TNr. 49 Besteuerung professioneller Social-Media-Akteure

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Der ORH sieht erhebliche Ermittlungs- und Vollzugsdefizite bei der Besteuerung von professionellen Social-Media-Akteuren (sog. Influencer). Den Finanzämtern fehlen oft wichtige Daten zur Besteuerung von Influencern. Angesichts dessen sollte die Steuerverwaltung alle Ermittlungsmöglich­keiten wie z.B. Auskunftsersuchen an Social-Media-Plattformen aus­schöpfen.

Der ORH hat in einer Querschnittsuntersuchung die Besteuerung professioneller Social-Media-Akteure (sog. Influencer) geprüft. Hierzu hat er örtliche Erhebungen an acht ausgewählten Finanzämtern (FÄ) durchgeführt. Schwerpunkt der Prüfung war die Besteuerung von unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Influencern. Nicht Gegenstand der Prüfung waren Influencer mit Wohnsitz im Ausland, die in Deutschland ggf. beschränkt steuerpflichtig waren.

49.1 Ausgangslage

Influencer veröffentlichen Inhalte (Text, Bild, Audio, Video) zu einem oder mehreren Themen und initiieren damit soziale Interaktionen. Sie nutzen internetbasierte Kommunikationskanäle wie Blogs und soziale Netzwerke und erzielen mitunter eine hohe Reichweite und einen hohen Bekanntheitsgrad. Sie haben starken Einfluss auf die Personen in ihrem Netzwerk, die ihnen folgen („Follower“). Ihre Social-Media-Präsenz setzen sie oft ein, um Produkte zu bewerben und dadurch Einnahmen zu generieren, die grundsätzlich steuer­pflichtig sind. Die zunehmende Digitalisierung der Lebenswelt sorgt für steigende Umsatzmöglichkeiten für Influencer. Immer mehr Unternehmen erhöhen ihre Werbeausgaben für „Influencer-Werbung“: 2023 geht man deutschlandweit bereits von Werbeausgaben in diesem Segment von über 600 Mio. € aus. Laut einer Prognose soll 2027 ein Volumen von über 900 Mio. € erreicht werden.[1]

49.2 Feststellungen

Der ORH überprüfte Steuerakten zu 266 Fällen der Veranlagungszeiträume (VZ) 2019 bis 2021. Er wählte diese Fälle insbesondere durch Auswertung von Gewerbe­kennzahlen und Suche nach Schlagworten in Gewinnermittlungen aus. 38 der 266 Fälle wählte er aufgrund eigener Internetrecherchen aus.

49.2.1 Ausgestaltung von Social-Media-Profilen

Die Kernthemen der gesichteten Influencer deckten vielfältige Lebensbereiche ab. Die Themen Mode (22,9%), Lifestyle (19,1%), Reisen und Fitness (jeweils 11,2%) waren am häufigsten vertreten. Daneben waren aber auch speziellere Bereiche wie z.B. ASMR[2] anzutreffen. Die Influencer unterschieden sich sowohl in ihrer Reichweite, die sich vor allem durch Followerzahlen ausdrückt, als auch in der Anzahl und Quote von Posts, die auf eine Einnahmeerzielungsabsicht hindeuten. Abhängig davon ist auch ihre steuerliche Relevanz.

Für ihren Internetauftritt nutzten die Influencer eine Vielzahl an digitalen Netzwerken. Neben Blogs, Podcasts und Internetshops auf eigenen Webseiten waren sie insgesamt auf mindestens 29 verschiedenen Social-Media-Plattformen aktiv. Einige dieser Plattformen wurden vorrangig für bestimmte Bereiche genutzt, wie beispielsweise das Live-Streaming-Portal Twitch für den Bereich Computerspiele/Gaming oder der Webdienst OnlyFans für erotische bzw. pornografische Inhalte. Andere Plattformen (z.B. Instagram) wurden dagegen von nahezu allen Influencern genutzt. Manche Plattformen haben für die Nutzung eine Altersbeschränkung (mindestens 18 Jahre) eingerichtet.

Die jeweiligen Social-Media-Plattformen unterscheiden sich auch in den Möglichkeiten, als Influencer Einnahmen zu erzielen:

  • Werbeanzeigen, wie etwa beim Werbesystem Google Ads. Hierbei erhalten Influencer ab einer gewissen Reichweite Geld für Werbeanzeigen, die vor oder während der hochgeladenen Videos geschaltet werden (Beispiel: YouTube).
     
  • Abo-Modelle, durch die Influencer regelmäßige Geldzahlungen von ihren Unterstützern bzw. Konsumenten, nach Abzug einer Gebühr des Plattformbetreibers, erhalten, um spezielle Inhalte sehen zu können (Beispiele: Patreon, OnlyFans).
     
  • „Trinkgelder“ für einzelnen Content. Die Trinkgelder können entweder über die Plattform, teilweise per eigens geschaffener virtueller Währung oder direkt auf ein Bank- oder PayPal-Konto an den Influencer gezahlt werden (Beispiel: Twitch).
     
  • Kooperationen mit anderen Unternehmen. Die Influencer bewerben in ihren Beiträgen Artikel des Kooperationspartners und erhalten dafür eine Gegenleistung. Diese kann in Geld oder Sachzuwendungen bestehen (Beispiele: Instagram, YouTube).
     
  • „Wunschliste“, auf der Influencer Gegenstände aufzählen, die sie gerne besitzen möchten. Über eine Verlinkung auf der Social-Media-Plattform zum Onlineshop können Follower die gewünschten Artikel einsehen und dem Influencer als Sachleistung zukommen lassen (Beispiel: Amazon).

Manche Plattformen (u.a. Twitch, OnlyFans) setzen für einen Aufruf der Website einen entsprechenden Account voraus.

49.2.2 Steuerliche Erfassung

Influencer, die einen gewerblichen Betrieb eröffnen, müssen nach § 138 Abs. 1 AO ihr Gewerbe beim Gewerbeamt anmelden. In einigen Fällen erfolgte dies erst deutlich nach dem Beginn ihrer Tätigkeit. Einige Influencer waren auch nach einer Gewerbeabmeldung noch mit erkennbarer Einkunftserzielungsabsicht als Social-Media-Akteur tätig.

Beispiele:

  • Ein Influencer gab sein Gewerbe offiziell zum 11.01.2022 auf. Als Grund der Betriebsaufgabe wurde „Verbeamtung und daher kein Interesse an selbständiger Tätigkeit“ angegeben. Eine Internetrecherche ergab aber, dass der Influencer auch danach weiterhin Werbeposts tätigte.
     
  • Ein Model-Influencer meldete seinen Betrieb zum 01.05.2022 an und beendete diesen nach eigenen Angaben zum 17.01.2023 wieder. Eine Internetrecherche ergab, dass er bereits seit sechs Jahren als Influencer und Model tätig war und auch noch im Februar 2023 Werbeposts absetzte.
     
  • Ein Influencer, der seinen Betrieb zum 01.01.2018 anmeldete, hatte lt. einer Kontrollmitteilung bereits in 2016 und 2017 Einnahmen erzielt. Für den VZ 2019 erklärte er einen Gewinn von 89.920 €. Ab dem VZ 2020 gab er keine Steuererklärungen ab und teilte mit, nicht mehr gewerblich tätig zu sein. Trotz wiederholter Aufforderung reichte er keine Nachweise dazu ein. Eine Internetrecherche des ORH deutete darauf hin, dass der Steuerpflichtige (Stpfl.) seinen Influencerbetrieb auch in 2022 noch fortführte.

Stpfl. müssen dem zuständigen Finanzamt (FA) innerhalb eines Monats nach Eröffnung eines Betriebs oder Aufnahme einer freiberuflichen Tätigkeit Auskünfte über die für die Besteuerung erheblichen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse erteilen.[3] In diesem Fragebogen zur steuerlichen Erfassung (FsE) muss z.B. die Höhe der voraussichtlichen Einkünfte mitgeteilt werden. Angaben zum Internetauftritt des Betriebs, z.B. welche Internetseiten für das Unternehmen genutzt werden, auf welchen Internetplattformen es vertreten ist oder unter welchem Firmen- oder Künstlernamen der Unternehmer im Internet auftritt, waren im FsE nicht vorgesehen.

Viele Influencer erzielen nicht ausschließlich Einkünfte aus ihrer Social-Media-Aktivität, sondern haben noch eine oder mehrere weitere Einkunftsquellen. Diese zusätzlichen Einkünfte überschreiten bereits häufig den steuerlichen Grundfreibetrag[4], sodass auch relativ geringe Einkünfte als Influencer i. d. R. steuerliche Auswirkungen nach sich ziehen.

In 153 der 266 geprüften Fälle war mindestens eine weitere Einkunftsquelle vorhanden. Zum Großteil handelte es sich hierbei um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit[5]. Die Summe der weiteren Einkünfte betrug durchschnittlich 36.025 € pro Fall (Median: 27.041 €). Dabei reichte die Spanne von - 42.800 € bis maximal 646.993 €. Das zu versteuernde (Gesamt-)Einkommen dieser Fälle lag im Durchschnitt bei 90.857 € (Median: 27.391 €). 142 dieser Fälle waren bereits veranlagt, 34 (24%) davon erreichten den Spitzensteuersatz.

Trotz umfangreicher Recherche (Internet und Steuerakte) konnte der ORH bei 89 steuer­lich erfassten Influencern kein Social-Media-Profil ausfindig machen, das eindeutig dem Stpfl. zuzuordnen war. Die online nicht auffindbaren Influencer erklärten teilweise Betriebseinnahmen von bis zu 91.000 €.

Umgekehrt gab es von den 38 Influencern, die der ORH selbst per Internetrechercheauswählte und die kommerziell auf den Social-Media-Plattformen aktiv waren, fünf Personen (13%), denen keine Steuernummer zugeordnet werden konnte, obwohl sie im Zuständigkeitsbereich eines der geprüften FÄ ihren Wohnsitz hatten.

Während die meisten Influencer daran interessiert sind, eine möglichst breite Öffentlichkeit zu erreichen und ihren Namen (teilweise Künstlernamen) bekannt zu machen, trifft das auf Influencer aus dem Erotikbereich oftmals nicht zu. Auch erfolgen dort Zahlungen nicht selten in virtuellen Währungen oder Kryptowährungen, also ohne direkte Beteiligung klassischer Banken. Für die FÄ ist es nahezu unmöglich, solche Steuerfälle konkret zu ermitteln.

49.2.3 Betriebseinnahmen und -ausgaben

Die erklärten Betriebseinnahmen der Influencer bewegten sich in einer sehr weiten Spanne. Die Höhe der Betriebseinnahmen von 184 der 266 gesichteten Fälle, bei denen bereits eine Veranlagung durchgeführt wurde, verteilte sich wie folgt:

TNr 49 Abb 24 Höhe der Betriebseinnahmen (in €)
© ORH

Von den 122 Influencern (66%), die Betriebseinnahmen unter 10.000 € erklärten, hatten 13 keine weiteren Einkünfte erklärt. In keinem dieser Fälle wurde durch das FA geprüft, ob zur Bestreitung des Lebensunterhalts andere Einkunftsquellen bestanden.

Hohe Einnahmen konnten vor allem jene Influencer erzielen, die im Erotik- und Porno-grafie-Bereich tätig waren. In vier bereits veranlagten Fällen aus diesem Bereich ergaben sich durchschnittliche Betriebseinnahmen von 65.358 € (Median: 53.252 €).

Die Höhe der Einnahmen kann von Jahr zu Jahr stark variieren und bereits kurz nach der Gründung des Betriebs ein beträchtliches Ausmaß erreichen.

Beispiele:

  • Ein Influencer konnte bereits im ersten vollständigen VZ nach Betriebseröffnung Einnahmen von über 140.000 € erzielen.
     
  • Ein anderer Influencer erzielte im VZ 2020 Betriebseinnahmen von 22.100 € (Gewinn: 18.678 €) und konnte diese im folgenden VZ auf 122.521 € (Gewinn: 82.263 €) steigern.

Die Zahl an Followern, Posts und Plattformen, auf denen ein Influencer aktiv ist, kann erste Hinweise darauf geben, ob durch die Tätigkeit Einnahmen erzielt werden. Die konkrete steuerliche Relevanz eines Influencerbetriebs ist aber stark einzelfallabhängig.

Für die FÄ war es schwierig, die Besteuerungsgrundlagen von Influencern sachgerecht zu schätzen, falls diese keine Steuerunterlagen eingereicht hatten. Um die Höhe der Betriebseinnahmen überhaupt näherungsweise kalkulieren zu können, muss der Onlineauftritt eines Influencers anhand von einzelnen Posts betrachtet werden. Der Zugriff auf diverse Social-Media-Plattformen ist dafür unabdingbar. Dieser war den FÄ bisher aber auch aus datenschutzrechtlichen Gründen nur sehr eingeschränkt möglich.

Beispiel:

Am 04.01.2022 erließ das FA einen Schätzungsbescheid für einen Influencer mit Einkünften aus selbständiger Arbeit von 71.000 €. Am 08.04.2022 reichte der Stpfl. die Steuererklärung nach. Er erklärte aus der Influencertätigkeit Einkünfte aus Gewerbebetrieb von 187.000 €.

Während Aufwendungen für die private Lebensführung steuerlich nicht abziehbar sind,[6] sind Betriebsausgaben grundsätzlich zu berücksichtigen. Bei Influencern sind die Grenzen zwischen betrieblicher Betätigung und privater Lebensführung oft fließend, z.B. bei IT-Ausstattung, Reisekosten und häuslichem Arbeitszimmer. Erhebliche Probleme bei der streitanfälligen Aufteilung bzw. Zuordnung zu einer dieser Sphären waren die Folge.

49.2.4 Steuerrechtlich als schwierig einzustufende Sachverhalte

Typische Influencertätigkeiten zogen ertrags- und umsatzsteuerrechtlich schwierig zu beurteilende Sachverhalte nach sich.

  • Influencertätigkeiten brachten häufig einen Auslandsbezug mit sich. So setzten wiederholt Influencer Posts aus dem Ausland ab. Einige der Plattformbetreiber hatten ihren Sitz im Ausland. Der umsatzsteuerlich relevante Ort der Leistung ließ sich in diesen Fällen nicht immer problemlos ermitteln. In manchen Fällen stand eine beschränkte Steuerpflicht im Raum. Häufige Wohnsitzwechsel, auch hier teilweise mit Auslandsbezug, waren keine Seltenheit.
     
  • Follower unterstützten ihre Influencer teilweise durch Bezahlung mit virtuellen Währungen. Diese wurden teilweise von Plattformbetreibern kreiert und hatten stark schwankende Wechselkurse gegenüber anderen Währungen.
     
  • Influencer erhielten regelmäßig kostenlos überlassene Produkte von ihren Kooperationspartnern. Diese müssen korrekt erfasst und bewertet werden.
     
  • Verträge zwischen den Kooperationspartnern wurden nicht immer schriftlich fixiert, wodurch sich zusätzliche Schwierigkeiten bei der Sachverhaltsermittlung ergaben. Als Antwort auf vom FA angeforderte Vertragsunterlagen teilte ein Vertragsunternehmen eines Influencers beispielsweise mit: „Die Vertraglichkeiten werden hier mit dem Künstler telefonisch oder über WhatsApp/Skype/Discord abgestimmt.“

49.2.5 Zuverlässigkeit der Influencer in Steuersachen

Influencer kamen ihren steuerlichen Pflichten vielfach nicht ordnungsgemäß nach. Von exemplarischer Bedeutung ist ein vorgefundener Aktenvermerk des FA, demzufolge der Stpfl. als Entlastung für Nachlässigkeiten seiner steuerlichen Angelegenheiten angab, dass es „YouTuber allgemein nicht so mit dem Steuerzahlen haben“. FÄ wirkten zudem nicht immer konsequent auf die vollständige Einreichung von Steuerunterlagen hin.

Beispiel:

Für den VZ 2020 wurde in einem Steuerfall keine Einnahmenüberschussrechnung abgegeben, sondern lediglich eine „Anlage G“ mit einem Verlust von 351 €. Das FA ließ den Verlust zwar außer Ansatz und veranlagte einen Gewinn von 0 €. Weitere Maßnahmen, wie die Anforderung einer Einnahmenüberschussrechnung, ergriff es nicht. Internetrecherchen des ORH zeigten die große Reichweite des Influencers (über 100.000 Follower auf YouTube und Instagram sowie 1,9 Mio. Follower auf TikTok). Influencer mit diesen Followerzahlen erzielen regelmäßig hohe Einnahmen und Gewinne.

49.2.6 Außenprüfungen

Influencerbetriebe wurden selten durch Außendienste geprüft. Nur in 8 von 266 Fällen (3%) wurde bislang eine Außenprüfung durchgeführt. Die Betriebsprüfer stellten dabei u.a. fest, dass Influencer erhaltene Sachzuwendungen nicht als Betriebseinnahmen erfassten und die Einkünfte von selbständigen in gewerbliche umzuqualifizieren waren.

Der Ablauf von Außenprüfungen verzögerte sich wiederholt, da sich Influencer oder deren steuerliche Vertreter für die Beantwortung von Anfragen und das Einreichen von Unterlagen nicht an gesetzte Fristen hielten. Falls Stpfl. ihrer Mitwirkungspflicht nicht ausreichend nachkommen, können sich FÄ mittels Einzelauskunftsersuchen gem. § 93 AO direkt an Plattformen oder Kooperationspartner wenden, um Informationen, insbesondere über getätigte Umsätze, zu erlangen. Diese Möglichkeit wurde in keinem der geprüften Fälle genutzt. Zwei der gesichteten Influencer mit sehr hohen Gewinnen blieben trotz aufklärungs- bzw. prüfungswürdigen Sachverhalten ungeprüft.

Beispiele:

  • Ein Influencer-Ehepaar mit gemeinsamen jährlichen Einkünften aus dieser Tätigkeit von über 4,3 Mio. € gab seinen Wegzug aus Deutschland bekannt. Dieser Sachverhalt mit komplexen steuerlichen Folgen wurde allein mit den Mitteln des Innendienstes abgearbeitet.
     
  • Bei einem vermögenden Ehepaar mit hohen jährlichen Einkünften wurde der Influencerbetrieb eines Ehepartners mit Gewinnen von jährlich über 540.000 € vom Betriebsprüfer von der Prüfung ausgespart.

Der ORH stellte außerdem fest, dass aus Betriebsprüfungen bei Unternehmen, die mit Influencern kooperieren, etwa über deren Marketingausgaben hilfreiche Informationen als Kontrollmitteilungen[7] für die Besteuerung von Influencern weitergegeben werden könnten.

49.2.7 Unterstützung durch das Landesamt für Steuern

Die Sondereinheit Zentrale Steueraufsicht (SZS) am Landesamt für Steuern ist als Steueraufsichtsstelle in Bayern für das steuerartenübergreifende Erkennen und Eindämmen von Steuerausfallrisiken und missbräuchlichen Aktivitäten zuständig. Bei der SZS wurde eine spezielle Online-Taskforce gegründet. Durch die bisherigen Ermittlungen und Kontaktaufnahmen seitens der FÄ konnte in dieser Arbeitseinheit eine Spezial-Expertise aufgebaut werden. Die Taskforce ermittelte nicht in Einzelfällen. Sie hielt mehrere Schulungen ab und erstellte Arbeitshilfen für die FÄ.

Durch ein Gruppenersuchen nach Art. 26 OECD-Musterabkommen an ein großes Internetunternehmen sollten deutschlandweit Influencer aufgespürt werden, die ihren Erklärungspflichten bisher nicht nachkamen. Diese Anfragen sind über das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) an das jeweilige Unternehmen zu stellen. Der Erstkontakt der SZS mit dem BZSt erfolgte im Dezember 2017. Der Weg über das BZSt sowie eine blockierende Haltung des ersuchten Unternehmens führten dazu, dass trotz wiederholter Kontaktaufnahmen und Nachfragen der SZS bis zum Abschluss der örtlichen Erhebungen des ORH keine Daten geliefert wurden.

Sammelauskunftsersuchen im Sinne des § 93 Abs. 1a AO an andere Social-Media-Platt­formen waren in Planung.

49.3 Würdigung und Empfehlungen

Der verhältnismäßig junge Geschäftszweig der professionellen Social-Media-Akteure stellt die Steuerverwaltung vor besondere Herausforderungen. Der ORH erkennt im Umgang mit Influencern erhebliche Ermittlungs- und Vollzugsdefizite. Social-Media-Akteure kommen zudem ihren steuerlichen Verpflichtungen trotz hoher Einnahmen oft nicht oder nicht zeitgerecht nach. Ständige und schnelle Veränderungen der Akteure selbst, aber auch der Social-Media-Plattformen, erschweren zusätzlich das verwaltungstechnische Vorgehen.

Dem FA fehlen häufig wesentliche Daten über den Betrieb eines Influencers, die für seine steuerliche Einschätzung unabdingbar sind. Ohne Kenntnis darüber, auf welchen Plattformen ein Influencer aktiv ist und unter welchem Pseudonym er dort auftritt, sind weitere Ermittlungen kaum möglich. Dies gilt im Besonderen für Erotikportale, auf denen die Identität oft verschleiert wird; dabei wären Ermittlungen wegen der regelmäßig überdurchschnittlich hohen Umsätze dort besonders lohnend.

Die FÄ haben kaum Erfahrung, Influencer sachgerecht zu prüfen. Als Folge blieben prüfungswürdige Steuerfälle bzw. Sachverhalte unzureichend geprüft oder ungeprüft. Geeignete Mittel wie Einzelauskunftsersuchen, die insbesondere bei fehlender Mitwirkung durch den Stpfl. hilfreich sind, wurden nicht gewählt. Die von der SZS durchgeführten Schulungen sowie die Arbeitshilfen sind hilfreich, können den Mangel an Spezialwissen und Erfahrung aber nur punktuell beseitigen.

Um die Defizite zu minimieren, empfiehlt der ORH Folgendes:

Der FsE sollte dringend um Angaben zum Internetauftritt als Pflichtfelder ergänzt werden. Zudem sollte ein spezifischer Fragebogen für Influencerfälle bei Abgabe der ersten Gewinnermittlung, in der Regel im Jahr nach Betriebseröffnung, automationsunterstützt an Influencer versandt werden. Damit sollten weitere Angaben und Aktualisierungen zur Influencertätigkeit abgefragt werden, wie beispielsweise die genutzten Plattformen, Followerzahlen, Kooperationen und erhaltene Sachzuwendungen.

Schon die punktuelle Internetrecherche des ORH hat mehrere Influencer identifiziert, die bislang steuerlich offenbar nicht erfasst waren. Angesichts der Schnelllebigkeit der Branche und der örtlichen Flexibilität der Social-Media-Akteure hält es der ORH für dringend erforderlich, neue Betriebe möglichst zeitnah zu identifizieren und steuerlich zu erfassen. Zentrale Rolle dabei können und müssen Gruppenersuchen und Sammelauskunftsersuchen bei den Plattformen spielen. Dass Gruppenersuchen bisher teilweise noch nicht zum Ziel geführt haben, hält der ORH für inakzeptabel. Er empfiehlt, künftig systematisch und regelmäßig Gruppenersuchen bei Internetplattformen zu etablieren. Auch Einzelauskunftsersuchen, mit denen relevante Informationen zu einzelnen Steuerfällen gewonnen werden können, werden aus Sicht des ORH zu selten genutzt.

Außerdem regt der ORH an, zumindest für einen gewissen Zeitraum umfangreicheres Kontrollmaterial im Rahmen von Betriebsprüfungen bei Unternehmen zu generieren, die mit Influencern z.B. als Werbepartner kooperieren.

Das von der Online-Taskforce erworbene Fachwissen sollte verstärkt genutzt werden. Die Bündelung von Know-how erleichtert eine zeitnahe Reaktion auf Veränderungen im Bereich von Social-Media und ggf. den Austausch mit Stellen außerhalb Bayerns. Die Schulungen und Arbeitshilfen sollten bedarfsgerecht regelmäßig angepasst werden.

49.4 Stellungnahme der Verwaltung

Das Finanzministerium teilt mit, die Empfehlungen des ORH weitgehend aufgreifen zu wollen. Die Ergänzung des FsE sowie die Erstellung eines weiteren Fragebogens für Influencer würden geprüft. Zudem sei den FÄ eine spezielle Vorlage zur Unterlagenanforderung bei Influencern bereitgestellt worden.

Das von der Online-Taskforce erworbene Fachwissen werde den FÄ bedarfsgerecht weitergegeben. Der Innendienst werde für gezielte Fallmeldungen an die Prüfdienste sensibilisiert. Auch solle für einen gewissen Zeitraum umfangreicheres Kontrollmaterial im Rahmen von Betriebsprüfungen bei Unternehmen generiert werden, die mit Influencern z.B. als Werbepartner kooperieren.

Zur zielgenauen Identifizierung und Besteuerung unredlicher Stpfl. seien Auskunftsersuchen auch aus Sicht des Finanzministeriums häufig alternativlos, oft aber mit nicht unerheblichen zeitlichen Verzögerungen verbunden. Insbesondere die Erfahrungen mit Gruppenersuchen ins Ausland seien bislang unbefriedigend. Deren Erfolg könne nur bedingt beeinflusst werden, da diese federführend durch das BZSt an den anderen Staat übersandt und durch die ausländische Finanzbehörde unter Anwendung deren nationalen Rechts durchgesetzt werden. Die Verwaltung bemühe sich aber, das 2017 initiierte Verfahren zu beschleunigen. Da Influencer - neben den Einnahmen aus Vertragsbeziehungen zu den Plattformen - Einnahmen aus einer Vielzahl von kleineren Kooperationen mit einzelnen in- und ausländischen Firmen bezögen, seien Sammelauskunftsersuchen nicht per se zielführend.

Mögliche Auswirkungen des Plattformen-Steuertransparenzgesetzes[8] auf Auskunftsersuchen ins Ausland seien noch nicht abschätzbar.

49.5 Schlussbemerkung

Der ORH sieht erhebliche Ermittlungs- und Vollzugsdefizite bei der Besteuerung von professionellen Social-Media-Akteuren. Dies ist besonders bedenklich, da Influencer ihren steuerlichen Pflichten vielfach nicht ordnungsgemäß nachkommen. Den FÄ fehlen oft wichtige Daten über die Influencer. Angesichts dessen sollte die Steuerverwaltung dringend alle Ermittlungsmöglichkeiten einschließlich Auskunftsersuchen an Social-Media-Plattformen ausschöpfen. Die vom Finanzministerium angekündigten Maßnahmen sollten zeitnah umgesetzt werden. Das Finanzministerium sollte sich zudem dafür einsetzen, das Verfahren bei Gruppenersuchen generell zu beschleunigen.



[1]     Abrufbar unter https://de.statista.com/outlook/amo/werbung/influencer-werbung/deutschland.
[2]     ASMR: Autonomous Sensory Meridian Response, deutsch: Autonome sensorische Meridianreaktion. Der Begriff wird als Ausdruck für ein angenehmes und beruhigendes Gefühl verwendet, das durch akustische und visuelle Reize hervorgerufen wird.
[3]     § 138 Abs. 1b Satz 1 und Abs. 4 AO.
[4]     Für den VZ 2023 beträgt der Grundfreibetrag 10.908 €.
[5]     § 19 EStG.
[6]     § 12 Nr. 1 EStG.
[7]     ORH-Bericht 2020 TNr. 15.
[8]     Mit dem PStTG wurde eine Meldepflicht für Betreiber digitaler Plattformen und der grenzüberschreitende, automatische Informationsaustausch zwischen den Steuerbehörden der EU-Mitgliedstaaten eingeführt. Das Gesetz ist zum 01.01.2023 in Kraft getreten.