in: https://www.bayern.de/verlaengerung-u-bahnlinie-u6/; https://www.innenministerium.bayern.de/med/pressemitteilungen/pressearchiv/2014/432/index.php; https://www.stmi.bayern.de/med/pressemitteilungen/pressearchiv/2014/432/index.php.

[5]     Münchner Merkur, 01.02.2022, Kreisräte stimmen U-Bahn Mehrkosten zu.

[6]     Münchner Merkur, 25.11.2022, Großprojekt wird teurer: U-Bahn nach Martinsried kostet 212 Mio. Euro.

[7]     Münchner Merkur, 25.11.2022, Großprojekt wird teurer: U-Bahn nach Martinsried kostet 212 Mio. Euro.

[8]     Ohne P&R-Anlage, Rechnungsprüfung, Fahrzeugbeschaffung, nachträglicher Investitionskosten, Kosten der PMG und Betriebskosten.

[9]     Bund bzw. der Freistaat Bayern tragen 95% der zuwendungsfähigen Bauinvestitionskosten; der Freistaat Bayern trägt 85% der zuwendungsfähigen Kosten für die P&R-Anlage.

[10]    Regierung von Oberbayern, Planfeststellungsbeschluss - Neubaustrecke der U-Bahn-Linie 6-West von München-Klinikum Großhadern nach Planegg-Martinsried, Planfeststellungsabschnitt 27, Tekturen f und g - Straßenbahn-Bau- und Betriebstechnik, Brandschutz, 21.12.2021, Kap. 2. Nebenbestimmungen, S. 6 ff. gelesen in: https://www.regierung.oberbayern.bayern.de/mam/dokumente/bereich2/pfv/eisenbahn/2021/neubaustrecke-u6-west/2021-01-21_aenderung-pfb_neubaustrecke-u-bahn-linie_6_west.pdf.

[11]    Statistisches Bundesamt, Bau- und Immobilienpreisindex, Preisindizes für die Bauwirtschaft - Fachserie 17 Reihe 4 - November 2022, gelesen am 03.03.2023 in: https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Preise/Baupreise-Immobilienpreisindex/_inhalt.html#sprg229212.

[12]    Zuweisungen für den öffentlichen Personennahverkehr nach dem Entflechtungsgesetz - ergänzende Bundesprogramme.

[13]    HG 2019/2020, Kap. 09 07 Tit. 685 68, Personal- und Sachaufwand der U-Bahn Martinsried Projektmanagement GmbH & Co. KG, 200 T€.

[14]    Siehe Abbildung 11.

[15]    Vgl. Anlage 3.

[16]    Vgl. Gröpl/Tappe, BHO, 2. Aufl. 2019, § 11 BHO Rdnr. 28.

[17]    Vgl. VV Nr. 2.1 Sätze 1 und 2 zu Art. 17 BayHO.

[18]    Vgl. Gröpl BHO/Tappe, 2. Aufl. 2019, § 11 BHO Rdnr. 28.


Allgemeine Anmerkungen

Im Sinne der besseren Lesbarkeit beziehen sich alle Personen- und Funktionsbezeichnungen im Jahresbericht auf alle Geschlechtsformen.

Zahlen sind aus Gründen der Übersichtlichkeit i.d.R. auf eine Nachkommastelle gerundet. Die zugrunde liegenden Rechenoperationen basieren z.T. auf ungerundeten Zahlen, dadurch können Rundungsdifferenzen auftreten.


Verzeichnis der Abkürzungen

Abkürzung Begriff
BayFAG Bayerisches Finanzausgleichsgesetz
BayGVFG Bayerisches Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz
BayHO Bayerische Haushaltsordnung
BuFV Bau- und Finanzierungsvertrag
GVFG Gesetz über Finanzhilfen des Bundes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden (Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz)
HG Haushaltsgesetz
HOAI Honorarordnung für Architekten und Ingenieure
ÖPNV Öffentlicher Personennahverkehr
ORH Bayerischer Oberster Rechnungshof
PMG U-Bahn Martinsried Projektmanagement GmbH & Co. KG
ROB Regierung von Oberbayern
Staatsministerien Bau-, Wissenschafts- und Finanzministerium
VV BayHO Verwaltungsvorschriften zur Bayerischen haushaltsordnung