TNr. 42 Generalsanierung und Betrieb des Justizpalastes Bayreuth

Justizpalast Bayreuth
© Landgericht Bayreuth


Die Generalsanierung des Justizpalastes Bayreuth mit Gesamtkosten von 11,4 Mio. € hätte wirtschaftlicher durchgeführt werden können: Falls künftig Maßnahmen wie Generalsanierungen mit Gesamtkosten von mehr als 3 Mio. € dem Bauunterhalt zuzuordnen sind, sollten die wesentlichen fachlichen Vorgaben für Große Baumaßnahmen entsprechend umgesetzt werden. Eine vorausgehende Planung ermöglicht eine strukturierte Auftrags­vergabe; allein dadurch sind erhebliche Kosteneinsparungen zu erwarten. Darüber hinaus ist ein nachhaltiges Gebäudemanagement erforderlich, das die vorhandenen Kosten- und Energieeinsparpotenziale konsequent nutzt.

Der ORH hat 2022 zusammen mit den Staatlichen Rechnungsprüfungsämtern Bayreuth, Regensburg und Augsburg die von März 2008 bis Dezember 2014 durchgeführte Generalsanierung und den sich daran anschließenden Betrieb des Justizpalastes Bayreuth geprüft. Prüfungsmaßstab waren Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sowie insbesondere die Einhaltung der haushalts- und vergaberechtlichen Vorschriften.

42.1 Ausgangslage

Der denkmalgeschützte Justizpalast Bayreuth (Baujahr 1904) ist Sitz des Landgerichts und der Staatsanwaltschaft Bayreuth. Zudem sind dort auch Teile des Amtsgerichts Bayreuth untergebracht. Die Durchführung von Baumaßnahmen und die Unterhaltung der baulichen Anlagen obliegen der staatlichen Hochbauverwaltung (hier dem staatlichen Bauamt (StBA) Bayreuth) im Auftrag des zuständigen Staatsministeriums.[1] Grundbesitz bewirtschaftende Dienststelle (GbD) des Justizpalastes ist der Präsident des Landgerichts Bayreuth.[2]

Zuständigkeiten und Verfahren für Maßnahmen des Bauunterhalts sowie für Kleine und Große Baumaßnahmen sind in den Richtlinien für die Durchführung von Hochbauaufgaben des Freistaates Bayern (RLBau) geregelt.

Zu Beginn der Generalsanierung galten die RLBau 1999[3], die im Mai 2011 (RLBau 2011[4]) und Dezember 2019 (RLBau 2020[5]) neu gefasst wurden. Als Maßstab für die Prüfung wurden die zum jeweiligen Zeitpunkt geltenden RLBau herangezogen. Die jeweilige Abgrenzung der Maßnahmen des Bauunterhalts von Kleinen und Großen Baumaßnahmen blieb dabei im Wesentlichen unverändert. Solche Maßnahmen dürfen nur unter Berücksichtigung der Haushaltsgrundsätze, insbesondere der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, durchgeführt werden.[6]

Zu Beginn der Generalsanierung waren Große Baumaßnahmen als Neu-, Um- und Erweiterungsbauten mit Gesamtkosten über 1 Mio. € (ab RLBau 2020  3 Mio. €) definiert, sofern u.a. neue bauliche Anlagen geschaffen oder bestehende Liegenschaften in ihrer baulichen Substanz wesentlich verändert werden.[7] Für Große Baumaßnahmen stellt das StBA eine Haushaltsunterlage-Bau (HU-Bau) auf (ab RLBau 2020 Projektunterlage).[8] Große Baumaßnahmen werden in der Anlage S des Haushaltsplans gesondert ausgewiesen, durch den Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen beraten und durch den Landtag beschlossen.

Für Große Baumaßnahmen sind vor der Veranschlagung von Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen zwingend Pläne, Kostenermittlungen und Erläuterungen vorzulegen, aus denen die Art der Ausführung, die Kosten der Baumaßnahme, des Grunderwerbs und der Einrichtungen sowie die vorgesehene Finanzierung und ein Zeitplan ersichtlich sind.[9]

Die RLBau nennen für den Bauunterhalt selbst keine Wertgrenze. Als Bauunterhalt dürfen nur Maßnahmen abgewickelt werden, die der Instandhaltung und Instandsetzung dienen und keine Veränderung der Grundstücke und Gebäude in ihrem Bestand zur Folge haben. Zu Beginn der Generalsanierung galten kleine bauliche Veränderungen oder Ergänzungen bis zu 25.000 € im Einzelfall als Bauunterhalt.[10]

Generalsanierungen werden in den RLBau nicht definiert und folglich auch keiner dieser Kategorien zugeordnet. Unabhängig von dieser Zuordnung gelten allerdings folgende weitere Anforderungen für Übergabe und Betrieb:

Das StBA hat eine fertiggestellte bauliche Anlage vor deren Inbetriebnahme förmlich an die GbD zu übergeben.[11] StBA und GbD müssen hierzu eine gemeinsame Begehung durchführen. Das Betriebspersonal ist in die technischen Anlagen einzuweisen. Die Bauübergabe muss das StBA in einer Niederschrift dokumentieren. Daneben sind die in den RLBau aufgeführten Übergabe- und Bestandsunterlagen beizufügen. Eine zentrale Bedeutung hat hierbei, dass das StBA das Geräteverzeichnis und die Übersicht über bekannte Auflagen, Rechte und Pflichten sorgfältig und vollständig erstellt.

Mit der förmlichen Übergabe geht die Verantwortung für die bauliche Anlage auf die GbD über. Die Übergabe der o.g. Unterlagen ist Voraussetzung für ein ordnungsgemäßes technisches Gebäudemanagement sowie die Erfüllung anderer Aufgaben und Pflichten zur gesamten Gebäudebewirtschaftung (z.B. Verkehrssicherungspflicht).

Die GbD muss die technischen Anlagen nach den Grundsätzen der Sicherheit, der technischen Zuverlässigkeit, der Wirtschaftlichkeit sowie des Umweltschutzes betreiben. Zudem sind Inspektionen und Wartungen regelmäßig durchzuführen. Hierzu muss eine Betriebsdatei geführt werden, die alle hierfür notwendigen Angaben enthält, wie z.B. Bestands- und Leistungsdaten, Inspektionen und Wartungen oder vorgeschriebene und durchgeführte Prüfungen.[12]

Die Bewirtschaftung von Gebäuden ist konsequent auf eine sparsame und rationelle Energieverwendung auszurichten. Die GbD muss deshalb fortlaufende Aufzeichnungen über den Verbrauch von Wärme, Kühlenergie, Strom und Wasser sowie über die weiteren Baunutzungskosten führen.[13] Aufgrund der Daten und Auswertungen muss das StBA[14] über weitere Verbesserungsmaßnahmen entscheiden.

44.2 Feststellungen

42.2.1 Planung und Umsetzung

Nach der Aufstellung zur Haushaltsunterlage des StBA zur Sanierung der gebäudetechnischen Anlagen vom 30.01.2008 stellt die Generalsanierung, insbesondere die Klimatisierung der Sitzungssäle, aufgrund der bauhistorischen Gegebenheiten einen erheblichen Eingriff in die vorhandene Bausubstanz dar. Dementsprechend enthielt auch die Anlage S (Große Baumaßnahmen) zum Haushaltsplan 2007/2008 bei Kap. 04 04 Tit. 736 01 einen Planungstitel.

Die Oberste Baubehörde im Innenministerium erteilte am 31.03.2008 die baufachliche Genehmigung für Gesamtkosten von 9,7 Mio. €. Auf dem Formblatt zur Kostenberechnung war Kap. 04 04 Tit. 519 01 (Bauunterhalt) angegeben. In der Folge wurde die Generalsanierung als Bauunterhalt abgewickelt. In den weiteren Jahren wiesen die Haushaltspläne des Freistaates hierfür weder bei Kleinen noch bei Großen Baumaßnahmen entsprechende Haushaltsansätze aus. Eine nähere Begründung hierfür konnte das Justizministerium nicht vorlegen.

Nach den Feststellungen des ORH beinhaltete die Generalsanierung des Justizpalastes Maßnahmen, die die Liegenschaft in ihrer baulichen Substanz wesentlich veränderten und zudem wesentliche Wertsteigerungen zur Folge hatten:

  • Einbau von fünf neuen Klimageräten und Neukonzeption der Saalklimatisierung mit einer dezentralen Klimatisierung mit individueller Luftaufbereitung für jeden einzelnen Sitzungssaal, neue Klimazentrale mit Einhausung und neue Kältemaschine im Dachgeschoss.
     
  • Umsetzung von Maßnahmen zur Barrierefreiheit (z.B. Einbau eines zusätzlichen, behindertengerechten Personenaufzugs).
     
  • Komplette Sanierung der Fensterkonstruktionen in allen Gebäudeabschnitten (z.B. zusätzliche Vorfenster, Einbau durchwurfhemmender Metallfenster mit Gitter im Kellergeschoss).
     
  • Herstellung bzw. Neugestaltung der Außenanlagen mit Parkplatzfläche und Justizgarten.
     
  • Einbau von Fahrregallagern mit Ertüchtigung der Bodenplatte zur Schaffung eines Archivs zur Aktenlagerung.

Die Ausgabemittel für die Generalsanierung wurden vom Justizministerium in vielen einzelnen Teilbeträgen zugewiesen. Somit war für das StBA im Zuge der Baumaßnahme nicht rechtzeitig absehbar, in welcher Höhe und nicht immer, zu welchen Zwecken Mittelzuweisungen erfolgen würden. Planungen, Ausschreibungen und Bauausführung waren immer nur im Rahmen dieser Zuweisungen möglich. Viele Gewerke mussten in Einzelaufträge aufgeteilt werden, da die Ausgabebefugnis nicht für die Vergabe der gesamten Bauleistung ausreichte.

Die Abwicklung als Bauunterhalt führte nach Angaben des StBA dazu, dass sich die Bauablaufplanung überwiegend nach den zur Verfügung gestellten Haushaltsmitteln gerichtet habe und die Aufträge aufgeteilt worden seien. Neben dem zusätzlichen Verwaltungsaufwand habe dies auch höhere Kosten ausgelöst.

Die Beauftragung mehrerer Firmen für ein Gewerk habe negative Auswirkungen auf Ausführung und Gewährleistung und höhere Kosten zur Folge gehabt (vgl. TNrn. 42.2.2 und 42.3.2). Letztlich seien auch die Mängel bei der Gebäudeübergabe (vgl. TNrn. 42.2.3 und 42.3.3) eine Folge der Einstufung als Bauunterhalt, da detaillierte Vorschriften nur für eine Große oder Kleine Baumaßnahme bestünden.

Zusätzlich wurden unmittelbar vor und während der Generalsanierung Teilbau- und Beschaffungsmaßnahmen mit Kosten von mindestens[15] 700.000 € durchgeführt und auf den Haushaltstiteln für Kleine Baumaßnahmen, für sonstige Sachinvestitionen oder für energetische Sanierungen gebucht (Sanierung WC-Trassen, Installation Videokonferenzanlage, Wärmedämmung Decke 2. Obergeschoss).

42.2.2 Auftragsvergabe

Die Auswertung des ORH zeigt, dass sich die Gesamtkosten neben den Hauptauftrags­summen aus Nachträgen von 1.953.866,90 € und sonstigen Aufträgen von 625.721,10 € zusammensetzen. Daneben wurden Leistungen abgerechnet, die sich im Bauablauf einvernehmlich als notwendig herausstellten, aber ursprünglich nicht schriftlich beauftragt worden waren (sog. Unterschiedsbetragssummen (UB-Summen)). Diese ergaben insgesamt 935.552,76 €. Die Aufteilung der Gesamtkosten der Generalsanierung ist der folgenden Tabelle zu entnehmen:

TNr 42 Tab 66 Aufteilung der Gesamtkosten
© ORH

Die Aufteilung der Hauptauftragssummen nach der Vergabeart entsprechend dem IT-Verfahren der Bauverwaltung (Datenbank HHV-Bau) ist der folgenden Tabelle zu entnehmen:

TNr 42 Tab 67 Aufteilung der Hauptauftragssummen nach Vergabearten
© ORH

Im Ergebnis wurden 4,3 Mio. € (38% der Gesamtkosten) über Bestellscheinverfahren, Direktaufträge oder Nachträge beauftragt bzw. ohne Beauftragung bezahlt (UB-Summen). Diesen Vergaben liegt in der Regel kein Wettbewerb und insbesondere kein Preiswettbewerb zugrunde.

Beispiel:

Für das Gewerk „Sanitär/Heizung“ wurden drei Aufträge nach Beschränkten Ausschreibungen mit einem Auftragswert von insgesamt 161.471,05 € vergeben. Darüber hinaus wurden derselben Firma 69 weitere Aufträge mit einem Gesamtauftragswert von 146.167,74 € als Direktaufträge oder im Bestellscheinverfahren erteilt. Zudem wurden neben einem Nachtrag von 45.121,58 € zusätzlich 89.412,37 € ohne formellen Auftrag abgerechnet (UB-Summe). Die Aufträge wurden also mit insgesamt 442.172,74 € vergütet.

42.2.3 Bauübergabe

Die Generalsanierung des Justizpalastes wurde im Dezember 2014 abgeschlossen. Eine förmliche Übergabe des StBA an das Landgericht als GbD fand weder für die einzelnen Bauabschnitte noch für die gesamte bauliche Anlage statt. Auch die Übergabeunterlagen waren unvollständig. So fehlten insbesondere das Geräteverzeichnis mit den Bedienungsanleitungen und das Gewährleistungsverzeichnis mit allen Mängelanspruchsfristen. Die Justizverwaltung hatte die unvollständigen Unterlagen nicht bemängelt.

Für die Gewerke Heizung und Sanitär einschließlich Trinkwasseranlage waren zum Prüfungszeitpunkt keine, für das Gewerk Lüftung nur unvollständige Bestandsunterlagen auffindbar.

42.2.4 Technisches Gebäudemanagement

Das Landgericht führte die vorgeschriebene Betriebsdatei über die technischen Anlagen nicht. Zu Inspektionen und Wartungen existierte auch kein sonstiges zentrales Verzeichnis. Es gab somit keine zentrale Dokumentation und keinen Terminplan. Der Nachweis, dass die technischen Anlagen tatsächlich regelmäßig inspiziert bzw. gewartet wurden, konnte nicht erbracht werden. Auch wertete das Landgericht den Verbrauch von Strom, Wasser und Wärme nicht aus und führte kein Energiecontrolling durch.[16]

Das Landgericht hatte keine Übersicht über alle Aufgaben und Pflichten als GbD bezüglich der Bewirtschaftung des Gebäudes (z.B. Verkehrssicherungspflichten, besondere gesetzliche oder behördliche Prüfpflichten). Die Bauverwaltung stellte bei entsprechenden Begehungen[17] schon 2015 und 2020 bauliche Mängel fest und zeigte die Notwendigkeit weiterer Prüfungen auf. Über Jahre hinweg wurden weder die Mängel behoben noch die Prüfungen durchgeführt. Abgesehen von einzelnen Aufgabenzuweisungen in den Stellenbeschrei­bungen waren weitere Festlegungen und Zuständigkeiten nicht dokumentiert (z.B. im Geschäftsverteilungsplan).

42.3 Würdigung und Empfehlungen

42.3.1 Planung und Umsetzung

Die Generalsanierung des Justizpalastes mit baufachlich genehmigten Gesamtkosten von 9,7 Mio. € und den unter TNr. 42.2.1 dargestellten umfangreichen Maßnahmen, die die Liegenschaft in ihrer baulichen Substanz wesentlich veränderten und zudem wesentliche Wertsteigerungen zur Folge hatten, hätte nach Auffassung des ORH als Große Baumaßnahme durchgeführt werden müssen. Die Teilbau- und Beschaffungsmaßnahmen mit Kosten von mindestens 700.000 €, die unmittelbar vor und während der Generalsanierung und damit aus gleichem Anlass durchgeführt wurden, hätten infolge nicht gesondert abgewickelt werden dürfen.

Die Durchführung der Generalsanierung im Bauunterhalt führte zu einer kleinteiligen Planung, Beauftragung und Ausführung in Abhängigkeit von den zugewiesenen Haushaltsmitteln. Diese verursachte, wie auch das StBA selbst einräumt, einen höheren Planungs- und Verwaltungsaufwand und führt in der Regel auch zu höheren Ausführungskosten. Damit wurde letztlich gegen den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz verstoßen.

Grundsätzlich hält der ORH die Abgrenzung der Maßnahmen des Bauunterhalts von Kleinen und Großen Baumaßnahmen in den RLBau für zweckmäßig. Insbesondere für den Bereich der Generalsanierungen regt der ORH an, die bisher in den RLBau festgelegten Kriterien zur Abgrenzung konkreter zu fassen und dann konsequent anzuwenden.

Entscheidend für die Wirtschaftlichkeit von Maßnahmen ist aus Sicht des ORH, dass ein strukturierter Planungsprozess vorausgeht: Bevor Große Baumaßnahmen veranschlagt werden dürfen, muss dafür nach Art. 24 Abs. 1 BayHO eine Planung einschließlich Finanzierungs- und Zeitplan vorgelegt werden. Falls Maßnahmen mit Gesamtkosten von über 3 Mio. €[18] (z.B. Generalsanierungen) dem Bauunterhalt zuzuordnen sind, sollten diese fachlichen Vorgaben künftig analog gelten und in den RLBau entsprechend umgesetzt werden. Bei Baumaßnahmen in dieser Größenordnung sind, auch wenn sie Bauunterhalt darstellen, strukturierte Planungsprozesse[19] einschließlich eines ausgearbeiteten Finanzierungs- und Zeitplans notwendig.

42.3.2 Auftragsvergabe

Das StBA hat nur für 26,6% der Hauptauftragssummen das Regelverfahren der Öffentlichen Ausschreibung durchgeführt. Der kleinteilige Ablauf der Planung und Bauausführung trug dazu bei, dass die Wertgrenzen für Beschränkte und Öffentliche Ausschreibungen umgangen sowie vergaberechtliche Vorschriften und der Leitfaden zum Nachtragsmanagement im Handbuch für die Vergabe und Durchführung von Bauleistungen durch Behörden des Freistaates missachtet wurden. Bestellscheinverfahren, Direktaufträge und Nachträge können ein wirtschaftliches Ergebnis nicht gewährleisten.

Der Bundesrechnungshof und das Bundesbauministerium haben auf der Basis einer Vielzahl von Auftragsvergaben untersucht, wie sich die Vergabeart auf die Wirtschaftlichkeit der Bauaufträge auswirkte. Danach ergaben sich im Vergleich zu Öffentlichen Ausschreibungen bei den Freihändigen Vergaben Kostensteigerungen zwischen 13,1 und 22,2%, bei den Beschränkten Ausschreibungen zwischen 7,4 und 9,9%.[20] Übertragen auf die Summen der Freihändigen Vergaben (0,7 Mio. €) bzw. Beschränkten Ausschreibungen (3,7 Mio. €) bei der Generalsanierung des Justizpalastes Bayreuth ergäbe sich rechnerisch ein mögliches Einsparpotenzial in einer Größenordnung von einer halben Million Euro.

42.3.3 Bauübergabe

Weil eine förmliche Bauübergabe mit Aushändigung aller Bestands- und Übergabeunterlagen nicht stattfand, war die GbD nicht in der Lage, ihre Aufgaben und Pflichten bezüglich der Gebäudebewirtschaftung zu erfüllen. Dies führte zu finanziellen Risiken für den Freistaat.

Da die Justizverwaltung aufgrund ihrer Aufgabenstellung nur über wenig technisches Personal verfügt, ist sie besonders darauf angewiesen, dass die Bauverwaltung die Übergabeunterlagen sorgfältig erstellt und vollständig übergibt. Die Qualität dieser Unterlagen ist von entscheidender Bedeutung für einen wirtschaftlichen Gebäudebetrieb. Der ORH hält es für erforderlich, dass Bau- und Justizverwaltung künftig auch bei Maßnahmen des Bauunterhalts das Übergabeverfahren der RLBau konsequent durchführen.

42.3.4 Technisches Gebäudemanagement

Das Landgericht hat bei der Betriebsführung die Vorschriften der RLBau zum Technischen Gebäudemanagement nicht beachtet. Eine ordnungsgemäße Betriebsführung, insbesondere bezüglich der technischen Anlagen, war nicht gewährleistet. Der ORH hält es für erforderlich, die Betriebsdatei umgehend zu erstellen, die Aufgaben der Betriebsführung und die Zuständigkeiten klar zu regeln und die einschlägigen Vorschriften anzuwenden.

Nach dem 7. Energiebericht der Bayerischen Staatlichen Hochbauverwaltung sind durch ein Energiecontrolling Einsparquoten in einer Größenordnung von 10 bis 20% realistisch.[21] Daher empfiehlt der ORH dringend, bei den umfangreichen technischen Anlagen des Justizpalastes ein Energiecontrolling durchzuführen.

42.4 Stellungnahme der Verwaltung

Das Justizministerium teilt mit, dass es sich bei der Generalsanierung nicht zwingend um eine Große Baumaßnahme hätte handeln müssen. Insbesondere aufgrund der fehlenden Kostenobergrenze bei Maßnahmen im Bauunterhalt schlössen sich die beiden Abwicklungsvarianten nach RLBau 1999 nicht grundsätzlich gegenseitig aus. Die Generalsanierung des Justizpalastes weise vorrangig einen Sanierungscharakter auf. Zudem habe eine Große Baumaßnahme u.a. eine wesentliche Veränderung der baulichen Substanz vorausgesetzt.

Bei der Bewirtschaftung der Justizgebäude würden die GbD Zuständigkeiten und Geschäftsverteilungspläne prüfen und ggf. anpassen. Hinsichtlich der Betriebsdatei der technischen Anlagen werde zunächst auf Ebene des Justizministeriums geprüft, ob weitere Maßnahmen zu veranlassen seien. Die Thematik „Energieeinsparung“ sei für die nächste Dienstbesprechung mit den Zentral- und Mittelbehörden vorgemerkt worden. Auch hinsichtlich der Thematik „Organisation der Gebäudebewirtschaftung“ werde zunächst auf Ebene des Justizministeriums geprüft, ob weitere Maßnahmen zu veranlassen seien. Gegebenenfalls werde hierzu auch ein Austausch mit weiteren Ressorts gesucht.

Das Bauministerium hat sich zur Aufteilung der Aufträge nicht geäußert. Die einschlägigen Vergabebestimmungen würden seit der Vergaberechtsreform 2016 beachtet. Für die wirtschaftliche Bewertung von Nachträgen würden die Projektleiter der Staatlichen Bauämter seit 2018 durch eigene Nachtragsmanager unterstützt.

Aufgrund der Umsetzung der Generalsanierung als Bauunterhalt seien hinsichtlich der Bauübergabe, Bestands- und Übergabeunterlagen die Regelungen der RLBau zur Dokumentation und zum Geräteverzeichnis nicht einschlägig gewesen. Wartungsprotokolle und Bestandsunterlagen seien der GbD übergeben worden. Das StBA werde alle Unterlagen auf Vollständigkeit prüfen und ggf. fehlende Unterlagen nachreichen. Zudem werde die Funktion aller technischen Anlagen geprüft; ggf. fehlende Einweisungen würden nachgeholt. Bei der Verbrauchskontrolle solle eine entsprechende Unterstützung der Justizverwaltung erfolgen.

Durch das vom Ministerrat am 07.07.2021 beschlossene Projekt Digitalisierung im Gebäudemanagement (DGM) gebe es zukünftig für die GbD ein Instrument zur Unterstützung bei der Betriebsführung. Das DGM werde den Zugriff auf Gebäudedaten und technische Anlagen für externe Auftragnehmer vereinfachen. Zudem könne eine Monitoring- bzw. Energiemanagement-Strategie aufgesetzt und überwacht werden.

Die Aufnahme einer Definition und damit eindeutigen Zuordnung einer Generalsanierung zu einer Maßnahmenkategorie werde im Zuge der Weiterentwicklung der RLBau geprüft.

42.5 Schlussbemerkung

Zunächst sollten für alle Baumaßnahmen die inhaltlichen Vorgaben für die Übergabe mit vollständigen Übergabeunterlagen in den RLBau eindeutig geregelt und angewendet werden. Auf dieser Grundlage hat die GbD die vorgeschriebene Betriebsdatei zu erstellen sowie Aufgaben und Zuständigkeiten für die Bewirtschaftung des Gebäudes zu regeln. Ziel sollte ein nachhaltiges Gebäudemanagement sein, das die vorhandenen Kosten- und Energieeinsparpotenziale konsequent nutzt.

Die Generalsanierung des Justizpalastes Bayreuth hätte aufgrund der umfangreichen baulichen Veränderungen als Große Baumaßnahme durchgeführt werden müssen. Der ORH empfiehlt, die Kriterien zur Abgrenzung der Maßnahmen des Bauunterhalts von Kleinen und Großen Baumaßnahmen konkreter zu fassen und dann konsequent anzuwenden.

Die Generalsanierung im Bauunterhalt führte zu einer kleinteiligen Planung, Beauftragung und Ausführung. Falls Maßnahmen wie Generalsanierungen mit Gesamtkosten von über 3 Mio. € dem Bauunterhalt zuzuordnen sind, sollten die wesentlichen fachlichen Vorgaben für Große Baumaßnahmen künftig analog gelten und in den RLBau entsprechend umgesetzt werden: Eine vorausgehende Planung mit Finanzierungs- und Zeitplan ermöglicht eine strukturierte Auftragsvergabe mit einem höheren Anteil an Öffentlichen Ausschreibungen; allein dadurch sind erhebliche Kosteneinsparungen zu erwarten.



[1]     VV Nr. 3.2.1 Satz 3 zu Art. 64 BayHO.
[2]     VV Nr. 3.2.3.1 Satz 1 i. V. m. Nr. 3.2.1 Satz 2 zu Art. 64 BayHO und Nr. 14.1.2 JB VV-BayHO.
[3]     Richtlinien für die Durchführung von Hochbauaufgaben des Freistaates Bayern - RLBau 1999 - vom 12.02.1999, zuletzt geändert durch Bek. der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern vom 18.09.2002 (AllMBl. S. 919).
[4]     Richtlinien für die Durchführung von Hochbauaufgaben des Freistaates Bayern - RLBau 2011 - vom 25.05.2011 (AllMBl. S. 309).
[5]     Richtlinien für die Durchführung von Hochbaumaßnahmen des Freistaates Bayern - RLBau 2020 - vom 05.12.2019 (BayMBl. Nr. 542).
[6]     Abschnitt B Nr. 2 RLBau 1999, Abschnitt A Nr. 8.1 RLBau 2011 und RLBau 2020.
[7]     Abschnitt E Nr. 1.1 RLBau 1999 (ab RLBau 2020 Baumaßnahmen mit Gesamtkosten über 3 Mio. €).
[8]     Abschnitt E Nr. 3.1 RLBau 1999, Abschnitt E Nr. 1 ff. RLBau 2011.
[9]     Art. 24 Abs. 1 BayHO i. V. m. VV Nr. 1.3 zu Art. 24 BayHO.
[10]    Abschnitt C Vorspann RLBau 1999 (ab RLBau 2011 Veränderungen oder Ergänzungen bis 100.000 € im Einzelfall).
[11]    Abschnitt H Nr. 1 RLBau 1999, Abschnitt F Nr. 1 RLBau 2011.
[12]    Abschnitt F Nr. 2.1 RLBau 2011.
[13]    Abschnitt F Nr. 2.2 RLBau 2011.
[14]    Mit der Leitstelle für Energie und Medien an der Landesbaudirektion Bayern und in Abstimmung mit der GbD.
[15]    Die Datenbank HHV-Bau war bezüglich der Teilbaumaßnahme „Sanierung der WC-Trassen“ unvollständig. Es fehlen die Daten zur Abrechnung und Kostenkontrolle. Der Gesamtbetrag konnte deshalb nicht exakt ermittelt werden.
[16]    ORH-Bericht 2023 TNr. 60.
[17]    Richtlinien für die Überwachung der Verkehrssicherheit von baulichen Anlagen des Bundes (RÜV).
[18]    Wertgrenze für Große Baumaßnahme gemäß RLBau 2020.
[19]    Abschnitt E RLBau 2020.
[20]    Bericht nach § 99 BHO des Bundesrechnungshofs vom 09.02.2012 über die Auswirkungen der Vergabeerleichterungen des Konjunkturpakets II auf die Beschaffung von Bauleistungen und freiberuflichen Leistungen bei den Bauvorhaben des Bundes, abrufbar unter https://www.bundesrechnungshof.de/SharedDocs/Downloads/DE/Berichte/2012/vergabeerleichterungen-des-konjunkturpakets-ii-volltext.pdf?__blob=publicationFile&v=1.
[21]    Abrufbar unter https://www.stmb.bayern.de/assets/stmi/buw/hochbau/iia2_energetischesanierung_energiebericht_7.pdf.