TNr. 52 Spendenabzug
Bereits vor mehr als 15 Jahren hat der Gesetzgeber die rechtlichen Voraussetzungen für die Digitalisierung des steuerlichen Spendenabzugs geschaffen, um bürokratische Lasten abzubauen und papierbasierte Verfahrensabläufe durch elektronische Kommunikation zu ersetzen. Der ORH sieht das derzeitige papierbasierte Verfahren insgesamt kritisch und als nicht mehr zeitgemäß an. Aufgrund der geringen Prüfungsdichte bei gleichzeitig hoher Fehlerquote besteht ein erhebliches Steuerausfallrisiko. Der ORH empfiehlt, die elektronische Übermittlung von Zuwendungsbestätigungen nun schnellstmöglich umzusetzen.
Der ORH hat 2023 in einer Querschnittsuntersuchung den Abzug von Zuwendungen (Spenden und Mitgliedsbeiträge) bei der Einkommensteuer nach § 10b Abs. 1 EStG der Veranlagungszeiträume (VZ) 2018 bis 2020 geprüft. Dazu führte er örtliche Erhebungen bei sechs Finanzämtern (FÄ) durch.
52.1 Ausgangslage
Gemeinnützige Organisationen und Vereine sind zur Finanzierung ihrer Aufgaben oft auf finanzielle Unterstützung durch Mitglieder und Spender angewiesen. Der Staat begünstigt deshalb Steuerpflichtige (Stpfl.), die mit ihren Spenden einen Beitrag zum Gemeinwohl leisten. Zuwendungen zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger und kirchlicher Zwecke können als Sonderausgaben bei der Einkommensteuer abgezogen werden.[1] Voraussetzung ist, dass die Zuwendungen an einen begünstigten Empfänger im Sinne des § 10b Abs. 1 Satz 2 EStG geleistet wurden und dieser eine ordnungsgemäße Zuwendungsbestätigung[2] nach amtlichem Muster erteilt.[3] Bei Sachspenden sind genaue Angaben über den zugewendeten Gegenstand aufzunehmen.[4]
Ob ein Empfänger als steuerbegünstigt anzuerkennen ist, hat das zuständige Finanzamt (FA) regelmäßig zu überprüfen und festzustellen. Bei Zuwendungen ins EU-/EWR-Ausland ist zu prüfen, ob der Empfänger die deutschen gemeinnützigkeitsrechtlichen Vorgaben erfüllt. Zuwendungen an Empfänger im Drittland (außerhalb der EU/EWR) sind grundsätzlich nicht abzugsfähig.
Für die steuerliche Berücksichtigung muss der Spender dem FA auf Verlangen die Zuwendungsbestätigung vorlegen.
52.2 Feststellungen
52.2.1 Umfang des Spendenabzugs
Für die VZ 2018 bis 2020 machten jeweils 2,7 Millionen Stpfl. in Bayern Zuwendungen als Sonderausgaben in ihren Einkommensteuererklärungen geltend. Auf Grundlage der in diesen Jahren durchschnittlich geltend gemachten Zuwendungen von 1,46 Mrd. € schätzt[5] der ORH die durchschnittliche jährliche Steuerminderung in Bayern auf 430 Mio. €.
52.2.2 Prüfung von Zuwendungen bei den Finanzämtern
Der ORH wertete 320.000 Fälle des VZ 2020 aus, bei denen Eintragungen zu Zuwendungen von insgesamt 171 Mio. € vorhanden waren.
Seit 2010 setzt die Steuerverwaltung bei der Prüfung von Einkommensteuererklärungen ein maschinelles Risikomanagementsystem (RMS) ein. Alle Einkommensteuererklärungen durchlaufen dabei einen programmgesteuerten Risikofilter, der gezielte, risikoorientierte Hinweise für die Bearbeiter generiert. Die Bearbeiter sollen die Steuererklärungen auf der Grundlage dieser Hinweise überprüfen.
Die Auswertung der Veranlagungsdaten ergab, dass nach den Vorgaben des RMS in den VZ 2018 bis 2020 jährlich fast 950 Mio. € geleistete Zuwendungen (65%) nicht eingehend zu prüfen gewesen wären.
52.2.3 Bearbeitungsqualität
Zur Überprüfung der Bearbeitungsqualität wählte der ORH 793 Fälle u.a. nach dem Zufallsprinzip aus. Bei 525 der 793 Fälle (66%) lagen Hinweise des RMS vor.
In 433 der 793 gesichteten Fälle (55%) stellte der ORH fest, dass Ermittlungen des FA durchgeführt worden waren. Meist wurden Zuwendungsbestätigungen angefordert. Die Überprüfung der Abzugsbeträge kann im Einzelfall zeitaufwendig sein, wenn eine Vielzahl von Einzelzuwendungen geltend gemacht wurde.
Beispiel:
In einem Fall wurden Zuwendungen von 159.802 € an 170 verschiedene Empfänger geltend gemacht.
Zunächst beurteilte der ORH die Bearbeitungsqualität auf Grundlage der Fälle, in denen durch das RMS ein Hinweis ausgegeben wurde. Bei 76% dieser Fälle führten die Bearbeiter weitere Ermittlungen durch. Bei 15% dieser Fälle wurden die Beträge gekürzt, insgesamt um 541.222 €. Die Kürzungen konnten meist ohne aufwendige Prüfung erfolgen.
Beispiele:
- Ein Stpfl. beantragte einen Spendenabzug von 24.044 €. Der Beleg wies einen Betrag von 240,44 € aus, betraf zudem keine Spende. Der Spendenabzug wurde versagt.
- In einem anderen Fall wurde eine Spende von 42.800 € geltend gemacht, lt. Zuwendungsbestätigung betrug diese nur 24.800 € (Zahlendreher). Das FA kürzte den Abzug um 18.000 €.
Der ORH beanstandete 39% der Fälle mit Hinweisen des RMS, insbesondere, wenn trotz Hinweises keine Zuwendungsbestätigung angefordert worden ist, Zuwendungsbestätigungen nicht korrekt waren, die Gemeinnützigkeit ausländischer Empfänger nicht belegt war oder die Prüfung der Werte bei Sachspenden unterblieb. Das festgestellte Steuerausfallrisiko betrug 1,75 Mio. €, durchschnittlich 8.620 € pro Fall.
Von den geprüften Fällen ohne Hinweis des RMS beanstandete der ORH 14%, wenn Zuwendungen z.B. trotz unvollständiger Angaben anerkannt wurden. Das Steuerausfallrisiko betrug 18.014 €[6], durchschnittlich 474 € pro Fall.
Beispiel:
In einem Fall wurden 43.883 € Spenden in einer Summe ohne Aufgliederung und ohne Empfängerangabe erklärt und vom FA ohne nähere Prüfung anerkannt.
52.2.4 Elektronische Übermittlung der Zuwendungsbestätigung
Mit dem Gesetz zur Modernisierung und Entbürokratisierung des Steuerverfahrens vom 20.12.2008 (Steuerbürokratieabbaugesetz) wurde die rechtliche Voraussetzung geschaffen, die Zuwendungsbestätigung durch den Zuwendungsempfänger elektronisch dem FA zu übermitteln. Damit sollten „bürokratische Lasten“ abgebaut sowie „die erfolgreiche Strategie, papierbasierte Verfahrensabläufe durch elektronische Kommunikation zu ersetzen, fortgesetzt und vertieft werden. […] Steuerpflichtigen sollten bestimmte, dem FA bisher auf Papier vorzulegende Belege und Unterlagen künftig elektronisch bereitgestellt werden.“[7] Der Gesetzgeber erwartete durch die Einführung der elektronischen Übermittlung und den Wegfall von Papierbestätigungen eine „drastische“[8] Vereinfachung bei den Spendern und Einsparungen bei den Zuwendungsempfängern. Derzeit erstellt der Zuwendungsempfänger eine Papierbestätigung für den Zuwendenden, die dieser beim FA einreichen kann. Nach dem Vorbild der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung sollten auf Papier vorzulegende Belege und Unterlagen künftig dem FA ohne zusätzlichen Aufwand für den Stpfl. auf elektronischem Wege verfügbar gemacht werden.[9]
Vom VZ 2009 bis einschließlich 2018 waren in der amtlichen Einkommensteuererklärung für Zuwendungen, bei denen die Empfänger Daten elektronisch an die Finanzverwaltung übermittelt hatten, bereits Felder für eine Eintragung vorgesehen. Diese Felder entfielen ab dem VZ 2019 wieder, weil die technischen Voraussetzungen für die elektronische Datenübermittlung durch die Empfänger noch nicht geschaffen worden waren. Dies hätte im Rahmen der länderübergreifenden „koordinierten neuen Softwareentwicklung der Steuerverwaltung“ (KONSENS) erfolgen müssen. Laut Auskunft des Landesamts für Steuern ist die Umsetzung des Projekts im Rahmen von KONSENS aktuell nicht priorisiert und unterbrochen.
Ab 01.01.2024 soll beim Bundeszentralamt für Steuern stufenweise ein Zuwendungsempfängerregister aufgebaut werden. Es soll zunächst dazu dienen, spendenwilligen Personen und Unternehmen einen Überblick über die steuerbegünstigten Zwecke der aufgenommenen Organisationen sowie deren Berechtigung zum Empfang steuerbegünstigter Zuwendungen bzw. zur Bestätigung nach § 50 Abs. 1 EStDV zu verschaffen.
In Österreich veröffentlicht das Finanzministerium seit 2017 eine Liste der begünstigten Spendenempfänger.[10] Die gelisteten Zuwendungsempfänger melden eingehende Spenden, die nach Name, Vorname und Geburtsdatum zugeordnet werden, verpflichtend direkt an das FA des Spenders. Die Spenden werden automatisch bei der Steuerveranlagung berücksichtigt.
52.3 Würdigung und Empfehlungen
Durch die Prüfung der - durch das RMS ausgesteuerten - Fälle mit hohem steuerlichem Risiko wird trotz der begrenzten Personalressourcen ein erheblicher Teil des geltend gemachten Spendenvolumens personell überprüft. Das RMS wird damit aus Sicht des ORH zwar seiner Funktion insoweit gerecht und mindert Steuerrisiken. Dennoch werden 65% des Spendenvolumens nicht zur Prüfung ausgesteuert und somit nach den Vorgaben des RMS grundsätzlich nicht näher geprüft.
Die zu prüfenden Fälle werden zudem oft nicht sorgfältig bearbeitet. Die Beanstandungsquote von 39% hält der ORH gerade bei diesen risikoträchtigen Fällen für deutlich zu hoch. Überdies hat die Prüfung gezeigt, dass auch in Fällen ohne RMS-Hinweis erhebliches Risikopotenzial steckt. Der ORH sieht wegen der aktuell geringen Prüfungsdichte und der hohen Beanstandungsquoten das derzeitige, papierbasierte Verfahren insgesamt kritisch und als generell nicht mehr zeitgemäß. Statt die Zuwendungen bei jedem einzelnen Spender anhand von manipulierbaren Papierbelegen zu überprüfen, empfiehlt der ORH, die Prüfung auf die erheblich geringere Zahl von Zuwendungsempfängern zu konzentrieren und - ähnlich wie in Österreich - Zuwendungsbestätigungen des Empfängers elektronisch direkt der Steuerverwaltung zur Verfügung zu stellen.
Bereits mit dem Steuerbürokratieabbaugesetz 2008 hat der Gesetzgeber die elektronische Übermittlung der Zuwendungsbestätigung ermöglicht. Während die Steuererklärungsformulare schon ab dem VZ 2009 entsprechend geändert worden waren, hat die Steuerverwaltung die technischen Voraussetzungen bis dato - also 15 Jahre später - noch nicht bereitgestellt. Anstatt den gesetzlichen Auftrag zeitnah umzusetzen, wurde die Entwicklung eingestellt. Erhoffte Einsparungen und die angestrebte Entbürokratisierung werden auf absehbare Zeit nicht erreicht werden.
Digital an das FA übermittelte Zuwendungsbestätigungen würden bei der Besteuerung der Spender elektronisch zur Verfügung gestellt. Auf eine personelle Prüfung der Zuwendungsbestätigungen bei der Bearbeitung der Steuererklärungen der Spender könnte dann überwiegend verzichtet werden. Diese Personalressourcen könnten stattdessen effizienter bei der Prüfung der Zuwendungsempfänger eingesetzt werden. Wenn an der Richtigkeit der übermittelten Daten keine Zweifel bestehen und sichergestellt ist, dass die Datenübermittlung tatsächlich von einem begünstigten Zuwendungsempfänger erfolgt ist, wäre regelmäßig eine vollständig automatisierte elektronische Bearbeitung bei den Spendern möglich.
Der ORH empfiehlt, dass sich das Finanzministerium für eine zügige Bereitstellung der vom Gesetzgeber vorgesehenen Möglichkeit der elektronischen Übermittlung bei KONSENS einsetzt und auf eine verpflichtende elektronische Übermittlung der Zuwendungsbestätigungen hinwirkt.
52.4 Stellungnahme der Verwaltung
Das Finanzministerium stimmt dem ORH zu, dass die Zuwendungsbestätigung elektronisch zur Verfügung gestellt werden sollte. Wesentliche Vorarbeiten zur Programmierung der elektronischen Übermittlung der Zuwendungsbestätigungen seien bereits erfolgt. Eine Priorisierung stehe allerdings noch aus. Ferner seien vorab noch weitere bzw. neue technische und fachliche Fragen zu klären.
Eine Konzentration der Prüfung bei dem Zuwendungsempfänger habe gewisse Vorteile. Nach wie vor wäre aber nicht sichergestellt, dass inhaltlich zutreffende (insbesondere was den Wert einer Sachspende betrifft) Zuwendungsbestätigungen vorliegen würden. Diese Überprüfung wäre wie bisher in begründeten Einzelfällen personell vorzunehmen. Insbesondere bei großen Körperschaften, die eine Vielzahl von Zuwendungsbestätigungen ausstellen, werde es nicht möglich sein, alle Zuwendungsbestätigungen auf ihre inhaltliche Richtigkeit zu prüfen. Mit dem Zuwendungsempfängerregister werde die Prüfung erleichtert, ob ein Empfänger existent und als steuerbegünstigt anerkannt sei. Dies gelte besonders für nicht im Inland ansässige Zuwendungsempfänger.
Die Auffassung des ORH, dass bei Einführung einer elektronischen Erklärungspflicht des Zuwendungsempfängers jegliche Prüfung der Voraussetzungen für den Zuwendungsabzug beim Zuwendenden entfallen kann, werde nicht geteilt. Gemäß § 50 Abs. 4 EStDV gebe es Nachweiserleichterungen für bestimmte Fallgruppen, bei denen eine Zuwendungsbestätigung für den Zuwendungsabzug nicht erforderlich sei, sondern der Bareinzahlungsbeleg oder die Buchungsbestätigung eines Kreditinstituts genüge. In der Praxis am häufigsten betroffen seien hiervon Zuwendungen bis 300 € sowie Zuwendungen zur Hilfe in Katastrophenfällen.
52.5 Schlussbemerkung
Bereits vor mehr als 15 Jahren hat der Gesetzgeber die rechtlichen Voraussetzungen für die Digitalisierung des steuerlichen Spendenabzugs geschaffen, um bürokratische Lasten abzubauen und papierbasierte durch elektronische Verfahrensabläufe zu ersetzen. Der ORH sieht das derzeitige papierbasierte Verfahren insgesamt kritisch und als nicht mehr zeitgemäß an. Aufgrund der geringen Prüfungsdichte bei gleichzeitig hoher Fehlerquote besteht ein erhebliches Steuerausfallrisiko. Der ORH empfiehlt, die elektronische Übermittlung von Zuwendungsbestätigungen durch den Zuwendungsempfänger schnellstmöglich umzusetzen. Selbst wenn damit nicht in allen Fällen eine Prüfung beim Zuwendenden entfallen könne, überwiegen aus Sicht des ORH die Vorteile bei Weitem. Die Digitalisierung und Entbürokratisierung des steuerlichen Spendenabzugs ist längst überfällig.
[1] § 10b Abs. 1 EStG; Der Abzug ist auf 20% des Gesamtbetrags der Einkünfte oder 4 ‰ der Summe der gesamten Umsätze und der im Kalenderjahr aufgewendeten Löhne und Gehälter beschränkt.
[2] § 50 Abs. 1 Satz 1 EStDV.
[3] Weitere Sonderregeln gibt es für Zuwendungen in den zu erhaltenden Vermögensstock einer Stiftung gem. § 10b EStG.
[4] Anhang 37 I Nr. 6 Einkommensteuerhandbuch.
[5] 30% pauschaler durchschnittlicher Steuersatz.
[6] 30% (pauschaler durchschnittlicher Steuersatz) der risikobehafteten erklärten Zuwendungen von 60.048 €.
[7] BT-Drs. 16/10188 vom 02.09.2008, S. 1.
[8] Vgl. Fn. 7.
[9] BT-Drs. 16/10188 vom 02.09.2008, S. 19/20.
[10] Abrufbar unter https://www.oesterreich.gv.at/themen/soziales/hilfe_leisten/3/Seite.2980032.html.