Stellung im Staatsaufbau
Im föderalen Staatsaufbau der Bundesrepublik Deutschland haben die Länder eine eigene originäre Staatsrechtsqualität gegenüber dem Bund. Daraus folgt, dass Bund und Länder in ihrer Haushaltswirtschaft selbständig und voneinander unabhängig sind (Art. 109 Abs. 1 GG). Damit sind auch die Finanzkontrollbehörden von Bund und Ländern selbständig. Sie prüfen jeweils die Haushalts- und Wirtschaftsführung ihrer Körperschaft. Es gibt also weder ein Weisungsrecht des Bundesrechnungshofs noch einen Instanzenzug zum Bundesrechnungshof. Auch hat der Bundesrechnungshof kein Außenvertretungsrecht für die Landesrechnungshöfe; diese schließen Vereinbarungen mit ausländischen Rechnungshöfen kraft eigenen Rechts ab.
Im Staatsaufbau des Freistaats Bayern ist der Bayerische Oberste Rechnungshof als eine der Staatsregierung gegenüber selbständige, nur dem Gesetz unterworfene oberste Staatsbehörde ausgestaltet (Art. 1 des Gesetzes über den Bayerischen Obersten Rechnungshof). Seine Existenz und seine Aufgabe sind in der Verfassung geregelt (Art. 80 der Bayerischen Verfassung). Der ORH hat den Auftrag, die gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung des Freistaats Bayern zu prüfen. Er ist so in das Entlastungsverfahren der Staatsregierung durch das Parlament eingebunden. Für seine Aufgabe ist dem ORH verfassungsrechtlich die richterliche Unabhängigkeit garantiert, die von der Auswahl des Prüfungsstoffs bis hin zur Berichterstattung an das Parlament reicht.
Der ORH kann keiner der drei klassischen Staatsgewalten (Gesetzgebung, vollziehende Gewalt, Rechtsprechung) eindeutig zugeordnet werden. Der ORH ist jedenfalls kein Gericht, weil er keine Urteile mit Rechtskraftwirkung fällen kann. Die Einordnung in den Bereich der vollziehenden Gewalt scheitert daran, dass der ORH weder Weisungen unterworfen ist, noch selbst Weisungen und Sanktionen insbesondere gegenüber geprüften Stellen aussprechen kann. Außerdem ist der ORH nicht als Hilfsorgan dem Landtag unterstellt. Man geht heute eher davon aus, dass der ORH als unabhängiges Organ der externen öffentlichen Finanzkontrolle eine verfassungsrechtliche Einrichtung "sui generis" ist. Als solche trägt er dazu bei, dass, soweit es um die Haushaltswirtschaft des Staates geht, die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung funktionsfähig bleibt. Um dieser Aufgabe gerecht werden zu können, hat der ORH den gleichen Abstand (Äquidistanz) zur gesetzgebenden und vollziehenden Gewalt.