TNr. 55 Hebammenbonus

Beitragsbild 2025 TNr. 55
© Newman Studio - stock.adobe.com

Seit 2018 gewährt Bayern freiberuflich tätigen Hebammen bei Betreuung von mindestens vier Geburten pro Jahr einen jährlichen Bonus von 1.000 € als eine von mehreren freiwilligen Leistungen. Für das Jahr 2022 wurden 923.000 € bewilligt. Damit soll eine flächendeckende Geburtshilfeversorgung sichergestellt werden. Wie dieses Ziel durch den Bonus erreicht werden soll, ist nicht festgelegt. Das Gesundheitsministerium verfügt über keinerlei Daten zum Versorgungsumfang und Bedarf an Hebammenleistungen in Bayern. Gleichwohl wird der Bonus für weitere drei Jahre gewährt.

Der ORH empfiehlt Finanzhilfen nur dann zu gewähren, wenn zuvor ein tat­sächlicher Bedarf nachgewiesen wird. Das Gesundheitsministerium sollte endlich den Hebammenbonus zielgerichtet und bedarfsgerecht ausrichten sowie zum Bürokratieabbau eine Zusammenfassung der unterschiedlichen finanziellen Leistungen zur Hebammenversorgung prüfen.

Der ORH hat von Juni bis August 2020 zusammen mit dem Staatlichen Rechnungsprü­fungsamt Regensburg die Gewährung des Hebammenbonus gemäß Hebammenbonus­richtlinie (HebBonR)[1] geprüft. Dabei stand vor allem die Zielsetzung der Zahlung und deren Erfolg vor dem Hintergrund von Notwendigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit im Fokus. Zu der ab 2025 geplanten Neuauflage des Hebammenbonus (HebBonR_Neu)[2] hat sich der ORH im Oktober 2024 erneut geäußert.[3]

55.1                        Ausgangslage

Der Freistaat gewährt seit dem 01.09.2018 freiberuflich tätigen Hebammen und Entbin­dungspflegern, die im Kalenderjahr mindestens vier Geburten betreuten, auf Antrag einen Hebammenbonus von 1.000 € jährlich. Die Anträge sind beim Landesamt für Pflege (LfP) als Bewilligungsbehörde zu stellen. Diese Leistung ist eine von mehreren freiwilligen Leis­tungen für Hebammen.[4]

Zweck des Hebammenbonus ist die Sicherstellung einer flächendeckenden Geburtshilfe. Ziel ist es, diese Tätigkeit attraktiver zu machen und wieder mehr Hebammen und Entbin­dungspfleger zu gewinnen, um werdenden Müttern in Bayern auch in Zukunft ein flächen­deckendes Angebot in der Geburtshilfe gewährleisten zu können.

Seit dem Bewilligungszeitraum 2024 wird der Hebammenbonus für zunächst drei weitere Jahre ausgereicht,[5] wobei sich an der Höhe und den Zielen des Hebammenbonus nichts geändert hat. Dadurch soll insbesondere Geburtshilfe und Wochenbettbetreuung in den Ballungsräumen unterstützt werden.[6] Hebammen bieten neben Geburtshilfe und Wochenbettbetreuung i.d.R. auch ergänzende Tätigkeiten wie z.B. Ernährungsberatung während der Schwangerschaft, Geburtsvorbereitungskurse oder Rückbildungskurse an.[7]

Die Vergütungssysteme der freiberuflich tätigen Hebammen werden zwischen Hebam­menverbänden und dem GKV-Spitzenverband ausgehandelt. Im Zeitraum von 2013/2014 bis 2016/2017 konnten alle Ausbildungsplätze bei im Durchschnitt um das 6,4-fache höher liegenden Bewerberzahlen besetzt werden.[8]

55.2                       Feststellungen

Für die Bewilligungszeiträume 2017 bis 2023 wurden nach Auswertungen des LfP vom 16.08.2024 jährlich zwischen 723 und 923 Anträge bewilligt; dies entspricht Bonuszahlun­gen zwischen 723.000 und 923.000 €.

55.2.1                     Versorgungsgrad

Im Rahmen der Prüfung teilte das Gesundheitsministerium im Juni 2020 mit, dass verläss­liche Ist- und Zielwerte zum Versorgungsumfang von Hebammenleistungen (selbststän­dige und angestellte Hebammen) in Bayern nicht existieren würden; diese Aussage bestä­tigte das Gesundheitsministerium nochmals im Juni 2021. Gleiches gelte für Zielwerte, die definieren, wann eine ausreichende flächendeckende Versorgung in Bayern erreicht ist.

Eine 2018 erstellte Studie für das Gesundheitsministerium[9] stellte generelle Defizite bei der Erfassung zu Anzahl und Beschäftigungsumfang von Hebammen sowie Versorgungs­engpässe in städtischen Regionen, für bestimmte Personengruppen oder bei Teilen des Leistungsangebots fest.

Unabhängig davon erkennt die Studie, dass von 2003 bis 2016 die Zahl freiberuflicher Hebammen je 100.000 Einwohner von 67,1 auf 124,2 gestiegen ist. Dieser Aufwärtstrend hat sich nach den Daten des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) fortgesetzt.[10]

Im Rahmen des Prüfungsschriftwechsels wies das Gesundheitsministerium im Juni 2021 darauf hin, dass in einem Aktionsprogramm eine regelmäßige Datenerhebung zur Versor­gungs- und Bedarfssituation der Hebammen im Freistaat veranlasst werden solle. Wäh­rend der Corona-Pandemie sei dies nur eingeschränkt möglich, werde aber im Rahmen verfügbarer Mittel möglichst bald auch unter Berücksichtigung kommunaler Besonderhei­ten durchgeführt.

Das LfP zog im August 2024 mit der Auswertung des Hebammenbonus für die Jahre 2017 bis 2022 das Fazit, dass in den Jahren 2018 bis einschließlich 2022 durch das LGL ein Anstieg der Zahl freiberuflicher Hebammen von 3.047 auf 3.507 (+460) habe verzeichnet werden können.

Ein Rückschluss des Anstiegs freiberuflich in der Geburtshilfe tätiger Hebammen in Bayern auf den Hebammenbonus könne laut LfP nicht gezogen werden, da die Daten des LGL derzeit keinen Aufschluss über das Leistungsangebot der einzelnen Hebammen ergäben. Hierunter könnten laut LfP auch Leistungen der Geburtsvorbereitung für Schwangere oder der Nachsorge von Müttern mit Neugeborenen fallen.

Das Gesundheitsministerium hat selbst eine wissenschaftliche Untersuchung u.a. zur Hebammenversorgung angestoßen,[11] deren Ergebnisse dem ORH noch nicht vorliegen.

55.2.2                    Geburtenzahlen

Zum Zeitpunkt der Prüfung des ORH 2020 waren steigende Geburtenzahlen festzustel­len.[12] Zwischen 2013 und 2018 stiegen diese in nahezu allen bayerischen Bezirken konti­nuierlich von bayernweit 109.562 (2013) auf 127.616 (2018). Zwischen 2021 und 2023 ergab sich ein Geburtenrückgang von 134.321 auf 116.505, von dem alle Bezirke betroffen sind.[13] Weniger Kinder wurden in Bayern zuletzt 2014 geboren (113.939).

Die zum 01.01.2025 in Kraft getretene Richtlinie für die Gewährung eines „Bayerischen Hebammenbonus“ begründet den Zweck der Förderung u.a. mit stetig steigenden Gebur­tenzahlen.[14] Zahlen hierzu hat das Gesundheitsministerium nicht vorgelegt.

55.2.3                    Zielerreichung

Bei seiner Prüfung 2020 hatte der ORH beanstandet, dass in der HebBonR keine evaluier­baren Ziele bzw. entsprechende Kennzahlen festgelegt worden seien. Das Gesundheits­ministerium hatte dies im Kern bestätigt und verwies auf das geplante Aktionsprogramm.

Das Gesundheitsministerium legte vor Erlass der HebBonR_Neu Ende 2024 außer der Auswertung des LfP zum Hebammenbonus für die Jahre 2017 bis 2022 keine weiteren Daten vor.

In der ab 01.01.2025 geltenden HebBonR_Neu ist eine Bestimmung enthalten, die eine Auswertung der Antragsdaten „für Zwecke der Statistik und Erfolgskontrolle über die Wirk­samkeit der Zuwendung“ ermöglichen soll. Konkrete Regelungen u.a. hinsichtlich des ört­lichen bzw. regionalen Bedarfs an Hebammenleistungen, des zeitlichen Beschäftigungs­umfangs sowie der angebotenen Leistungen sind nicht vorgesehen. Auch die Beschrei­bung des Zuwendungszwecks enthält keine konkreten und evaluierbaren Zielvorgaben. Die HebBonR_Neu enthält auch keine Regelung, die eine künftige Leistungserbringung als Hebamme sicherstellt.

55.3                        Würdigung und Empfehlungen

Die Auswertung des LfP bestätigt ausdrücklich, dass keine validen Daten über die tatsäch­liche Versorgung mit Hebammenleistungen in Bayern und somit die Wirkung des Hebammenbonus vorliegen. Insbesondere fehlen (weiterhin) Daten über den zeitlichen und fachlichen Umfang jeweils ausgeübter Hebammentätigkeiten sowie zur konkreten Versorgungssituation vor Ort. Die Statistiken des LGL geben hierüber keinen Aufschluss.

Weiterhin fehlen nachvollziehbar hergeleitete und belastbare Zielwerte, wie hoch der Grad der Versorgung mit einzelnen Hebammenleistungen sein müsste. Dabei ist der dokumen­tierte Anstieg bei den freiberuflichen Hebammen zu berücksichtigen, der nach der 2018 erstellten Studie für das Gesundheitsministerium[15] auch schon vor Inkrafttreten des Hebammenbonus deutlich erkennbar war. Eine zusätzliche Wirkung des Hebammenbonus ist nicht belegt. Die Ergebnisse der Studie mit Versorgungsengpässen in bestimmten Sek­toren werden zwar in der HebBonR_Neu teilweise angesprochen, dennoch erfolgt die För­derung derzeit wie bisher flächendeckend und undifferenziert.

Aus der in der Richtlinie vorgesehenen Erfolgskontrolle[16] sollte abgeleitet werden können, ob und inwieweit eine Förderung optimiert, beibehalten, verringert oder eingestellt werden müsste. Dies hat das Gesundheitsministerium nicht umgesetzt.

Die HebBonR_Neu geht von steigenden Geburtenzahlen aus, für die es derzeit keine belastbaren Belege gibt. Der Rückgang der Geburten von mehr als 13% seit 2021 bleibt unberücksichtigt.

Der Erfolg eines Förderprogramms bemisst sich nicht nach dessen Inanspruchnahme, son­dern an dessen Zielerreichung.[17] Zur nachhaltigen Stärkung der Geburtshilfe müssten die Hebammen die geförderte Tätigkeit auch tatsächlich über einen längeren Zeitraum aus­üben. Wenn das Ziel der Finanzhilfe wäre, die Attraktivität des Berufs zu steigern, müsste differenzierter gehandelt werden. Sollte die Vergütung tatsächlich nicht ausreichend attrak­tiv sein, wäre eine derartige Einmalzahlung ohnehin eine ungeeignete Maßnahme zur nachhaltigen Abhilfe. Marktübliche und tarifliche Vergütungssysteme sprechen gegen einen staatlichen Markteingriff. Der Hebammenbonus erhöht eher die Gefahr von Mitnah­meeffekten.

Der ORH empfiehlt deshalb, zunächst Zielsetzung und Bedarf des Hebammenbonus zu überprüfen. Dabei sollten alle freiwilligen Leistungen für Hebammen mit in den Blick genommen werden. Statt einer pauschalen Verteilung der Förderung über ganz Bayern müsste diese jedenfalls auf der Grundlage entsprechender Daten einer nachhaltigen und längerfristigen Stärkung der Geburtshilfe gezielt in unterversorgten Bereichen dienen. Hier­zu sollte das Gesundheitsministerium endlich die erforderlichen Daten erheben und auswerten. Weiter regt der ORH zum Bürokratieabbau an, eine Zusammenfassung der unterschiedlichen finanziellen Leistungen für Hebammen zu prüfen.

55.4                        Stellungnahme der Verwaltung

Das Gesundheitsministerium setze vollumfänglich den in der Ministerratssitzung vom 08.05.2018 gefassten politischen Willen um. Ziel sei es, das Berufsbild attraktiver zu machen und allgemein zu stärken. Anerkennung und Unterstützung von freiberuflichen Hebammen sollten werdenden Müttern in Bayern auch zukünftig ein flächendeckendes Angebot in der Geburtshilfe gewährleisten.

Das Gesundheitsministerium wolle neben der Auswertung der Antragsdaten zum Zwecke der Erfolgskontrolle die Ergebnisse der im Dezember 2022 beauftragten wissenschaft­lichen Untersuchung zur Hebammenversorgung abwarten. Das Gesundheitsministerium sei bestrebt, Zielsetzung und Bedarf dieses Finanzanreizes anhand der Erkenntnisse der Untersuchung zu überprüfen. Sie sollte ursprünglich im Februar 2024, also vor der aktuel­len Verlängerung der Hebammenbonusrichtlinie, vorliegen, verzögere sich nun aber bis Juni 2025. Die Auswertung der Untersuchung bilde perspektivisch eine Grundlage für die Entscheidung zur weiteren Verlängerung der Richtlinie über das Jahr 2027 hinaus.

Daneben werde das Gesundheitsministerium die angeregte Zusammenfassung der unter­schiedlichen finanziellen Leistungen für Hebammen aus Verwaltungsvereinfachungsgrün­den ebenfalls prüfen.

55.5                        Schlussbemerkung

Der ORH erinnert erneut an den Subsidiaritätsgrundsatz und empfiehlt, Finanzhilfen nur dann zu gewähren, wenn zuvor ein tatsächlicher Bedarf, z.B. für Ballungsräume, nachge­wiesen ist, der ohne die staatliche Förderung nicht oder nicht im notwendigen Umfang gedeckt werden kann. Die Verlängerung der freiwilligen Leistung ohne vorherige Erfolgs­kontrolle stellt die haushaltsrechtlich begründete Abfolge auf den Kopf. Die Überprüfung und eine mögliche Verwaltungsvereinfachung der Leistungen für Hebammen können so erst verspätet Wirkung entfalten.

Das Gesundheitsministerium sollte endlich den Hebammenbonus zielgerichtet und bedarfsgerecht ausrichten sowie zum Bürokratieabbau eine Zusammenfassung der unter­schiedlichen finanziellen Leistungen zur Hebammenversorgung prüfen.



[1]     Richtlinie über die Gewährung eines Bonus zur Sicherstellung der Geburtshilfe durch freiberufliche Hebam­men und Entbindungspfleger (Hebammenbonusrichtlinie - HebBonR), Bek. des Bayerischen Staatsministe­riums für Gesundheit und Pflege vom 30.07.2018 (AllMBl. S. 564).

[2]     Richtlinie über die Gewährung eines Bonus zur Sicherstellung der Geburtshilfe durch freiberuflich tätige Hebammen (Hebammenbonusrichtlinie - HebBonR), Bek. des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit, Pflege und Prävention vom 02.12.2024 (BayMBl. Nr. 642).

[3]     Im Rahmen der Anhörung nach Art. 103 BayHO.

[4]     Richtlinie über die Förderung der Niederlassung freiberuflicher Hebammen (Hebammenniederlassungsprä­mienrichtlinie - HebNpR), Bek. des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 16.07.2019 (BayMBl. Nr. 313) und Bek. des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit, Pflege und Prävention vom 06.12.2023 (BayMBl. 2023 Nr. 641; Richtlinie zur Förderung der Geburtshilfe in Bayern (GebHilfR), Bek. des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 10.09.2018 (AllMBl. Nr. 13, S. 920) und Bek. des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit, Pflege und Prävention vom 23.09.2023 (BayMBl. Nr. 541), u.a. finanzielle Zuwendungen an Hebammen gemäß Säule 1 der Richtlinie.

[5]     Vgl. Fn. 2.

[6]     Nr. 1 S. 3 HebBonR_Neu.

[7]     Gesundheitsministerium „Berufsbild Hebamme - Möglichkeiten der Aus- und Weiterbildung“, abrufbar unter https://www.stmgp.bayern.de/gesundheitsversorgung/gesundheitsberufe/hebammen/.

[8]     Studie zur Hebammenversorgung in Bayern für das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege, IGES-Institut GmbH (Berlin) vom Juli 2018, Kap. 5.6, abrufbar unter https://www.stmgp.bayern.de/wp-content/uploads/2018/08/hebammenstudie_vollfassung.pdf.

[9]     Vgl. Fn. 8, Kapitel 4.6.

[10]    LT-Drs. 18/3494 vom 11.10.2019, Nr. 2.1.

[11]    Pressemitteilung des LfP Nr. 83 vom 05.05.2024, abrufbar unter https://www.lfp.bayern.de/pressemitteilung_stmgp_bilanz-hebammenbonus-2024/; Online-Befragung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, sogenannte HELPER-Studie, abrufbar unter https://helper.med.fau.de/study.

[12]    IGES-Studie, Kap. 3.2.2., Verweis auf amtliche Statistik (Quelle: Bayerisches Landesamt für Statistik, Stand: 08.03.2018).

[13]    Pressemitteilung des Bayerischen Landesamts für Statistik Nr. 157 vom 14.06.2024, abrufbar unter https://www.statistik.bayern.de/presse/mitteilungen/2024/pm157/index.html.

[14]    Nr. 1 S. 2 HebBonR_Neu.

[15]    Vgl. Fn. 8.

[16]   Art. 7 BayHO i.V.m. VV Nr. 7 zu Art. 7 BayHO.

[17]    ORH-Bericht 2017 TNr. 37