TNr. 15 Überblick zur Finanzierung coronabedingter Maßnahmen
Die Kreditaufnahme im Staatshaushalt beim Sonderfonds Corona-Pandemie wurde 2022 abgeschlossen. Insgesamt wurden in den Jahren 2020 bis 2022 neue Kredite von 10,2 Mrd. € für coronabedingte Maßnahmen aufgenommen. Beim BayernFonds wurden in diesem Zeitraum 40,4 Mio. € neue Kredite aufgenommen.
Zur Finanzierung von Maßnahmen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie wurden 2020 bis 2023 erhebliche Mittel veranschlagt bzw. Ermächtigungen zu Bürgschaftsübernahmen[1] geschaffen. Diese Maßnahmen werden zum einen über den Staatshaushalt, insbesondere beim Kap. 13 19 (Sonderfonds Corona-Pandemie) und seit 2022 beim Kap. 13 18 (Corona-Investitionsprogramm) sowie zum anderen - außerhalb des Staatshaushalts - im Sondervermögen BayernFonds abgewickelt.
Hiernach ergab sich für die Jahre 2020 bis 2023 folgender Finanzierungsrahmen:
Der ORH erkennt die Notwendigkeit und Dringlichkeit von Maßnahmen zur Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie grundsätzlich an. Auch hält der ORH in diesem Zusammenhang die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung in den Jahren 2020 bis 2022 des Art. 109 Abs. 3 Satz 2 GG, Art. 82 Abs. 3 Satz 1 BV grundsätzlich für gerechtfertigt. Dabei sind die verfassungsmäßigen und haushaltsrechtlichen Vorgaben zu beachten. Darauf hat der ORH bereits in seiner Unterrichtung des Landtags und der Staatsregierung im Februar 2022 hingewiesen.[2]
Mit Urteil vom 15.11.2023 in Sachen 2. Nachtragshaushalt 2021 des Bundes hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erstmals höchstrichterlich die verfassungsrechtlichen Anforderungen für eine Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung von der Schuldenbremse für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen festgestellt.[3] Danach ist neben den im Grundgesetz geschriebenen Voraussetzungen insbesondere ein sachlicher Veranlassungszusammenhang zwischen der Naturkatastrophe oder außergewöhnlichen Notsituation und der Überschreitung der Kreditobergrenze erforderlich.[4] Zudem stellt das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich klar, dass sich die haushaltsrechtlichen Grundsätze der Jährlichkeit, Jährigkeit und Fälligkeit auch auf die Ausnahmeregelung zur Schuldenbremse bei Naturkatastrophen und außergewöhnlichen Notsituationen erstrecken und nicht durch den Einsatz von Sondervermögen umgangen werden können.[5]
15.1 Staatshaushalt des Freistaates: coronabedingte Maßnahmen
Grundsätzlich ist der Haushalt ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen (Schuldenbremse).[6] Ausnahmen sind nur unter den Voraussetzungen der Art. 109 Abs. 3 Satz 2 GG und 82 Abs. 3 Satz 1 BV möglich. Diese seien lt. den amtlichen Erläuterungen der HG 2020 bis 2022[7] erfüllt gewesen, da in der Corona-Pandemie eine Naturkatastrophe und außergewöhnliche Notsituation zu sehen sei, die sich der Kontrolle des Staates entzogen und die staatliche Finanzlage absehbar erheblich beeinträchtigt habe. Insofern sahen die HG für die Jahre 2020 bis 2022 neue notlagenbedingte Kreditermächtigungen vor. Hiermit sollte auf die Corona-Pandemie reagiert und deren negative wirtschaftliche, soziale und gesellschaftliche Folgen gemildert werden. 2023 wurden die coronabedingten Maßnahmen zwar noch in reduziertem Umfang fortgesetzt bzw. abfinanziert, es standen jedoch weder neue noch aus dem Vorjahr übertragene notlagenbedingte Kreditermächtigungen zur Verfügung.
Die Kreditaufnahme belief sich im Haushaltsjahr 2020 auf 7,2 Mrd. €, 2021 auf 2,9 Mrd. € und 2022 auf 63,5 Mio. €. Von der mit dem HG 2022 eröffneten Möglichkeit, die Ausgaben des Corona-Investitionsprogramms (Kap. 13 18) sowie der Hightech Agenda Plus mit notlagenbedingten Krediten zu finanzieren, wurde aufgrund von Vollzugsverbesserungen - wie z.B. höheren Steuereinnahmen - im Allgemeinen Haushalt kein Gebrauch gemacht. Die notlagenbedingte Kreditaufnahme beim Sonderfonds Corona-Pandemie (Kap. 13 19) wurde in 2022 abgeschlossen und die nicht in Anspruch genommenen Kreditermächtigungen vollständig in Abgang gestellt.[8] Damit wurde der Empfehlung des ORH,[9] Vollzugsverbesserungen unmittelbar zur Verminderung der Nettokreditaufnahme einzusetzen, um den Gesamtkreditrahmen weiter zu reduzieren, Rechnung getragen. Von dem ursprünglich mit dem 2. NHG 2020 vorgesehenen maximalen Gesamtkreditrahmen von 20,0 Mrd. € wurden 2020 bis 2022 tatsächlich 10,2 Mrd. € in Anspruch genommen.
Die Einnahmen und Ausgaben für coronabedingte Maßnahmen im Staatshaushalt stellen sich für die Jahre 2020 bis 2023 wie folgt dar:
Staatsbürgschaften, Garantien und Gewährleistungen
Angesichts der Corona-Pandemie hat der Freistaat das bestehende Instrumentarium im Bereich Bürgschaften, Garantien und sonstige Gewährleistungen des Staates deutlich ausgeweitet:
Das Finanzministerium wurde 2020 ermächtigt, eine globale Rückbürgschaft gegenüber der LfA von 12,0 Mrd. € zu übernehmen. Die in die Rückbürgschaft einbezogenen Corona-Programme sind zum 30.06.2022 ausgelaufen. Die Rückbürgschaft wurde nach Auslaufen der Corona-Programme entsprechend des tatsächlichen Bedarfs von 12,0 Mrd. € auf 1.488,0 Mio. € herabgesetzt. Im Umfang des Restbetrags von 10.512,0 Mio. € wurde eine Rückbürgschaft für Maßnahmen im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine übernommen. Die coronabedingte Inanspruchnahme aus der globalen Rückbürgschaft beläuft sich bisher auf 49,7 Mio. €.
Staatsbürgschaften nach dem BÜG werden unmittelbar vom Finanzministerium gewährt. Zum 31.12.2023 sind von den in der Corona-Krise ausgereichten sechs Staatsbürgschaften noch vier Staatsbürgschaften im Bestand. Der Freistaat wurde bisher mit 64,4 Mio. € in Anspruch genommen.[10]
Im Bereich der gewerblichen Wirtschaft stellt die LfA den Freistaat bei einer etwaigen Inanspruchnahme aus Rückbürgschaften und -garantien, die der Freistaat gegenüber der BBB und BGG übernommen hat, i. d. R. frei (vgl. TNr. 14.1). Dies galt nicht während der Corona-Pandemie. Das Risiko verbleibt somit beim Freistaat. Der Freistaat wurde bisher in Höhe von 0,6 Mio. € in Anspruch genommen.
15.2 Außerhalb des Staatshaushalts: Sondervermögen - BayernFonds
Zur Bewältigung der Corona-Pandemie wurde 2020 außerhalb des Staatshaushalts das Sondervermögen BayernFonds eingerichtet und die Bayerische Finanzagentur GmbH gegründet.[11] Der BayernFonds konnte u.a. Schulden aufnehmen, insbesondere um sich an der Rekapitalisierung von Unternehmen zu beteiligen. Insgesamt wurden bis zum Jahr 2022 Kredite von 40,4 Mio. € aufgenommen.
Bis zum 31.12.2021 wurden mit drei[12] Unternehmen Stabilisierungsmaßnahmen mit einem Gesamtvolumen von 38,1 Mio. € vertraglich vereinbart, die bis Ende Januar 2022 in voller Höhe ausgereicht wurden. Zwei der drei Unternehmen, die der BayernFonds mit 18,1 Mio. € unterstützt hat, meldeten im Juni 2022 und August 2023 Insolvenz an.
Stabilisierungsmaßnahmen des BayernFonds waren zeitlich befristet bis zum 30.06.2022.[13] Nach diesem Zeitpunkt sind die finanziellen Risiken für den Staatshaushalt begrenzt: Der BayernFonds kann sich ausschließlich an den Bestandsunternehmen mit neuen Maßnahmen beteiligen, soweit dies erforderlich ist, um den Anteil seiner Kapitalbeteiligung an den Unternehmen aufrechtzuerhalten oder gewährte Stabilisierungsmaßnahmen abzusichern.[14]
Nach dem o. g. Urteil des BVerfG sind im Rahmen der grundgesetzlichen Schuldenbremse der Kernhaushalt und unselbstständige Sondervermögen als Einheit zu betrachten. Die allgemeinen Anforderungen aus dem Zeitbezug der Schuldenbremse bleiben bei dem Einsatz eines Sondervermögens im Grundsatz anwendbar.[15] Vor diesem Hintergrund ist sicherzustellen, dass die (notlagenbedingte) Kreditermächtigung im BayFoG und deren Inanspruchnahme sowie das Haushaltsjahr, in welchem die Notlage festgestellt wurde, grundsätzlich nicht auseinanderfallen. Gemäß Art. 9 Abs. 1 BayFoG besteht die Möglichkeit, Kredite im BayernFonds aufzunehmen. Laut Finanzministerium erfolge bereits seit dem Haushaltsjahr 2023 keine Nettokreditaufnahme beim Sondervermögen mehr; die Finanzierung erfolge seither aus regulären Haushaltsmitteln im Staatshaushalt des Freistaates.[16] Auch vor diesem Hintergrund hält der ORH die Kreditermächtigung im BayFoG über das Jahr 2022 hinaus für nicht mehr erforderlich. Nach Aussage des Finanzministeriums sei mit dem E-HG 2024/2025 vorgesehen, die Kreditermächtigung im BayFoG zeitlich zum 31.12.2022 zu begrenzen und den Fonds mit Ablauf des 31.07.2024 aufzulösen.
[1] Art. 8 Abs. 22 2. NHG 2020, Art. 8 Abs. 13 HG 2021, Art. 8 Abs. 14 HG 2022 und Art. 8, 9 HG 2023.
[2] Siehe Sonderbericht des ORH zu ausgewählten Entwicklungen der Haushaltslage 2020 bis 2022 vom Februar 2022, abrufbar unter https://www.orh.bayern.de/berichte/sonderberichte/unterrichtung_2022_aktuelle_entwicklungen_der_haushaltslage.pdf.
[3] BVerfG Urteil vom 15.11.2023 - 2 BvF 1/22.
[4] Vgl. Fn. 3 BVerfG Rn. 125.
[5] Vgl. Fn. 3 BVerfG Rn. 155.
[6] Art. 109 Abs. 3 Satz 2 GG, Art. 82 Abs. 1 Satz 1 BV, Art. 18 Abs. 1 BayHO.
[7] Erläuterung zu § 1 Nr. 3 1. NHG 2019/2020
https://www.stmfh.bayern.de/haushalt/staatshaushalt_2019/haushaltsplan/Nachtrag.pdf, S. 17 ff., abgerufen am 14.12.2022
Erläuterung zu § 1 Nr. 2 2. NHG 2020
https://www.stmfh.bayern.de/haushalt/staatshaushalt_2019/haushaltsplan/Nachtrag2.pdf, S. 9 ff., abgerufen am 14.12.2022
Erläuterung zu Art. 2a Abs. 1 HG 2021
https://www.stmfh.bayern.de/haushalt/staatshaushalt_2021/haushaltsplan/_Haushaltsgesetz.pdf, S. 34 ff., abgerufen am 14.12.2022
Erläuterung zu Art. 2a Abs. 1 HG 2022
https://www.stmfh.bayern.de/haushalt/2022/haushaltsplan/Haushaltsgesetz.pdf, S. 30 ff., abgerufen am 14.12.2022.
[8] Vgl. TNr. 1.4 sowie die TNrn. 1.4 der ORH-Berichte 2022 und 2023.
[9] ORH-Bericht 2023 TNr. 17.
[10] Davon 13,3 Mio. € als Abschlagszahlung ohne Anerkennung des Ausfalls dem Grunde und der Höhe nach.
[11] BayFoG.
[12] Ergebnisse der Suchanfrage für Deutschland nach der Beihilfemaßnahme „BayernFonds“,
https://webgate.ec.europa.eu/competition/transparency/public/search/results, abgerufen am 18.12.2023.
[13] Art. 11 Abs. 1 BayFoG.
[14] Art. 11 Abs. 2 BayFoG.
[15] Vgl. Fn. 3 BVerfG Rdnrn. 182, 174.
[16] Erläuterung zu Kap. 13 19/916 55.