TNr. 48 Teilung der Versorgungslasten - Geltendmachung von Abfindungsansprüchen

Frau verlässt ihren Arbeitsplatz mit gepacktem Karton
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Wechselt ein Beamter seinen Dienstherrn, sind die Versorgungslasten grundsätzlich aufzuteilen. Dadurch entstehen im Einzelfall hohe Abfindungsansprüche auch zugunsten des Freistaates, die er aber nur unzureichend geltend macht. Allein bei zehn geprüften Fällen beliefen sich die unerkannten Ansprüche auf 2,1 Mio. €. Der ORH empfiehlt dringend, durch IT-Unterstützung den Informationsfluss innerhalb des Landesamtes für Finanzen zu verbessern und eine vollständige Geltendmachung aller Abfindungsansprüche sicherzustellen.

Der ORH hat 2021/2022 zusammen mit dem Staatlichen Rechnungsprüfungsamt Regensburg beim Landesamt für Finanzen (LfF) nach 2014 und 2018[1] erneut geprüft, ob der Freistaat seine Abfindungsansprüche bei bund- und länderübergreifenden Dienstherrenwechseln gegen frühere Dienstherren ordnungsgemäß geltend machte. In diesem Zusammenhang wurde auch nachgeprüft, ob die zwischenzeitlich vom LfF ergriffenen Maßnahmen nunmehr eine vollständige Abarbeitung dieser Fälle sicherstellen.

48.1 Ausgangslage

Bei Eintritt von Beamten in den Ruhestand richtet sich deren Versorgungsanspruch immer gegen den aktuellen Dienstherrn („Versorgungsdienstherr“); dieser Anspruch umfasst auch ruhegehaltfähige Dienstzeiten bei früheren Dienstherren. In diesem Zusammenhang ist zwischen den Dienstherren ein finanzieller Ausgleich vorgesehen. Dieser richtet sich nach dem VLT-StV[2], wenn neben dem Freistaat ein anderes Land oder der Bund beteiligt ist.

Der VLT-StV unterscheidet dabei zwischen Dienstherrenwechseln vor Inkrafttreten des Staatsvertrags am 01.01.2011 und solchen, die danach erfolgten. In Fällen ab 2011 hat der abgebende Dienstherr die Abfindung innerhalb von sechs Monaten nach dem Dienstherrenwechsel an den neuen Dienstherrn zu entrichten.[3] Für Beamte, die vor Inkrafttreten des VLT-StV bund- bzw. länderübergreifend den Dienstherrn gewechselt haben (sog. Schwebefälle[4]), erfolgt die Abfindungszahlung erst bei Ruhestandsbeginn.

Die Versorgungslastenteilung erfolgt durch Zahlung einer Abfindung des früheren Dienstherrn an den Versorgungsdienstherrn. Die Höhe der Abfindung richtet sich im Wesentlichen nach der Dienstzeit, die der Beamte beim früheren Dienstherrn zurückgelegt hat, und den ruhegehaltfähigen Bezügen, die zum Zeitpunkt des Wechsels gegenüber dem früheren Dienstherrn zugestanden haben.[5] Die Abfindungsansprüche verjähren nach drei Jahren.

48.2 Prüfungsgegenstand

Die neuerliche Prüfung des ORH beschränkte sich auf Schwebefälle, bei denen der Dienstherrenwechsel bund- oder länderübergreifend vor Inkrafttreten des VLT-StV (01.01.2011) stattgefunden hat. Hierbei wurden ausschließlich Personalfälle in den Fokus genommen, bei denen Beamte beim Freistaat in den Jahren 2018 bis 2020 in den Ruhestand getreten oder versetzt worden sind. Konkret überprüft wurde, ob in diesen Fällen die entstandenen Abfindungsansprüche vollständig vereinnahmt wurden.

Zuständig für die bayernweite Abwicklung der Abfindungsfälle ist eine vom LfF bei der Dienststelle München eingerichtete zentrale Arbeitsgruppe. Sie nimmt sämtliche mit der Einnahme und Auszahlung von Abfindungen im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten wahr. Damit letztlich das LfF Abfindungsansprüche des Freistaates geltend machen und vereinnahmen kann, müssen Schwebefälle von den ebenfalls beim LfF für die Pensionsfestsetzung zuständigen Bezügestellen Versorgung als solche erkannt und an die zentrale Arbeitsgruppe weitergeleitet werden. Eine IT-Unterstützung zur Erkennung von Schwebefällen steht nicht zur Verfügung.

48.3 Feststellungen

Der zuständigen Arbeitsgruppe wurden nicht sämtliche Personalfälle mitgeteilt, bei denen Abfindungsansprüche gegenüber anderen Dienstherren geltend zu machen waren. Der Informationsfluss innerhalb des LfF zwischen den Bezügestellen Versorgung und der zentralen Arbeitsgruppe funktionierte nicht.

30 Fälle mit einem Versorgungsbeginn in den Jahren 2018 bis 2020, bei denen aufgrund von Dienstzeiten bei anderen Dienstherren bisher nicht realisierte Abfindungsansprüche des Freistaates vorliegen konnten, überprüfte die zentrale Arbeitsgruppe nach Aufforderung des ORH.

Daraus ergaben sich letztlich zehn abfindungsrelevante Vorgänge, die der zentralen Arbeitsgruppe bislang nicht bekannt waren und bei denen Abfindungsansprüche von 2,1 Mio. € gegen andere Dienstherren bestanden.[6]

Die von der Verwaltung nach den früheren ORH-Prüfungen ergriffenen Maßnahmen (Erstellung einer Arbeitsanleitung und Durchführung verpflichtender Workshops) hatten nicht zu einer lückenlosen Erkennung der Schwebefälle geführt.

Als maßgebliche Gründe hierfür benannte das LfF das sehr hohe Arbeitspensum der Bezügestellen Versorgung, fehlendes Fachwissen bei der Sachbearbeitung sowie mangelnde maschinelle Unterstützung im Abrechnungsverfahren VIVA[7].

48.4 Würdigung und Empfehlungen

Die zehn Fälle wären ohne die Prüfung des ORH unerkannt und unbearbeitet geblieben. Die hieraus resultierenden Einnahmen von 2,1 Mio. € wären dem Freistaat dauerhaft entgangen, weil beim LfF der für eine ordnungsgemäße Abarbeitung der Schwebefälle nötige Informationsfluss nach wie vor nicht ausreichend sichergestellt ist. Er funktioniert immer noch nicht zufriedenstellend, obgleich die Ursachen für die lückenhafte Bearbeitung vom LfF selbst benannt wurden. Es besteht also weiterhin das Risiko von Einnahmeausfällen in Millionenhöhe.

Aufgrund der im Einzelfall beträchtlichen Abfindungssummen und wegen der Verjährungsfrist von drei Jahren empfiehlt der ORH dringend, die erneut aufgezeigten Vollzugsdefizite zügig zu beseitigen und die lückenlose Einbindung der zentralen Arbeitsgruppe zur vollständigen Geltendmachung aller Abfindungsansprüche bei der Versorgungslastenteilung zu gewährleisten. Sachlicher und zeitlicher Anknüpfungspunkt der notwendigen Verbesserungsmaßnahmen sollte aus Sicht des ORH die erstmalige versorgungsrechtliche Bewertung von außerbayerischen Dienstzeiten im Rahmen der Versorgungsfestsetzung sein.

48.5 Stellungnahme der Verwaltung

Das Finanzministerium räumt die Vollzugsdefizite bei der Geltendmachung von Abfindungsansprüchen ein.

Nach Mitteilung des Finanzministeriums sollen diese Defizite durch technische Maßnahmen und zeitnahe Schulungen des Personals behoben werden. Zudem sollen den Versorgungssachbearbeitern zusätzliche Arbeitshilfen zur Verfügung gestellt werden. Bereits neu im IT-System VIVA eingeführt sei die Möglichkeit, bei einer Versorgungsauskunft einen Hinweis auf die Versorgungslastenteilung zu setzen.

48.6 Schlussbemerkung

Die vom Finanzministerium genannten Maßnahmen können das Risiko unerkannter Abfindungsansprüche zwar verringern, aber weiterhin nicht ausschließen und reichen deshalb nicht aus. So greift die neue Hinweismöglichkeit nur in den Fällen, in denen eine Versorgungsauskunft beantragt wurde.

Der ORH hält daher eine stringentere IT-Unterstützung zur maschinellen Identifizierung aller abfindungsrelevanten Fälle für dringend geboten, um die Arbeitsqualität und den Informationsfluss zu verbessern. Nur so kann eine vollständige Geltendmachung aller Abfindungsansprüche sichergestellt werden.



[1]     ORH-Bericht 2015 TNr. 35 und ORH-Bericht 2019 TNr. 45.
[2]     Staatsvertrag über die Verteilung von Versorgungslasten bei bund- und länderübergreifenden Dienstherrenwechseln.
[3]     § 8 Abs. 2 Satz 1 VLT-StV.
[4]     § 9 Satz 2 i. V. m. § 11 VLT-StV.
[5]     § 4 Abs. 2 Satz 1 VLT-StV.
[6]     Die übrigen 20 Fälle befanden sich entweder bereits in Bearbeitung oder führten im Ergebnis nicht zu einem Abfindungsanspruch des Freistaates.
[7]     Voll Integriertes Verfahren komplexer Anwendungen.