TNr. 45 Projektwoche „Alltagskompetenzen - Schule fürs Leben“ an staatlichen Schulen

Beitragsbild 2025 TNr. 45
© BalanceFormCreative - stock.adobe.com

Seit dem Schuljahr 2021/2022 sollen staatliche Schulen eine Projektwoche „Alltagskompetenzen - Schule fürs Leben“ in einer ausgewählten Jahr­gangsstufe ihrer Schule durchführen. Die Umsetzung verursacht Aufwand bei den Schulen und bei den Regierungen. Mindestens jede fünfte Schule hielt den Aufwand für zu hoch.

Der ORH empfiehlt, den Aufwand derartiger Projekte sowohl bei den Schulen als auch bei den vollziehenden Verwaltungsbehörden so gering wie möglich zu halten, das Verfahren zu vereinfachen und damit einen Beitrag zum Büro­kratieabbau zu leisten.

Der ORH hat zusammen mit dem Staatlichen Rechnungsprüfungsamt Regensburg in einer Querschnittsprüfung untersucht, wie staatliche Schulen die Projektwoche „Alltagskompe­tenzen - Schule fürs Leben“ (im Folgenden „Projektwoche“ genannt) im ersten Durchfüh­rungsjahr 2021/2022 umgesetzt haben. Die Prüfung des ORH hat sich auf die staatlichen Mittelschulen, Realschulen und Gymnasien in zwei Regierungsbezirken beschränkt. Unter anderem hat der ORH den Aufwand für die Umsetzung der Projektwoche untersucht.

45.1                        Ausgangslage

Ein zentraler Auftrag an die schulische Bildung ist es, den Lebenswelt- und Praxisbezug zu stärken. Für die Projektwoche hat das Kultusministerium die Bek. des Kultusministe­riums (KMBek) „Alltagskompetenzen - Schule fürs Leben“[1] erlassen. Alltagskompeten­zen sind ein fächerübergreifendes Bildungs- und Erziehungsziel. Sie sind in den Fachlehr­plänen breit verankert und Teil der bestehenden Schulpraxis. Das Konzept des Kultusmini­steriums zur Projektwoche knüpft an den gesamten Bereich „Alltagskompetenz und Lebensökonomie“ an, der die sechs Handlungsfelder Ernährung, Gesundheit, Umweltverhalten, selbstbestimmtes Verbraucherverhalten, Haushaltsführung und Digital handeln umfasst. Die in der Projektwoche erworbenen Kompetenzen sollen das Alltagsle­ben der Schüler dauerhaft positiv beeinflussen.

Alle staatlichen Schulen[2] sind verpflichtet, die Projektwoche in einer ausgewählten Jahr­gangsstufe durchzuführen. Die Projektwoche ist im Regelfall entweder an fünf aufeinander folgenden Tagen oder aufgeteilt in zwei und drei Tage umzusetzen.

Die staatlichen Schulen erhalten finanzielle Unterstützung aus Haushaltsmitteln des Frei­staates. Von 2021 bis 2023 waren pro Jahr 5,4 Mio. € für alle Schulträger veranschlagt.[3] Jeder staatlichen Schule steht ein Budget für die Projektwoche zur Verfügung, das sie bei der zuständigen Regierung abrufen kann. Das Budget der einzelnen Schule wird stichtags­bezogen zum 01.10. aus der Anzahl der Klassen in den Jahrgangsstufen fünf bis neun der jeweiligen Schule ermittelt; für jede Klasse kann die Schule 100 € erhalten.[4]

45.2                        Feststellungen

Von 595 im Februar/März 2023 befragten Schulen beteiligten sich 560 an der Online-Erhe­bung des ORH (Teilnahmequote 94,1%). Davon führten 360 Schulen eine Projektwoche durch, 200 - insbesondere Corona pandemiebedingt - nicht. Zudem führte der ORH von Dezember 2022 bis Februar 2023 Erhebungen bei den beiden ausgewählten Regierungen durch.

45.2.1                    Umsetzung an den Schulen

Die Schulen konnten für die Projektwoche Themen aus den sechs Handlungsfeldern wäh­len und sich dabei an den Bedürfnissen ihrer Schüler und den Gegebenheiten vor Ort orientieren, um geeignete Projekte anbieten zu können. Ob es sich dabei um zusätzliche Projekte handeln musste oder ob die Schule vor Ort bereits bestehende Projekte, wie z.B. „Bewegte Schule“ oder „Woche der Gesundheit und Nachhaltigkeit“ in das neue Konzept einbinden und ausbauen konnte, war in der KMBek nicht festgelegt.

99 der 360 Schulen gaben an, dass sie im Rahmen der Alltagskompetenzen Projekte durchgeführt haben, die es an ihrer Schule bisher weder in gleicher noch in ähnlicher Weise (auch nicht teilweise) gegeben hatte.

Sobald Schulen nicht (ausschließlich) auf ihre bestehenden Projekte zurückgriffen, ent­stand für sie konzeptioneller und organisatorischer Mehraufwand. Schulen berichteten bei­spielsweise Folgendes:

  • Bestehende Programme seien häufig auf die ganze Schule bzw. mehrere Jahrgangs­stufen ausgelegt. Nachdem die Projektwoche auf eine Jahrgangsstufe ausgerichtet sei, seien die bisherigen Konzepte anzupassen, um die Projektwoche sinnvoll zu inte­grieren.
     
  • Die bereits jährlich außerhalb dieses Programms durchgeführten Projektwochen in allen Jahrgangsstufen deckten nach Ansicht einer Schule sehr gut die Grundzüge des Konzepts „Alltagskompetenzen - Schule fürs Leben“ ab. Eine andere Schule gab an, dass es bereits Projektwochen in den Jahrgangsstufen acht bis elf gäbe, die einen Bezug zu Alltagskompetenzen hätten. Beide Schulen führten im Schuljahr 2021/2022 keine Projektwoche im Sinne dieses Programms durch.
     
  • Eine weitere Schule habe bereits über mehrere Jahrgangsstufen hinweg verschiedene Module, welche die Alltagskompetenzen beinhalten. Aus Sicht der Schule würde die­ses pädagogische Programm ausreichen. Dennoch arbeite sie an einer Projektwoche, die sie ab dem nächsten Jahr umsetzen wolle.
     
  • Verschiedene Schulen schilderten, dass die Projektwoche im Rahmen der vorhande­nen Ressourcen durchzuführen sei, diese aber ohnehin knapp bemessen seien. So könne die verpflichtende Projektwoche dazu führen, dass andere sinnvolle und bewährte Projekte aus Zeitgründen entfallen müssten.

Darüber hinaus führte die vom Kultusministerium empfohlene blockweise Aufteilung für die Durchführung nach Aussagen der Schulen bei diesen zu organisatorischem Mehraufwand: Insgesamt schätzten 75 der 360 Schulen (20,8%) das Verhältnis von Aufwand und Ertrag der Projektwoche als nicht angemessen ein.

45.2.2                    Umsetzungsaufwand bei den Schulen und den Regierungen beim Budgetabruf

In der Online-Erhebung wurden die Schulen zum Budgetabruf befragt. 140 Schulen gaben an, dass sie ihr Budget nicht in Anspruch genommen haben, obwohl sie eine Projektwoche durchgeführt hatten. Als Grund nannten 20 Schulen, dass der Aufwand für den Abruf des Budgets zu hoch war. Die übrigen Schulen nannten andere Gründe (z.B. kostenfreie Pro­jekte oder eine anderweitige Finanzierung der Projekte). Von den 220 Schulen der Online-Erhebung, die Budgetmittel abgerufen hatten, fanden 52 den Aufwand für den Abruf des Budgets zu hoch - und damit fast jede vierte Schule.

Die Schulen reichten ihre Rechnungen/Unterlagen über das Bayerische Schulportal elek­tronisch bei der für sie zuständigen Regierung ein. Das eingesetzte Verfahren wurde auf­grund bestehender Defizite mehrmals angepasst:

  • Beispielsweise sah das ursprüngliche Verfahren keine Möglichkeit vor, dass die Regie­rungen die Schulen für Rückfragen über das Schulportal kontaktieren konnten. Auch mussten die Regierungen notwendige Bearbeitungsvermerke außerhalb des Schulpor­tals führen.
     
  • An die Schulen zurückgegebene unvollständige Unterlagen waren zum einen für die Regierungen im Schulportal nicht mehr sichtbar. Zum anderen erhielten die Schulen darüber keine Mitteilung, mit der Folge, dass sich die Bearbeitung verzögerte.

Unabhängig vom eingesetzten Verfahren über das Schulportal ergaben sich folgende Fest­stellungen zum erhöhten Verwaltungsaufwand: Eine Regierung gab im Schuljahr 2021/2022 ca. ein Drittel der eingereichten Belege zunächst an die Schulen zurück, weil sie nicht abschließend bearbeitet werden konnten. Die andere Regierung musste zu Beginn in 70% der Fälle Nachfragen stellen, um die Bearbeitung abschließen zu können.

Das Kultusministerium ermittelte weder im Vorfeld noch begleitend, wie hoch der Verwal­tungsaufwand für die Bearbeitung war.

45.3                        Würdigung und Empfehlungen

Die Projektwoche war für Schulen und Regierungen mit zusätzlichem Aufwand verbunden. Sie konkurriert mit anderen Projekten und Aufgaben um die knappen schulischen Ressour­cen. Der detaillierte Rahmen der KMBek stimmte nicht mit den (pädagogischen) Überle­gungen mancher Schulen überein und bedeutete für sie eine Anpassung bestehender Kon­zepte. Die Projektwoche sollte daher möglichst effizient und ohne vermeidbaren Aufwand an den Schulen umgesetzt werden können.

Im Hinblick auf die begrenzten Ressourcen an den Schulen und bei den Regierungen soll­ten neue Projekte generell mit möglichst wenig Organisationsaufwand umsetzbar sein. Die hohe Anzahl von Rückfragen durch die Regierungen deutet jedenfalls auf einen vermeid­baren Verwaltungsaufwand hin.

45.4                        Stellungnahme der Verwaltung

Das Kultusministerium betont, dass das digitale Verfahren zum Mittelabruf äußert nieder­schwellig und unkompliziert aufgesetzt worden sei, sodass der Aufwand für das Abrufen des Budgets nicht zu hoch sei. Zudem teilt es mit, dass es im Rahmen des zukünftigen Monitorings den Aufwand für die Planung bzw. Durchführung der Projektwoche im Verhält­nis zum Ertrag evaluieren werde. Das Kultusministerium weist darauf hin, dass der ORH im ersten Durchführungsjahr geprüft habe. Es sei auch zu berücksichtigen, dass Schule im Schuljahr 2021/2022 wegen der Corona-Pandemie nicht in gewohnter Weise als Ort des Lernens dienen konnte. Um den Verwaltungsaufwand an den Regierungen weiter zu ver­ringern und den Schulleitungen eine arbeitserleichternde Struktur im Rahmen der Antrags­stellung vorzugeben, seien weitere Änderungen am Verfahren zum Budgetabruf bereits vorgenommen worden. Wo immer nötig und möglich werde das Kultusministerium auch weiterhin nachsteuern und habe dabei immer die pädagogischen Bedarfe der Schüler sowie die Belastungssituation an den Schulen und Regierungen im Blick.

45.5                        Schlussbemerkung

Mindestens jede fünfte Schule hielt den Aufwand für Konzept bzw. Budgetabruf bei der Projektwoche für zu hoch. Der ORH empfiehlt, den erforderlichen Aufwand derartiger Kon­zepte sowohl bei den Schulen als auch bei den vollziehenden Verwaltungsbehörden so gering wie möglich zu halten, das Verfahren zu vereinfachen und damit einen Beitrag zum Bürokratieabbau zu leisten.



[1]     Bekanntmachung des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus über die Alltagskompetenzen - Schule fürs Leben vom 27.08.2021 (BayMBl. Nr. 705).

[2]     Grund-, Förder-, Mittel-, Wirtschafts- und Realschulen, sowie Gymnasien und Schulen besonderer Art.

[3]     Auch im Doppelhaushalt 2024/25 sind jährlich 5,4 Mio. € veranschlagt.

[4]     Im Schuljahr 2021/2022 stand den staatlichen Mittelschulen im Durchschnitt ein Budget von 1.000 € zur Verfügung, den staatlichen Realschulen und Gymnasien im Durchschnitt ein Budget von 2.100 €.