TNr. 44 Kostenerstattung für lokale SARS-CoV-2-Testzentren des öffentlichen Gesundheitsdienstes
Der Freistaat hat mit mehr als 380 Mio. € den Betrieb von lokalen SARS-CoV-2-Testzentren des öffentlichen Gesundheitsdienstes finanziert. Ein Großteil der Kosten wird auf Antrag vom Bund erstattet.
Wenngleich die Erstattungsansprüche zwischenzeitlich weitgehend angemeldet worden seien, sieht der ORH weiteren Handlungsbedarf. Angesichts der erheblichen Erstattungsbeträge sollten die Staatsministerien zusammen mit den Regierungen eine Auswertung der Einnahmen und Ausgaben, aufgeschlüsselt auf die einzelnen Kreisverwaltungsbehörden, erstellen. Dies könnte auch Optimierungspotenziale für ähnliche, zukünftige Verfahren aufzeigen.
Der ORH hat 2022/2023 zusammen mit den Staatlichen Rechnungsprüfungsämtern Augsburg und Bayreuth die Umsetzung der Kostentragung für lokale SARS-CoV-2-Testzentren des öffentlichen Gesundheitsdienstes (lokale ÖGD-Testzentren[1]) durch den Freistaat geprüft. Schwerpunkt der Prüfung war die Abrechnung der Erstattungsansprüche des Freistaates gegenüber dem Bund nach der Coronavirus-Testverordnung (TestV)[2]. Diese waren verwaltungstechnisch über die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns abzuwickeln.[3]
Geprüft wurde bei 27 von insgesamt 96 Kreisverwaltungsbehörden, davon 14 Landratsämter (LRÄ) und 13 kreisfreie Städte (kfS). Da drei kfS das lokale Testzentrum gemeinsam mit den örtlichen LRÄ betrieben, wurden insgesamt 24 Testzentren geprüft. Der geprüfte Zeitraum für die Kostentragung reichte vom 10.08.2020 bis 31.12.2023.
44.1 Ausgangslage
Zur Bekämpfung der Corona-Pandemie beschloss der Ministerrat in seiner Sitzung am 30.06.2020 eine Bayerische Teststrategie. Zur Umsetzung dieses Angebots und in Anbetracht des aktuellen Infektionsgeschehens sollte nach einem weiteren Ministerratsbeschluss vom 10.08.2020 in jeder kfS und in jedem Landkreis ein lokales ÖGD-Testzentrum eingerichtet werden. Die Kosten für die Einrichtung und den Betrieb der Testzentren sollte der Freistaat tragen, soweit sie nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung oder anderen Kostenträgern ‑ insbesondere vom Bund ‑ erstattet werden.[4] Am 27.10.2020 beschloss der Ministerrat, die inzwischen flächendeckend eingerichteten lokalen Testzentren bis mindestens 30.06.2021 fortzuführen.
Die 96 Kreisverwaltungsbehörden in Bayern wurden am 19.08.2020 durch ein gemeinsames Schreiben des Gesundheits- und des Innenministeriums mit der Einrichtung, Organisation und dem Betrieb der lokalen ÖGD-Testzentren beauftragt und sollten die Inbetriebnahme bis Ende August 2020 sicherstellen.
Zur Umsetzung der Kostentragung durch den Freistaat wurde die erste Testzentren-Kostenerstattungsrichtlinie gemeinsam von Innen- und Gesundheitsministerium am 14.10.2020 veröffentlicht,[5] sie galt rückwirkend ab dem 10.08.2020.
Den LRÄ wurde ermöglicht, die Einnahmen und Ausgaben, auch soweit sie im Kreishaushalt angefallen waren, direkt im staatlichen Integrierten Haushalts- und Kassenverfahren (IHV) zu buchen. Kostenübernahmeanträge der kfS waren bei der zuständigen Regierung einzureichen. Vom Freistaat wurde bei den kfS nur der nach Abzug der Bundeserstattung verbleibende Aufwand getragen, Abschlagszahlungen waren möglich und sind auch vielfach gewährt worden.
Das Bundesministerium für Gesundheit veröffentlichte am 09.06.2020 die erste Testverordnung. Danach konnten sich auch solche Personen kostenlos testen lassen, die zwar noch keine Symptome für eine Infektion aufwiesen, bei denen eine Infektion aber nahelag. Ab dem 08.03.2021 ermöglichte der Bund allen Personen mindestens einen kostenlosen Schnelltest pro Woche.
Darüber hinaus beschloss der Bayerische Ministerrat am 23.03.2021, die Kosten für Testzentren der Kreisverwaltungsbehörden vom 01.01.2021 bis vorerst einschließlich 30.06.2021 zu übernehmen, soweit sie nicht nach der TestV vom Bund oder von anderen Kostenträgern erstattet werden. Dies machte eine neue Testzentren-Kostenerstattungsrichtlinie ab 01.01.2021 notwendig, die am 18.05.2021 rückwirkend in Kraft trat und mehrfach verlängert wurde.[6] Die Übernahme der Kosten für lokale ÖGD-Testzentren nach den Maßgaben der genannten Testzentren-Kostenerstattungsrichtlinien wurde zum 28.02.2023 beendet.
Die Zuständigkeit für die lokalen ÖGD-Testzentren ging ab dem 01.08.2022 von der gemeinsamen Zuständigkeit des Gesundheitsministeriums und des Innenministeriums in die alleinige Zuständigkeit des Gesundheitsministeriums über.
44.2 Feststellungen
44.2.1 Abrechnung der lokalen Testzentren des öffentlichen Gesundheitsdienstes
Im Rahmen des Nachtragshaushalts 2019/2020 wurde im „Sonderfonds Corona-Pandemie“ (Kap. 13 19) die TG 69 für „Einrichtung und Betrieb von lokalen Testzentren“ geschaffen. 2020 wurden 315 Mio. € veranschlagt, 2021 insgesamt 398,8 Mio. €. Diese Mittel flossen nur teilweise ab, sodass die Haushaltsjahre 2022 und 2023 über die Ausgabereste der Vorjahre finanziert werden konnten.
Im Zeitraum vom 10.08.2020 bis 31.12.2022 wurden für die geprüften 14 LRÄ 92,4 Mio. € ausgezahlt; auf der Einnahmenseite 47,8 Mio. € gebucht. Hierbei handelt es sich zum überwiegenden Teil um Erstattungen des Bundes.
Am 01.09.2020 beauftragte der Ministerrat das Innenministerium und das Gesundheitsministerium, die Refinanzierung der anfallenden Testkosten bei den gesetzlichen Krankenkassen und anderen Kostenträgern sicherzustellen. Mit ministeriellem Schreiben vom 19.02.2021 wurden die Kreisverwaltungsbehörden darauf hingewiesen, dass das Abrechnungsverfahren nach § 13 TestV für alle LRÄ und kfS verpflichtend sei. Die erste Abrechnung sollte bis spätestens 31.03.2021 an die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns übersandt werden.
Zum Februar 2023 hatten 12 der 27 geprüften Kreisverwaltungsbehörden und damit 50% der geprüften 24 Kreisverwaltungsbehörden mit Testzentren das Abrechnungsverfahren umgesetzt. 5 Kreisverwaltungsbehörden hatten bis dahin noch überhaupt nicht abgerechnet. 7 Kreisverwaltungsbehörden hatten nur einen Teil der infrage kommenden Zeiträume abgerechnet. 12 der 27 Kreisverwaltungsbehörden hatten die zum Zeitpunkt der Prüfung angefallenen Kosten vollständig geltend gemacht. Deren Erstattungsquoten lagen zwischen 57 und 75%, im Durchschnitt bei über 60%.
Zum Abschluss des Prüfungsverfahrens empfahl der ORH im Mai 2023 dem Innenministerium und dem Gesundheitsministerium, alle Kreisverwaltungsbehörden aufzufordern, die Erstattungsanträge gemäß TestV bei der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns zeitnah zu stellen.
44.2.2 Reaktion der Verwaltung
Im anschließenden Prüfungsschriftwechsel wiesen Innenministerium und Gesundheitsministerium im August 2023 darauf hin, dass aufgrund der umfangreichen Informationen an die Kreisverwaltungsbehörden und deren zahlreicher Nachfragen zum Abrechnungsverfahren davon ausgegangen worden war, dass die Abrechnungen gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns auch erfolgt seien.
Zwischenzeitlich seien die Kreisverwaltungsbehörden erneut aufgefordert worden, die Abrechnung nach § 13 TestV umgehend vorzunehmen. Innenministerium und Gesundheitsministerium hätten darauf hingewiesen, dass sie gesteigerten Wert auf die Abrechnungen nach § 13 TestV legten, die nach Abs. 6 bis 30.09.2023 zu erfolgen haben. Die Regierungen würden nun kontrollieren, dass alle Kreisverwaltungsbehörden sämtliche Zeiträume vom 15.10.2020 bis 28.02.2023 lückenlos nach § 13 TestV abgerechnet hätten bzw. noch abrechnen würden. Sie hätten mitgeteilt, dass 79 der abrechnungsberechtigten 87 Kreisverwaltungsbehörden bereits vollständig abgerechnet haben.
44.2.3 Stand der Buchungen am 31.12.2023
Zum Jahresende 2023 stellt sich der aktuelle Stand der Einnahmen aus der Kostenerstattung des Bundes wie folgt dar:
Ausweislich der Buchungen im IHV zum 31.12.2023 beliefen sich die Erstattungen des Bundes an die LRÄ (Kap. 13 19 Tit. 236 69) für den gesamten Zeitraum 2020 bis 2023 auf 179 Mio. €, davon allein in den Jahren 2022 und 2023 knapp 150 Mio. €. Bezogen auf die gebuchten Ausgaben aller LRÄ ergibt sich für diese eine Erstattungsquote von 55%. Zahlen, aufgeschlüsselt auf die einzelnen Kreisverwaltungsbehörden, waren nicht verfügbar.
44.3 Würdigung und Empfehlungen
Der ORH geht für den geprüften Zeitraum bei einer lückenlosen Beantragung von einer durchschnittlichen Erstattung des Bundes gemäß TestV von 60% der Kosten aus. Diese rechnerische Erstattungsquote der Kosten ergibt sich aus den Ergebnissen bei den geprüften Kreisverwaltungsbehörden, die die zum Zeitpunkt der Prüfung angefallenen Kosten vollständig geltend gemacht hatten. Ende 2023 lag die Erstattungsquote des Bundes für alle LRÄ bei 55%. Angesichts der bisherigen Gesamtkosten von über 300 Mio. € entspricht jede Abweichung der Erstattungsquote um einen Prozentpunkt rechnerisch einem Betrag von über 3 Mio. €. Zwar geht der ORH davon aus, dass nunmehr der überwiegende Teil der geforderten Zahlungen eingegangen ist. Allerdings liegt die aktuelle Erstattungsquote unter der durchschnittlichen Erstattung, die der ORH bei den Kreisverwaltungsbehörden mit einer vollständigen Geltendmachung vorgefunden hat.
Der ORH geht davon aus, dass jede Kreisverwaltungsbehörde über eine detaillierte Dokumentation der Ausgaben und Erstattungsleistungen für den Betrieb der Testzentren verfügt. Angesichts der erheblichen Erstattungsbeträge sollten die Staatsministerien zusammen mit den Regierungen eine Auswertung der Einnahmen und Ausgaben, aufgeschlüsselt auf die einzelnen Kreisverwaltungsbehörden, erstellen. Insbesondere für die Kreisverwaltungsbehörden mit niedriger Erstattungsquote hält der ORH eine Nachschau durch die Regierungen für angezeigt. Diese könnte auch Optimierungspotenziale für ähnliche zukünftige Verfahren aufzeigen.
44.4 Gemeinsame Stellungnahme des Innen- und des Gesundheitsministeriums
Die Materie der Kostenerstattung sei überaus komplex gewesen - nicht aufgrund der Abstimmungsbedarfe zwischen den befassten Ressorts - sondern durch die verpflichtende Umsetzung oft sehr kurzfristig geänderter Vorgaben des Bundes.
Die Kreisverwaltungsbehörden seien - wie die Vielzahl der Aufforderungen durch die beiden befassten Ressorts seit Februar 2021 zeige - nachdrücklich angehalten und explizit verpflichtet gewesen, Abrechnungen nach § 13 TestV zeitgerecht vorzunehmen.
Die Annahme einer möglichen Erstattungsquote von durchschnittlich 60% des Aufwands seitens des ORH sei nach Meinung der beiden Ministerien als Referenzmaßstab ungeeignet und ließe sich fachlich nicht valide herleiten. Mit nur einer nennenswerten Ausnahme - diese betreffe Laborkosten im Zeitraum 09/2020 bis 05/2021, die jeweils binnen drei Monaten abzurechnen gewesen wären - seien sämtliche nach der TestV abrechenbaren Kosten fristgerecht zur Erstattung angemeldet worden. Die Regierungen hätten die Kreisverwaltungsbehörden hierzu angehalten und bei Fragen und Unklarheiten beratend begleitet.
44.5 Schlussbemerkung
Während der Prüfung des ORH sind die offenen Kostenerstattungsansprüche gegenüber dem Bund und deren Umfang verstärkt in den Fokus der zuständigen Staatsministerien und Regierungen gerückt. Wenngleich die Erstattungsansprüche zwischenzeitlich angemeldet worden seien, sieht der ORH, abweichend von Gesundheits- und Innenministerium, weiteren Handlungsbedarf. Auch wird die Meinung zum „ungeeigneten Referenzmaßstab von 60%“ nicht geteilt, denn dieser Prozentsatz basiert auf festgestellten Zahlen der Verwaltung.
Angesichts der erheblichen Erstattungsbeträge sollten die Staatsministerien zusammen mit den Regierungen eine Auswertung der Einnahmen und Ausgaben, aufgeschlüsselt auf die einzelne Kreisverwaltungsbehörde, erstellen. Insbesondere für die Kreisverwaltungsbehörden mit niedriger Erstattungsquote hält der ORH eine Nachschau durch die Regierungen für angezeigt. Diese könnte auch Optimierungspotenziale für ähnliche zukünftige Verfahren aufzeigen.
[1] Die lokalen ÖGD-Testzentren sind von den unmittelbar vom Bund finanzierten privaten Testzentren zu unterscheiden. Letztere waren nicht Gegenstand der Prüfung des ORH.
[2] Verordnung zum Anspruch auf bestimmte Testungen für den Nachweis des Vorliegens einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vom 08.06.2020, BAnz AT 09.06.2020 V1 und nachfolgende Regelungen.
[3] § 13 TestV vom 14.10.2020 BAnz AT 14.10.2020 V19 mit Änderungen der TestV vom 30.11.2020 BAnz AT 01.12.2020 V1, vom 08.03.2021 BAnz AT 09.03.2021 V1, vom 24.06.2021 BAnz AT 25.06.2021 V1, vom 21.09.2021 BAnz AT 21.09.2021 V1.
[4] Zunächst im Rahmen der TestV vom 08.06.2020 BAnz AT 09.06.2020 V1, ab 15.10.2020 nach § 13 TestV vom 14.10.2020 BAnz AT 14.10.2020 V19 mit Änderungen vom 30.11.2020, vom 08.03.2021, vom 24.06.2021 und vom 21.09.2021.
[5] Richtlinie zur Erstattung der Kosten für den Betrieb der lokalen SARS-CoV-2-Testzentren vom 09.10.2020 BayMBl. Nr. 584.
[6] Richtlinie zur Erstattung der Kosten für den Betrieb der lokalen SARS-CoV-2-Testzentren 2021 vom 18.05.2021 BayMBl. Nr. 350, geändert durch Bek. vom 29.07.2021 BayMBl. Nr. 539, vom 19.05.2022 BayMBl. Nr. 316, vom 28.09.2022 BayMBl. Nr. 578 und vom 24.01.2023 BayMBl. 65.