TNr. 52 Förderung von Kinderwunschbehandlungen

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Seit Ende 2020 finanziert Bayern paritätisch mit dem Bund ein Förderpro­gramm für Kinderwunschbehandlungen. Bis Anfang 2023 wurden hierfür 6,4 Mio. € verausgabt, davon 3,2 Mio. € bayerische Mittel.

Für den gemeinsamen Fördervollzug stellt Bayern ein aufwendiges und detailliertes Förder- und Prüfverfahren zur Verfügung, dessen Verwaltungs­kosten bei über 60% der ausgereichten bayerischen Fördermittel liegen. Dieser hohe Verwaltungsaufwand ist unwirtschaftlich. Der Bund beteiligt sich nicht an dessen Kosten.

Bei der Förderung von Kinderwunschbehandlungen in Bayern wäre ein Bürokratieabbau - auch im Sinne der betroffenen Paare - wünschenswert; der Verwaltungsaufwand sollte deutlich reduziert werden.

Der ORH hat von August 2023 bis Juli 2024 zusammen mit dem Staatlichen Rechnungs­prüfungsamt Regensburg die bayerische Förderung von Kinderwunschbehandlungen geprüft. Dabei standen insbesondere die Wirtschaftlichkeit des Fördervollzugs und Mög­lichkeiten zur Verfahrensvereinfachung im Fokus.

52.1                        Ausgangslage

Die Kinderwunschbehandlung wurde 1990 erstmals mit § 27a SGB V als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung bestimmt.[1] 2004 hat der Bundesgesetzgeber die Leis­tungen für Kinderwunschbehandlungen drastisch gekürzt, um die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung zu senken.[2] Seitdem übernimmt die gesetzliche Krankenver­sicherung Kinderwunschbehandlungen bei Ehepaaren nur noch im Umfang von 50% für die ersten drei Behandlungen; vormals waren es 100% für vier Behandlungen. Nach dieser Rechtsänderung 2004 war deutschlandweit die Zahl der Geburten nach künstlicher Befruchtung von 17.000 auf 8.000 gesunken.[3] Für nicht verheiratete Paare wurden noch nie Behandlungskosten durch die gesetzliche Krankenversicherung erstattet.

Seit dem 01.04.2012 unterstützt der Bund Ehepaare und seit dem 07.01.2016 auch unver­heiratete Paare mit Zuwendungen für Kinderwunschbehandlungen.[4] Diese Bundesförde­rung setzt voraus, dass sich die Länder mit einem eigenen Anteil in mindestens gleicher Höhe wie der Bund beteiligen. Um eine Förderung erhalten zu können, müssen Paare heterosexuell sein sowie ihren Hauptwohnsitz in einem Land haben, das ein eigenes Lan­desprogramm zur Förderung von Kinderwunschbehandlungen unterhält und eine Koope­ration mit dem Bund eingegangen ist.[5] Aktuell nehmen insgesamt 12 Länder, darunter Bayern, die Finanzmittel des Bundes in Anspruch.[6] Die Vereinbarung zwischen dem Bund und Bayern sieht vor, dass die ausgereichten Fördermittel hälftig zwischen Bund und Bayern aufgeteilt werden. Den Verwaltungsaufwand für den Vollzug der Förderung trägt vollständig der Freistaat.

Die erforderliche bayerische Richtlinie zur Förderung von Kinderwunschbehandlungen (RL) trat zum 01.11.2020 in Kraft.[7] Der Förderzweck liegt darin, Paare mit einem unerfüll­ten Kinderwunsch finanziell bei Kinderwunschbehandlungen zu unterstützen, damit der Wunsch nach einem Kind für möglichst viele Paare mit Wohnsitz in Bayern in Erfüllung gehen kann. Zuwendungen werden für die erste bis vierte Behandlung gewährt. Die Zuwendung wird als nicht rückzahlbarer Zuschuss in Form einer Anteilfinanzierung zur Projektförderung gewährt. Die Gesamtausgaben einer Kinderwunschbehandlung variieren je nach Behandlungsmethode und Einzelfall ca. zwischen 3.000 und 5.500 €.

Beim Fördersatz wird entsprechend der BundesRL zwischen verheirateten Paaren und nicht ehelichen Lebensgemeinschaften unterschieden. Für Ehepaare liegt der Fördersatz für den ersten bis vierten Behandlungszyklus bei bis zu 50%[8] des verbleibenden Eigen­anteils. Der verbleibende Eigenanteil errechnet sich aus den zuwendungsfähigen Ausga­ben, die für die Behandlung medizinisch erforderlich sind, abzüglich aller hierzu erfolgten Erstattungsleistungen der gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung sowie ggf. der Beihilfestelle oder weiterer Leistungsträger.[9] Für nicht eheliche Lebensgemeinschaften liegt der Fördersatz für den ersten bis dritten Behandlungszyklus bei bis zu 25%[10] des ihnen verbleibenden Eigenanteils. Bei dem vierten Behandlungszyklus erhöht sich der För­dersatz auf bis zu 50% des ihnen verbleibenden Eigenanteils.[11]

Unter der Haushaltsstelle Kap. 10 07 Tit. 681 66 wurden im geprüften Zeitraum für die För­derung bisher Haushaltsmittel von 6,4 Mio. € (Bundes- und Landesmittel) verausgabt. Als Bewilligungsbehörde für das gemeinsame Förderverfahren wurde das Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS) bestimmt.

52.2                        Feststellungen

Der ORH sichtete alle geförderten Kinderwunschbehandlungen von Beginn der bayeri­schen Förderung zum 01.11.2020 bis einschließlich März 2023. In diesem Zeitraum wurde nach Angaben vom ZBFS die Förderung von 12.509 Behandlungen bewilligt, von denen für 8.831 Behandlungen tatsächlich auch Fördermittel ausbezahlt wurden. Bei verheirate­ten Paaren wurden 8.079 Behandlungen und bei nicht ehelichen Lebensgemeinschaften 752 Behandlungen gefördert.

Die seit 01.11.2020 in Bayern bestehende gemeinsame Förderung musste aufgrund feh­lender Bundesmittel immer wieder ausgesetzt werden. Ab Februar 2024 musste die Förde­rung erneut eingestellt werden. Seit diesem Zeitpunkt waren bislang keine Förderungen mehr möglich.

Das ZBFS setzt für den Vollzug der Förderung insgesamt zehn Vollzeitstellen ein. Dies verursacht rechnerisch jährliche Personalvollkosten von derzeit 894.763 €. Entsprechend sind im geprüften Zeitraum ab 01.11.2020 bis einschließlich März 2023 Personalvollkosten von 2 Mio. € angefallen. Demgegenüber wurden 6,4 Mio. € an Zuwendungen ausgereicht, davon 3,2 Mio. € an bayerischen Mitteln. Die Verwaltungskosten lagen also bei über 60% der ausgereichten bayerischen Fördermittel.

Nach Schätzungen des ZBFS lagen die Personalvollkosten pro Förderfall bei einfach gela­gerten Fällen bei 100 €; bei komplexeren Förderverfahren erhöhten sie sich auf 150 €. Der ORH ermittelte rechnerisch für den geprüften Zeitraum Personalvollkosten von 160 € pro Förderfall.[12] Demgegenüber lag die ausgezahlte Zuwendung je tatsächlich geförderter Behandlung im Durchschnitt bei 720 €, davon entfielen 360 € auf den bayerischen Anteil. Bezogen auf alle bewilligten Behandlungen sank die ausgezahlte Zuwendung im Durch­schnitt auf 500 €; davon entfielen 250 € auf den bayerischen Anteil.

Nach der bayerischen Förderrichtlinie ist die Kinderwunschbehandlung nur förderfähig, wenn sie noch nicht begonnen wurde.[13] Vor Behandlungsbeginn ist für jeden einzelnen Behandlungszyklus gesondert eine Zuwendung zu beantragen. Die Möglichkeit für Paare, auch vorzeitig mit der Kinderwunschbehandlung beginnen zu können, wurde in der Förder­richtlinie und im Vollzug nicht vorgesehen. Die Antragstellung ist auf der Homepage des ZBFS in einem Online-Verfahren möglich.[14] Die Paare müssen alle erforderlichen Unter­lagen vorlegen und den vorläufigen Zuwendungsbescheid abwarten, bevor die Behand­lung beginnen kann.

Nach erfolgter Kinderwunschbehandlung fordert das ZBFS in jedem Förderfall alle Belege an. Diese Belege werden vom ZBFS erfasst und geprüft. Damit erfolgt eine 100%-Prüfung eines jeden Förderfalls. Anschließend wird ein Schlussbescheid erstellt und die Zuwen­dung ausbezahlt. Bei vier potenziell förderfähigen Kinderwunschbehandlungen wird für jede einzelne Behandlung das beschriebene mehrstufige zuwendungsrechtliche Verwal­tungsverfahren durchgeführt. Eine Zusammenfassung von mehreren Kinderwunschbe­handlungen - wie dies die gesetzlichen Krankenkassen praktizieren -findet nicht statt; auch dann nicht, wenn die maßgeblichen Antragsunterlagen gleichbleibend sind.

52.3                        Würdigung und Empfehlungen

Aus Sicht des ORH wäre eine Finanzierung der Kinderwunschbehandlung allein durch die gesetzlichen Krankenkassen zu begrüßen und würde den hohen Verwaltungsaufwand durch ein zusätzliches Förderverfahren vermeiden.

Im derzeitigen Verfahren sind die Kosten des Freistaates wesentlich höher als die des Bundes, weil Bayern die erheblichen Verwaltungskosten des Fördervollzugs für Bundes- und Landesmittel alleine trägt. Der Freistaat leistet sich beim Verwaltungsvollzug des gemeinsames Förderprogramms ein sehr aufwendiges und detailliertes Förder- und Prüf­verfahren unter hohem Personaleinsatz. Der Verwaltungsaufwand, der einseitig zulasten Bayerns geht, steht in einem sehr ungünstigen Verhältnis zu den ausgereichten Fördermit­teln und ist unwirtschaftlich.

Aus Sicht des ORH könnte das Verwaltungsverfahren wie folgt vereinfacht werden:

  • Das Sozialministerium sollte die Festlegung von Kostenpauschalen prüfen. Das ZBFS verfügt mittlerweile über eine valide Datenmenge, in welcher Bandbreite die zuwen­dungsfähigen Ausgaben einer Kinderwunschbehandlung durchschnittlich liegen. Der Verwaltungsaufwand ließe sich dann zudem mit der Vorlage von einfachen Verwen­dungsnachweisen - ohne Vorlage von Belegen - deutlich reduzieren.
     
  • Ein vorzeitiger Vorhabenbeginn kann zur zusätzlichen Verwaltungsvereinfachung und Beschleunigung zugunsten der Paare mit Kinderwunsch beitragen. Hierdurch würde die Erstellung des vorläufigen Zuwendungsbescheids wegfallen. Die Auszahlung und Abrechnung könnte nur noch mit einem Schlussbescheid erfolgen.
     
  • Durch die Bündelung von mehreren Behandlungszyklen in einer Förderung, wie es die gesetzliche Krankenversicherung praktiziert, kann die Anzahl der Verwaltungsverfah­ren weiter reduziert werden.

Das Sozialministerium sollte die Erfahrungen aus dem bisherigen Förderprogramm nutzen, um die bayerische Förderung neu auszurichten und alle Möglichkeiten zur Verwaltungsver­einfachung auszuschöpfen.

52.4                        Stellungnahme der Verwaltung

Bei der Kinderwunschförderung sei der erhöhte Verwaltungsaufwand für betroffene Paare bereits durch das Nebeneinander an Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen einer­seits und das Bund-Länder-Förderprogramm andererseits bedingt. Bayern habe sich seit 2004 mehrfach erfolglos über den Bundesrat für eine bessere Finanzierung durch die gesetzlichen Krankenkassen eingesetzt.

Mit dem vom Bund 2012 geschaffenen Förderprogramm werde den Ländern ein hohes Maß an Vollzugsaufwand und deren Kostenträgerschaft vorgezeichnet. Dabei sei die För­derung im Einzelnen anknüpfend an die Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen aus­gestaltet worden.

Den Empfehlungen des ORH stehe man aufgeschlossen gegenüber. Allerdings sei eine Wiederaufnahme der Bundesförderung aktuell nicht absehbar.

52.5                        Schlussbemerkung

Das detaillierte Förder- und Prüfverfahren unter hohem Personaleinsatz wird allein vom Freistaat getragen. Das Verfahren ist aus Sicht des ORH zu aufwendig und damit unwirt­schaftlich. Die vielen Möglichkeiten zur Verwaltungsvereinfachung sollten genutzt werden.

Bei der Förderung von Kinderwunschbehandlungen in Bayern wäre ein Bürokratieabbau - auch im Sinne der betroffenen Paare - wünschenswert, der Verwaltungsaufwand sollte deutlich reduziert werden.



[1]     KOVAnpG 1990.

[2]     GMG.

[3]     ÄrzteZeitung: „Finanzielle und rechtliche Hürden lassen den Traum von einem Retortenbaby oft zerplatzen“, https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Finanzielle-und-rechtliche-Huerden-lassen-den-Traum-von-einem-Retortenbaby-oft-zerplatzen-391884.html, abgerufen am 04.10.2024, Begründung Antrag in LT-Drs. 18/4143 vom 14.10.2019.

[4]     Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von Maßnahmen der assistierten Reproduktion vom 29.03.2012, zuletzt geän­dert am 23.12.2015.

[5]     Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben, Bund/Länder-Kooperation bei der Förderung von Kinderwunschbehandlungen, https://www.bafza.de/programme-und-foerderungen/bundlaender-kooperation-bei-der-foerderung-von-kinderwunschbehandlungen, abgerufen am 04.10.2024.

[6]     Bayern, Berlin, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen.

[7]     Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales vom 08.10.2020, Gz. IV1/6541.01-1/630 i.d.F. der Änderungsbekanntmachung vom 09.09.2022, Gz. IV1/6541.01-1/630; BayMBl. 2020 Nr. 610.

[8]     25 % Bundesanteil und 25 % Landesanteil.

[9]     Nr. 5.3 i.V.m. 5.4 RL.

[10]    12,5 % Bundesanteil und 12,5 % Landesanteil.

[11]    Nr. 5.4.2 RL.

[12]    Personalvollkosten von 2 Mio. € dividiert durch 12.509 bewilligte Behandlungen ergeben 159,88 €.

[13]    Nr. 4.3 Satz 1 RL.

[14]    ZBFS, Förderung von Kinderwunschbehandlungen, abrufbar unter https://www.zbfs.bayern.de/foerderung/familie/kiwub/index.php#Online-F%C3%B6rderantrag